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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Danzig

des Hagelsbergs" gekrönten äußern Festungsgürtel breiten sich neue Stadtteile aus, unter denen besonders Neugarten mit den in neuester Zeit aufgeführten stattlichen Gebäuden sich aufzeichnet. Ein Teil der innern Wälle ist vor kurzem geschleift und das freigewordene Gelände mit Militärgebäuden besetzt, wogegen die äußern Festungswerke fortdauernd verstärkt werden. Der Hafen ist durch Anlage neuer detachierter Forts vorzüglich befestigt.

D. gehört wegen seiner Bauwerke und der landschaftlichen Schönheit seiner Umgebung zu den interessantesten deutschen Städten; es hat mit Ausnahme Nürnbergs und einiger rhein. Städte die eigentümlichste und am schärfsten ausgeprägte Physiognomie, die mit den massenhaften, meist sehr alten Befestigungen im Einklang steht. Der interessanteste Stadtteil und zugleich Mittelpunkt des Verkehrs ist die Rechtstadt. Ihr Glanzpunkt, die Langgasse und der Lange Markt, ist ein breiter, die Stadt von W. nach O. durchschneidender Straßenzug, den eine Reihe stattlicher Giebelhäuser einfassen, meist Prachtbauten aus dem 16. bis 18. Jahrh. Im W. dehnt sich jenseits des Stadtgrabens eine schattige Promenade aus, deren Verlängerung im N. die "große Allee", eine 2 km lange, mit vier Reihen alter Linden bestandene, 1768 angelegte Straße bildet. Die Gärten der innern Stadt sind jetzt mit Gebäuden besetzt, dagegen finden sich zwischen den äußern Thoren größere Gärten, so die zwei Logen-, der Schützengarten und die Anlagen des Verschönerungsvereins. Den meist engen Straßen kehren die schmalen und tiefen Häuser ihre hohen, durch kunstvolle Steinarbeit oft reichverzierten Giebel zu. Von Plätzen der innern Stadt ist besonders zu nennen der Winterplatz, benannt nach dem verdienten frühern Oberbürgermeister von Winter, mit schönen Parkanlagen und neuem monumentalen Brunnen.

Kirchen. D. hat 23 Gotteshäuser (14 evang.und 5 kath. Kirchen, je ein evang. und mennonitisches Bethaus und 2 Synagogen). Besonders hervorzuheben sind die Oberpfarrkirche zu St. Marien, eins der hervorragendsten Baudenkmäler in den baltischen Gegenden, 1343 gegründet, später bis 1502 bedeutend vergrößert; sie ist eine Hallenkirche mit dreischiffigem Lang- und Querhaus. Wie eine Festung überragt die Kirche (105 m lang, 35 m breit, im Querschiff 66 m breit, 30 m hoch) mit ihrem gewaltigen Westturm (76 m) und den zehn schlanken Giebeltürmchen die Stadt. Im Innern befinden sich viele bedeutende Kunstschätze (Hauptaltar, 1511 - 17 gefertigt von dem in D. ansässigen Augsburger Meister Michael; Flügelaltar mit dem Jüngsten Gericht, vor 1473 von Memling in Brügge gemalt). Die übrigen Kirchen, sämtlich got. Backsteinbauten, sind weniger bedeutend: die Katharinenkirche, aus den: 13. Jahrh., mit einem Glockenspiel; die Johanniskirche, im 15. Jahrh. begonnen, durch Restaurationen entstellt; die Trinitatiskirche, 1514 vollendet, mit dreifachem got. Westgiebel. Im ehemaligen Franziskanerkloster, einem spätgot. Bau des 15. und 16. Jahrh., ist das Museum, in der ehemaligen Jakobskirche die Stadtbibliothek. Die neue Synagoge ist 1886/87 nach Plänen von Ende und Böckmann erbaut.

