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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Delegieren - Delessert
In der Österreichisch-Ungarischen Mon-
archie dient D. als Bezeichnung einer durch das Ge-
setz vom 21. Dez. 1867 zur Behandlung gemeinsamer
Angelegenheiten geschaffenen parlamentarischen In-
stitution, ein Parlamentsausschuh, der durch Wahl
aus den Reichsvertretungen Österreichs und Un-
garns hervorgeht und abwechselnd in Wien und
Budapest tagt. Die D. jeder Reichshälfte zählt
60 Mitglieder, wovon ein Dritteil dem Herren-
Hause (resp. Magnatentafel) und zwei Dritteile den:
Hause der Abgeordneten (resp. der Rcpräsentanten-
tafel) entnommen werden. Die Wahlim österr. (cislei-
thanifchen) Abgeordnetenhaufe geschieht nach Län-
dern und wird alljährlich erneuert, während sie in
Ungarn für die Dauer einer ganzen Legislatur-
periode (3 Jahre) gültig ist. Neben den Delegierten
werden noch Ersatzmänner gewählt. Die Sitzungen
sind öffentlich und nicht gemeinsam, da jede D. in
ihrer Landessprache verhandelt. Der Verkehr zwischen
den D. ist schriftlich. Differenzen werden, wenn ein
dreimaliger ^ckriftwechsel erfolglos geblieben ist,
in gemeinschaftlicher Plenarsitzung durch gemein-
schaftliche Abstimmung, doch ohne Debatte, ent-
schieden. In die Kompetenz der D. gehören die
auswärtigen Angelegenheiten, das Kriegswesen,
jedoch mit Ausschluß der Rekrutenbewilligung und
der Landwehr, die Reichsfinanzen und in neuester
Zeit die Angelegenheiten der occupierten Länder
Bosnien und Herzegowina, deren oberster Ver-
waltungschef der Reichsfinanzminister ist. Den D.
werden seit 1868 diplomat. Dokumente vorgelegt
(Rotbücher). Als Usus gilt, daß mindestens einer
der drei gemeinsamen Minister (auswärtige Ange-
legenheiten, Krieg, Finanzen) der magyar. Reichs-
hälste angehört. Die Thronrede wird zweimal ge-
halten, deutsch und ungarisch, vor der deutschen und
ungarischen D., und ist bisher niemals in einer
Adresse beantwortet worden. Die Anhänger der
Personalunion bekämpfen die Einrichtung der D.,
in denen sie eine, wenn auch sehr schwache Art von
gemeinsamem Parlament erblicken. (S. Österreichisch-
Ungarische Monarchie.)
Delegieren (lat.), übertragen (eine Schuld, ein
Recht), absenden, abordnen (s. Delegation).
Delektieren (lat.), laben, ergötzen.
Delektion (lat.), Auswahl, Aushebung (von
Soldaten). fterg.
Delemont (spr. -möng), schweiz. Stadt, s. Dels-
Delen, Dirk van, Holland. Maler, geb. um 1605
zu Heusden, gest. 16. Mai 1671 als Bürgermeister
von Arnemuiden in Seeland. D., wahrscheinlich ein
Schüler des Frans Hals, stellte in seinen nicht häu-
figen Gemälden im Geschmacke der bereits unter
dem Einflüsse des Barock stehenden niederlä'nd. Re-
naissance mit Vorliebe fein ausgeführte und durch
große Künstlichkeit in der Perspektive sich auszeich-
nende Architetturbilder dar; die Staffage besorgten
ihm öfters Palamedes und Codde. Der Louvre zu
Paris besitzt von ihm: Palasthof mit Ballfpielern
(1628); das Mufeum in Lille: Die Königin von
Saba vor Salomon in dessen Palast (1638); die
kaiserl. Galerie in Wien: Gartenpalast mit vorneh-
mer Gesellschaft (1640) und Ansicht einer Säulen-
halle; das Berliner Museum: Palasthof mit Kava-
lieren (1647) u. s. w.
Delepierre (spr. -plähr), Joseph Octave, belg.
