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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Darmstadt

mit Wendeltreppe im Innern, 1844 errichtet; der Paradeplatz mit dem Kriegerdenkmal für 1870/71), nach dem Modell des Bildhauers Herzig, von Lenz in Nürnberg gegossen, nordöstlich daranstoßend der Hoftheaterplatz mit Sandsteinstandbildern des Landgrafen Philipp des Großmütigen und seines Sohnes Georg Ⅰ. des Frommen, des Stifters der Hessen-Darmstädtischen Linie, von Scholl, 1854; der Mathildenplatz, der Wilhelminenplatz, der Marienplatz und der Bahnhofsplatz mit Fontäne und der Büste des zu D. geborenen Chemikers Justus von Liebig. An der Ecke der Liebig- und Landwehrstraße befindet sich ein Brunnendenkmal des Abgeordneten August Metz; auf dem Friedhof stehen zahlreiche Denkmäler hervorragender Männer, so des Komponisten Flotow, Kupferdruckers Felsing, Turnlehrers Spieß, Majors Kattrein u. a.

Kirchen. Nahe dem Markte die prot. Stadtkirche mit got. Chor und sehenswertem Renaissancegrabmal Georgs Ⅰ., am Wilhelminenplatz die 1827 von Moller im Stile des röm. Pantheons erbaute kath. Kirche, mit 28 Säulen im Innern, die die Glaskuppel tragen, und schönem Marmorsarkophag der Großherzogin Mathilde, von Widnmann; ferner die neue got. Stadtkapelle, die frühgot. Martinskirche und eine neue Synagoge. Eine neue Kirche (Johanniskirche) ist (1892) im Bau begriffen.

Weltliche Bauten. Das großherzogl. Residenzschloß, zum Teil noch aus der Zeit der Grafen von Katzenelnbogen (15. Jahrh.) stammend, wurde unter Landgraf Georg Ⅰ. umgebaut und nach seinem Tode (1596) mit schönen Portalen in Renaissance versehen; der Hauptteil stammt aus dem 18. Jahrh., das Glockenspiel des Turmes von 1671; der Bau wurde 1833 vollendet. Im mittlern Stockwerk befindet sich die Hofbibliothek (400000 Bände, 3300 Handschriften, Landkartensammlung und viele seltene Druckwerke) und die 1890 neugeordneten Sammlungen von Altertümern, Mineralien, Konchylien und Petrefakten; im obern Stockwerk die Gemäldegalerie (Darstellung im Tempel, von Stephan Lochner [1447], Christus an der Martersäule, von Rembrandt [1668] u. a.); ebenfalls im Schlosse befindet sich die berühmte Madonna mit der Familie des Baseler Bürgermeisters Meyer, von Holbein dem Jüngern. Nördlich vom Schlosse das Hoftheater, nach dem Brande (1871) neu gebaut und 1879 vollendet. Am Markt steht das Rathaus, ein Renaissancebau von 1568, auf dem Wilhelminenplatz das neue Palais des Großherzogs, auf der Rosenhöhe das des Prinzen Wilhelm, beide in ital. Renaissance, dem Bahnhof gegenüber die Kunsthalle und die Banken für Handel und Industrie und für Süddeutschland, letztere beiden von Berdellé 1875 erbaut, in der Hügelstraße das neue Gebäude der Volksbank, in der Schützenstraße die städtische Sparkasse, in der Rheinstraße das Stadthaus und das großartige Postgebäude; ferner die Palais des Prinzen Alexander und des verstorbenen Prinzen Karl sowie mehrere Kasernen, Klubhäuser und hervorragende Privatgebäude; der Bau eines neuen Museums an Stelle des abgebrochenen Zeughauses ist (1892) von den Landständen bewilligt; ein neues großes Polytechnikum ist (1892) im Bau begriffen.

Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister (Morneweg), zwei unbesoldete Beigeordnete, 42 Stadtverordnete und eine großherzogl. Polizeiverwaltung. Es besteht eine Schutzmannschaft (54), freiwillige Feuerwehr (250 Mann), ausgezeichnete Wasserleitung, Gasanstalt (1,7 Mill. cbm) und ein Elektricitätswerk mit 5000 Glühlampen. ^[Spaltenwechsel]

Finanzen. D. hatte (1890/91) etwa 11,056 Mill. M. Vermögen und 8,879 Mill. M. Schulden. Die Einnahmen betrugen (1888/89) 1,990, die Ausgaben 1,642 Mill. M.; für Schulen wurden 375600 M., für öffentliche Sicherheit 114000 M., für Armenpflege 82000 M. verwendet.

