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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deich
Wassers, der Angriff durch Strömung, Wellenschlag
und Eisgang muh durch entsprechende Sicherung
der Böschungen hintangehalten werden. Die Unter-
^
^i.6 61'
Fig. 2.
Haltung der D. erfordert unablässige Aufsicht; be-
sondern Schaden können Tiere, als Maulwürfe,
Ratten, Hamster und Mäuse, durch das Aus wühlen
von Gängen hervorrufen, welche zu Durchquel-
lungen Veranlassung bieten.
Die zur Kochwasserzeit im Interesse der Sicher-
heit zu treffenden Maßnahmen und Arbeiten um-
fassen die Deichverteidigung. Bricht bei Hoch-
wasser das Vorland samt dem D. durch, so spricht
man von einem Strombruch; wird nur die Deich-
basis mitgerissen, von einem Grundbruch; leidet
die Deichbasis beim Durchbruch nicht, von einem
gewöhnlichen Durchbruch. Die bei heftiger Durch-
strömung gebildete Vertiefung (Brack oder Kolk)
kann bei Wiederherstellungen Hanz oder teilweife
künstlich ausgefüllt und durchdetcht oder von einem
D. umdeicht Werden, wobei der Kolk im Vorlande
oder Binnenlande bleibt; ersteres ist rationeller.
2) Seedeiche. Die von den Flüssen dem Meere
zugeführten Schlickmassen und der Boden früher
durch Deichbrüche verlorenen Landes liefern der
Flut Stoffe, welche sie an den flachen Küsten auf-
schwemmt, hierdurch neue Marschen bildend. Diese
können durch Umschließung mit D. den Gefahren
der Überschwemmung entzogen werden (vgl. Fig. 2).
Auch hier kommen Winter- und Sommerdeiche,
Schardeiche, Schlafdeiche vor, wobei die erstgenann-
ten Schutz gegen die höchsten Fluten bieten follen.
Sturmdeiche liegen hinter Hauptdeichen, welche
den stärksten Angriffen ausgefetzt sind, und schützen
das Binnenland im Falle von Hauptdeichbrüchen.
Die Seedeiche haben besonders dem Wellenschlage
zu widerstehen, sollen mit kürzester Linie möglichst
große Flächen umschließen. Die Grundstücke müssen
deichreif fein, d. h. sich rentabel erweifen und fo
hoch liegen, daß sie entwässert werden können.
Die Unterhaltung der Seedeiche erfordert mehr
Sorgfalt als die der Flußdeiche; die Deichverteidi-
gung genügt nur für kurze Zeiträume. Es fehlt nicht
an Beispielen, daß neue Sturmfluten sich weit über
früher beobachtete erheben; fo wurde beim Anfchluß
der Gröninger an die deutschen Dollarddeiche bei
einer 1875 ausgeführten Einpolderung (Um-
deichung) feitens Hollands auf Grund der Sturm-
flut von 1825 eine Deichhöhe von 4,6 m über ge-
wöhnliche Flut für genügend erachtet, diese aber nach
der Sturmflut vom Jan. 1877 auf 5,4 m erhöht.
Geschichtliches. Zum Schutz gegen Überschwem-
mungen wurden ursprünglich die Wohngebäude der
schwachbevölkerten Gebiete auf künstlichen Hügeln,
Worthen oder Wurthen (Holland. Worden, Wier-
den, Terpen), welche bereits Plinius der Altere
erwähnt, angelegt. Der röm. F^dhen Drusus
erbaute bereits 10 Jahre v. Chr. in Holland
D. Mit Vermehrung der Worthen vereinigten
sich vom 10. Jahrb. an die Bewohner zum Deich-
bau. Jede Sturmflut war von zahlreichen Durch-
brüchen begleitet; befonders wurden 1218 der
Iadebufen, 1277 der Dollart vom Meer verschlun-
gen. Seit 1634 find erhebliche Zerstörungen nicht
wieder vorgekommen.
Holland bietet den besten Beweis dafür, was der
Deichbau zu leisten vermag. Holland hat etwa
32000 hkiQ Land; davon ist etwa die Hälfte ---
16000 hkni durch Deichbauten der Überschwemmung
des Meers oder der Flüsse entzogen und der Kultur
gewonnen worden (f. die umstehende Deichkarte). Die
großen Städte Rotterdam, Amsterdam und Haag
liegen inmitten jener Niederungen, und man geht
ernstlich damit um, auch den Zuiderfee dem Meere
wieder zu entreißen.
Rechtliches. Der D. steht im Eigentum der
Gefamtheit der Deichgenoffen (Eigentümer der
durch den D. gefchützten Ländereien, die als Real-
verpflichtungen die Deichlasten tragen), welche
eine Korporation (s. d.) bilden. Die Korporation hat
ihre eigenen Beamten (Deichgraf, Deichhaupt-
m ann, Deich geschworene) und ihre eigeneKasse;
sie verwaltet ihre Angelegenheiten unter Teilnahme
der Deichgenossen oder von deren Vertretern (Deich-
sch offen), jedoch unter Aufsicht des Staates, von
dessen Genehmigung die neuen Eindeichungen und
die Veränderungen der bestehenden Einrichtungen
abhängen. Die Deich rolle ist das Verzeichnis,
welches die Größe und Besitzer der deichpflichtigen
Grundstücke, den Beitragsfuß, event, die hierzu
gehörigen Pfänder oder Kaveln (eine vom Besitzer
ausschließlich zu erhaltende/bestimmt markierte Deich-
strecke) angiebt. Die Untersuchung der Beschaffenheit
der D. heißt Deich schau. Die Benutzung des D. zu
andern Zwecken (Anbau von Häusern, Viehweide,
Anpflanzungen, Befahren) ist in öffentlichem In-
teresse befchränkt. Das Vorland (Außendeichsland)
hat die zur Unterhaltung des D. nötige Erde herzu-
geben. Die Unterhaltung felbst lag sonst den
einzelnen Deichgenosscn je für ihre Strecke (Pfänder,
Kabel, Loose) ob (System der Pfanddeichung).
An deren Stelle ist die Kommuniondeichung ge-
treten, welche den D. im ganzen von der Genossen-
schaft unterhalten läßt, die einzelnen Grundbesitzer
zu den Kosten heranzieht. Die Deichlast ruht als
eine Reallast (s. d.) auf dem durch den D. gefchützten
Grundstücken, ohne daß eine Befreiung stattfindet:
"Kein D. ohne Land, kein Land ohne D." Bei
außerordentlicher Gefahr müssen sämtliche Deich-
pflichtigen die Nothilfe leisten. Der Deichlast kann
sich kein Grundeigentümer ohne Aufgabe des Pflich-
tigen Grundstücks entziehen: "Wer nicht will dei-
chen, der muh weichen." Früher wurde cin Spaten
in das dem säumigen Deichpftichtigen enrzogene