Weltliche Bauten. Unter den Thoren der Stadt sind besonders zu erwähnen das Hohe Thor, ein mächtiges, 1558 im Renaissancestil erbautes Festungsthor, 1880 verbreitert; ferner das Langgarterthor (1612), in ital. Renaissance, gegenüber der Stockturm von 1346, mit Dach von 1508 und das neuerdings in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellte Grüne Thor (1568), in dessen obern Räumen das Westpreußische Provinzialmuseum untergebracht ist. Hervorragende öffentliche Gebäude sind das Rathaus am Langen Markt (14. Jahrh.), mit einem schlanken Turm (45 m), dessen zierliche, 1559 - 61 aufgesetzte mit einem Glockenspiel versehene Spitze im Renaissancestil berühmt ist; im Erdgeschoß die Sommerratsstube mit geschnitztem Portal (1593), die Winterratsstube mit Wandgemälden (1611) und der Sitzungssaal der Stadtverordneten, früher der "Wette", mit neuerm Sterngewölbe auf achteckiger Granitsäule, im obern Stock das Empfangszimmer, das Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters und das städtische Archiv. Berühmt ist der Artus- oder Junkerhof am Langen Markt, 1480/81 an Stelle eines ältern durch Brand zerstörten Gebäudes aufgeführt, vormals Versammlungshaus der reichen Danziger "Stadtjunker", seit dem 18. Jahrh. Börse, mit zahlreichen Kunstwerken im Innern. Vor dem Artushof der stattliche Neptunsbrunnen, 1633 in Holland gegossen. Dem Grünen Thor gegenüber liegt auf der Speicherinsel das große Gebäude der Sparkasse, vor dem Hohen Thor im Neugarten das neue Landeshaus der Provinz Westpreußen, beide im Renaissancestil von Ende und Böckmann; am Winterplatz das Oberpostdirektionsgebäude und das Städtische Gymnasium; an dem Kohlen-Markt das alte Zeughaus, ein Barockbau von 1605; daneben das Theater; zwischen der Sandgrube und dem Schwarzen Meer das neue chirurg. Lazarett, 1886/87 von Schmieden erbaut, mit zwei schlanken Türmen; der uralte histor. Ankerschmiedeturm, seit 1864 zum Polizeigefängnis eingerichtet, und das großartige Mühlenwerk (1349) an der Radaune mit 18 Gängen.

Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister (Dr. Baumbach, seit 1891, 15000 M.), Bürgermeister (Hagemann, seit 1878, 8500 M.), 17 Stadträte (7 besoldet), 60 Stadtverordnete (Vorsteher Steffens) und eine königl. Polizeidirektion (Präsident Freiherr von Reiswitz). Die ständige Feuerwehr (seit 1859), mit der Wachtmannschaft und Straßenreinigung verbunden, zählt 265 Köpfe, darunter 74 für Straßenreinigung, und hat 14 Feuermelder, 3 Dampfspritzen (darunter 2 der kaiserl. Werft gehörig) und 46 Pferde. Die beiden Wasserleitungen (Stadt- oder Prangenauer Leitung, seit 1869, und Vorstadt- oder Pelonker Leitung, seit 1878) lieferten (1891/92) 3,955 Mill. und 72000 cbm aus 22 bez. 7 km entfernten Quellen durch natürliches Gefälle in 57 bez. 21 km langem Rohrnetz. Die Kanäle (45 km) entleeren ihren Inhalt in die Pumpstation auf der Kämpe (Mottlauinsel), und von da wird derselbe nach den etwa 8 km entfernten Rieselfeldern (1,5 qkm) an der Ostsee, den ersten des Festlandes, gepumpt. Die städtische Gasanstalt lieferte (1891/92) 3,171 Mill. cbm Gas, darunter für öffentliche Beleuchtung 639945 cbm (1162 Flammen), für Privatgebrauch 2452160 cbm (22778 Flammen, 41 Gasmotoren mit 210 Pferdestärken). Elektrische Beleuchtung besteht im Hafen, in der Zuckerraffinerie sowie in einigen Geschäften.

Finanzen. Das Rechnungsjahr 1891/92 schließt ab in Einnahme mit 4622812 M., Ausgabe 4181901 M.; das Vermögen beträgt 10-15 Mill. M., die Schulden 7,173 Mill. M. Für Schulen wurden aufgewendet 729605 M., für Armenwesen 501745 M., außer den Unterstützungsgeldern aus Stiftungen.