Behörden. D. ist Sitz der Behörden des großherzogl. Hofes, der Ministerien, der Oberrechnungskammer, des Oberkonsistoriums, der Direktion der Provinz Starkenburg, des Kreisamtes D., der landwirtschaftlichen, Forst-, Kirchen- und Schulbehörden, eines Oberlandesgerichts für das Großherzogtum Hessen (Landgerichte D., Gießen, Mainz), Landgerichts mit 18 Amtsgerichten (Beerfelden, D. Ⅰ, D. Ⅱ, Fürth, Gernsheim, Groß-Gerau, Groß-Umstadt, Hirschhorn, Höchst, Langen, Lorsch, Michelstadt, Offenbach, Reinheim, Seligenstadt, Wald-Michelbach, Wimpfen, Zwingenberg) und Kammern für Handelssachen in D. und Offenbach, zweier Amtsgerichte, einer Oberpostdirektion für das Großherzogtum Hessen mit Ausnahme des Amtsgerichtsbezirks Wimpfen mit 285 Verkehrsanstalten und 2024,22 km oberirdischen Telegraphenlinien (7677,06 km Leitungen), einschließlich 781,56 km Fernsprechanlagen, eines Hauptsteueramtes, Steuerkommissariats, Rentamtes, einer Reichsbanknebenstelle; ferner der Kommandos der 25. (großherzogl. hess.) Division sowie der 49. und 50. Infanterie- und 25. Kavalleriebrigade. In D. haben Preußen und Großbritannien Gesandtschaften.

Schul- und Bildungswesen. Die Technische Hochschule ist aus der frühern Gewerbeschule hervorgegangen; sie zählte (Wintersemester 1892/93) 24 Professoren, 28 andere Docenten, 497 Studierende und 111 Hospitanten; die einzelnen Zweige der Hochschule sind: Hochbauabteilung, Ingenieurabteilung, Maschinenbauabteilung, chem.-technische Abteilung, mathem.-naturwissenschaftliche Abteilung, elektrotechnische Abteilung. Das Pädagogische Seminar zur Ausbildung von Lehrern für Gymnasien und Realschulen ist mit dem neuen Gymnasium verbunden. Großherzogl. Ludwig-Georgs-Gymnasium, 1627 vom Landgrafen Georg Ⅱ. gestiftet (Direktor Dr. Becker, 32 Lehrer, 17 Klassen mit 469 Schülern, 6 Vorschulklassen mit 177 Schülern), Neues Gymnasium, 1890 vom vorigen abgezweigt (Direktor Nodnagel, 14 Lehrer, 9 Klassen, 240 Schüler); Realgymnasium, 1823 gegründet (Direktor Kühl, 32 Lehrer, 15 Klasssen ^[richtig: Klassen] mit 593 Schülern, 4 Vorschulklassen mit 171 Schülern), Realschule, 1889 vom vorigen abgezweigt (Direktor Dr. Freiherr von Gall, 17 Lehrer, 13 Klassen, 425 Schüler), 3 höhere Mädchenschulen, darunter die städtische Victoriaschule, Mädcheninstitut (Lehrerinnenseminar) St. Maria der Englischen Fräulein, je eine Mittel- und zwei Stadtschulen für Knaben und Mädchen, mehrere Fortbildungsschulen, eine Handwerk-, Kunstgewerbe- und Fachschule für Kaufleute.

Außer der oben unter den weltlichen Bauten erwähnten Bibliothek und Gemäldegalerie besteht noch ein Kabinettsmuseum und eine Kabinettsbibliothek im alten großherzogl. Palais sowie mehrere Privatsammlungen von Gemälden (z. B. die des Geh. Hofrats Schäfer). Hervorragend ist das Hoftheater (1800 Plätze), 1818/19 von dem kunstliebenden Großherzog Ludwig Ⅰ. gegründet, und die Hofkapelle.