Schriftsteller, geb. 12. März 1802 in Brügge, stu-
dierte in Gent die Rechte, war dann Sachwalter in
Brüssel und wurde 1849 zum belg. Konsul in Lon-
don ernannt. Er legte sein Amt 1877 nieder und
starb 18. Aug. 1879 in London. D. schrieb unter
anderm: <<?i-6ci8 äs3 3.QQk1s8 äs VruFSZ" (1835),
"1^3, ZsiFicius i11u8tl66" (Vrüss. 1841), "RX3.M6U
Ü6 06 HU6 !'6nt61'IN6 lg. did1iotQ6HU6 (In Nu366 dli>
tÄuuiyue" (ebd. 1846), "lli3wir6littsrairs cl68t0U8"
(ebd. 1860), "1^ paroäis" (Lond. 1871), "1adi63.u
äs 1a littsrawrs äu csutoii" (2 Bde., ebd. 1875),
"i/sufsr. ^833.1 pKii080pKi(1U6 6t Ki8t0liHI16 "
(1877). Außerdem gab er ältere Werke neu heraus,
wie: "^v6utui-68 äs lisi IIIsuZpisFsI" (2. Aufl.,
Brügge 1840), "^lacarou^uH, ou ins1aiiZ63 äs 1a.
liNsratni-s inkcaronihus" (Par. 1852) und mit G.
Brunet als ^i-si-63 (^sdsroäs die "Lidliotksyus
didliopkilo-iacstisuäs" (Lond. 1854-56).
Delescluze (spr. -läklühs'), Louis Charles,
franz. Journalist und Kommunist, geb. 20. Okt.
1809 zu Dreur (Eure - et-Loire), studierte die
Rechtswissenschaft in Paris und nahm 1830 eifrig
teil an der Iulirevolution. Sein ganzes Le.ben war
ein rastlofer Kampf, den er in Journalen, geheimen
Gefellschaften, Verfchwörungen und Emeuten gegen
die konstitutionelle Monarchie, das zweite Kaiser-
reich, die zweite und dritte Republik führte. Infolge
mißlungener demagogischer Umtriebe flüchtete er
1836 nach Belgien, wo er 1841 Chefredacteur des
"Impai-tial äu I^0i'ä" wurde. Die Februarrevolu-
tion von 1848 ermöglichte ihm die Rückkehr nach
Paris, wo er das Journal "1^3. Involution ä6ino-
ci-Hti^us st 30cw1s" gründete, das nach dem 13.Juni
1848 einging; D. entzog sich durch die Flucht nach
England der Strafe der Deportation. 1853 kam
er heimlich wieder nach Paris, wurde hier verhaftet,
in den Kriminalprozeß gegen die geheime Ver-
bindung der sog. Marianne (s. d.) verwickelt, zu
vierjährigem Gefängnis verurteilt und mit einer
Anzabl Galeerensträflinge nach Cayenne eingeschifft.
Die Amnestie von 1859 gestattete ihm nach Frank-
reich zurückzukehren, und als das Preßgesetz von
1868 erlaubte, ohne administrative Bewilligung ein
Journal zu gründen, ließ er in Paris den "Nsvsil"
zuerst wöchentlich, nachher täglich erscheinen. Mit
leidenschaftlichem Eifer nahm er März 1871 an dem
kommunistischen Aufstand in Paris teil. Er wurde
schnell nacheinander Mitglied der zweiten Pariser
Commune, Präsident des neuen Wohlfahrtsaus-
fchuffes, zuletzt Kriegsminister und zeigte sich als
einen der größten Fanatiker in den letzten Tagen der
Commune. Er stellte 20. Mai in einer Sitzung
der Mitglieder der kommunistischen Regierung den
Antrag, alle öffentlichen Gebäude der Hauptstadt
durch Petroleum in Brand zu stecken und die Geiseln
zu ermorden. D. suchte und fand bei der aussichtslofen
Verteidigung des letzten Bollwerkes auf der Barri-
kade der'Rue d'Angouleme 28. Mai 1871 den Tod.
Seine Leiden als Gefangener hat er in dem Tage-
buch "v6 ?clli3 3. Oa^SQQS, ^0Ulll!i1 ä'uu tl3.I13-
P0i-t6" (Par. 1869; 2. Aufl. 1872) geschildert.
Telessert (fpr.-lessähr), Benjamin, Baron, franz.
Gelehrter, geb. 14. Febr. 1773 in Lyon, erhielt eine
sorgfältige Erziehung und bereisteEngland. 1790 trat
er in die Pariser Nationalgarde, verließ aber 1795 das
Heer, um das Bankgeschäft feines Vaters zu über-
nehmen. 1801 gründete er in Passy eine Baumwoll-
spinnerei und 1802 eine Runkelrüdenzuckerfabrik, für
die er, um den Wirkungen der Kontinentalsperre vor-
zubeugen, 1808 an verschiedenen Orten 21 Filialen
errichtete. 1812 verlieh ihm Napoleon den Titel
Baron und 1814 wurde er zum Kommandanten