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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Demoralisieren; De mortŭis nil nisi bene; Demos; Demosthĕnes

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Demoralisieren - Demosthenes (Redner)

Menestheus vor Troja gefallen war, in die Herrschaft. Dem D. verdankten die Athener das troische Palladion, in dessen Besitz sie zu sein glaubten. Die Wiederfindung der Aithra war ein beliebter Gegenstand der griech. Kunst; auch Polygnot hatte die Scene in seiner delphischen Iliupersis dargestellt.

Demoralisieren (frz.), entsittlichen, sittlich herunterbringen; Demoralisation, sittliche Verwilderung, Sittenverderbnis.

De mortŭis nil nisi bene (lat.), von Toten (rede) nur Gutes, wahrscheinlich Übersetzung eines Ausspruchs des Chilon (s. d.).

Demos, einerseits der griech. Ausdruck für Volk, Gemeinde überhaupt, gegenüber den Geschlechtern, dem regierenden Adel, andererseits, insbesondere in Attika, die Benennung für die einzelnen Gemeinden oder Ortschaften, in welche ganz Attika, mit Einschluß der Hauptstadt Athen, auf die Weise eingeteilt war, daß auf jede Phyle (s. d.) eine ungefähr gleiche Anzahl (ursprünglich wahrscheinlich je zehn) Demen kamen. Diese politische, administrative Organisation des Volks nach zehn «Stämmen» und zahlreichen Gemeinden führte zu größerer Stärkung des demokratischen Elements Klisthenes 509 v. Chr. an Stelle der uralten, nur religiösen Zwecken dienenden Einteilung in vier nach Geschlechterverbänden und Geschlechtern gegliederte Phylen ein. Die Demen der neuen Phylen bildeten keine geschlossenen Territorien, sondern jeder Phyle waren Demen aus verschiedenen Teilen des Landes zugeteilt. Die Demen erscheinen in mehrfacher Beziehung als selbständige Korporationen, mit eigenen religiösen Kulten, Behörden, Einkünften und Versammlungen. Die Mitglieder eines D. hießen Demoten. Jeder D. hatte neben eigenen Rechnungsbeamten seinen Vorsteher, Demarchos, der das Interesse seiner Gemeinde vertreten mußte, die Versammlungen berief, die Beschlüsse vollzog, die Gemeindebücher führte und in einzelnen Fällen eine Art polizeilicher Gewalt handhabte. Die Gesamtzahl der Demen soll um die Mitte des 3. Jahrh. v. Chr. 174 betragen haben. Es sind jetzt über 180 den Namen nach bekannt, darunter freilich viele, deren Lage nicht zu bestimmen ist. – Vgl. Roß, Die Demen von Attika (hg. von Meier, Halle 1846); Kastromenos, Die Demen von Attika (Dissertation, Lpz. 1886). Eine Zusammenstellung giebt Gelzer in Hermanns «Lehrbuch der griech. Staatsaltertümer» (5. Aufl., Heidelb. 1875).

Im heutigen Griechenland ist D. der kleinste staatliche Verwaltungsbezirk, deren es 440 giebt. Die innere Selbstverwaltung jedes D. ist dem von seinen Syndemoten (Mitbürgern) auf 4 Jahre durch allgemeine und direkte geheime Abstimmung gewählten Demarch und einem Municipalrate anvertraut. Die Einwohnerzahl der Demen ist höchst verschieden. Die meisten Einwohner hat der D. von Athen (1889: 114355), nach welchem diejenigen von Patras (44970), Peiraieus (34569), Korfu (28372) und Hermupolis auf Syra (22104) kommen. Die ’ kleinsten von allen sind die Demen der Insel Angistri unweit Ägina (511 E.), Halonnesos (501) und der bergige D. von Lakmon im Nomos Trikkala (294). Die größten jährlichen Einnahmen haben die Demen von Athen 1824250Drachmen (1889), Letrinoi (Pyrgos) 1183850 Drachmen, Patras 861598 Drachmen, Hermupolis 665798 Drachmen, die geringsten die Demen von Anaphe 1330 Drachmen, Pholegandros 1260 Drachmen, Angistri 1167 Drachmen.

Demosthĕnes, griech. Redner, geb. 383 v. Chr. im attischen Demos Päania als Sohn eines gleichnamigen Waffenfabrikanten. Nach dem frühen Tode seines Vaters durch Vormünder um sein Vermögen gebracht, ward D. in die Laufbahn eines Gerichtsredners gedrängt. Von Isäus vorgebildet, trat er 364 zuerst gegen seine Vormünder auf, gewann den Prozeß, scheint aber wenig von seinem Gelde wiedererlangt zu haben. Dagegen erwarb er eine ausgedehnte Anwaltspraxis, insbesondere im Redenschreiben für Prozessierende. Beim eigenen Reden soll er erst durch mühevolle Gewöhnung einige körperliche Fehler überwunden haben; am besten beglaubigt ist, daß er mit kleinen Kieseln im Munde laufend und bergesteigend sich zu reden gewöhnte, sowie, daß er vor einem hohen Spiegel Bewegungen und Gebärdenspiel studierte. 359 trat er zuerst in öffentlichen Angelegenheiten vor Gericht auf, 354 hielt er die erste polit. Volksrede. In den folgenden Jahren trat er an die Spitze der athen. Unabhängigkeitspartei gegenüber den Einigungsbestrebungen Philipps Ⅱ. von Macedonien; die gegen diesen gerichteten olynthischen und philippischen Reden gelten als unübertroffene Muster der Redekunst. 346 nahm D. mit Äschines (s. d.) an der Gesandtschaft teil, die mit Philipp einen für Athen ungünstigen Frieden schloß. D. klagte darauf Äschines an durch die Rede über die Pseudogesandtschaft, erreichte aber nicht die Verurteilung. 340 bewirkte D. einen Bund zwischen Theben und Athen und die Kriegserklärung an Philipp. An der Schlacht bei Chäronea nahm er selbst teil und hielt dann auf Staatsauftrag den Gefallenen die Leichenrede; auch wurde ihm, trotz Äschines’ Widerstand, nach seiner berühmten Rede «vom Kranz» 330 die Bürgerkrone zuerkannt. 324 in die Bestechungsangelegenheit des Harpalus (s. d.) verwickelt und zu 50 Talenten Strafe verurteilt, entfloh er nach Trözen. Nach dem Tode Alexanders feierlich zurückgerufen, mußte er nach dem Lamischen Kriege vor Antipater abermals fliehen; im Poseidontempel zu Kalauria tötete er sich, um der Verhaftung zu entgehen (Okt. 322), durch Gift.

Unter seinem Namen sind noch 61 (oder eigentlich 60) Reden erhalten, unter denen jedoch mehrere schon von alten Kritikern als ihm nicht angehörig erkannt worden sind, ferner 56 jedenfalls nur zum Teil von D. herrührende Eingänge (Proömien) und 6 Briefe, deren Echtheit zweifelhaft ist. Gesamtausgaben in den «Oratores Attici» von Bekker (Oxf. 1823 u. Berl. 1824), von Baiter und Sauppe (Zür. 1838 fg.), von Vömel (2 Bde., Par. 1843 u. 1845) und von Dindorf (9 Bde., Oxf. 1846‒51); Textausgaben von Bekker (Lpz. 1854‒55) und Dindorf (4. Aufl., besorgt von Blaß, ebd. 1885 fg.); kritische Ausgabe der Reden Ⅰ-ⅩⅦ und ⅩⅧ-ⅩⅩ von Vömel (Halle 1856‒57 u. Lpz. 1862 u. 1868); Ausgaben mit erklärenden Anmerkungen von Westermann (-Müller-Rosenberg) und Rehdantz (-Blaß) (je 3 Bde., in wiederholten Auflagen, die eine Berl. 1860 fg., die andere Lpz. 1865 fg.) sowie von Weil («Harangues», Par. 1873); einzelne Reden gaben F. A. Wolf, Buttmann, Bremi, Dissen, Franke u. a. heraus. Übersetzungen der Staatsreden von Jacobs (2. Aufl., Lpz. 1833), der ausgewählten Reden von Westermann (Stuttg. 1856 fg.) u. a. Von einer Ausgabe der Werke des D., griechisch und deutsch zum Teil von Köchly und Benseler, sind 10 Teile erschienen (Lpz. 1856‒61 fg.). Einen «Index Demosthenicus» verfaßte Preuß (ebd. 1892). – Vgl.