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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsches Heerwesen (Landheer)

bestand eine Armee-Inspektion. Das Gebiet des Deutschen Reichs wurde in 17 Armeekorpsbezirke geteilt, in denen die kommandierenden Generale, unbeschadet der Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten, die Militärbefehlshaber waren. Als Grundlage für die Organisation der Landwehr sowie zum Zweck der Heeresergänzung wurden die Armeekorpsbezirke in Divisions- und Brigadebezirke und diese, je nach Umfang und Bevölkerungszahl, in Landwehrbezirke eingeteilt.

Mit dem 1. April 1881 trat die Novelle zum Reichsmilitärgesetz vom 6. Mai 1880 in Kraft, und dadurch wurde die Organisation des Reichsheers verändert. Die Truppenteile des stehenden Heers wurden um 34 Bataillone Infanterie (11 Regimenter und 1 Bataillon), 40 fahrende Batterien Feldartillerie, 1 Regiment Fußartillerie (2 Bataillone) und 1 Pionierbataillon vermehrt, jedoch keine höhern Stäbe errichtet; sämtliche Infanterieregimenter besaßen nunmehr 3 Bataillone.

Die andauernde Vermehrung des franz. und russ. Heers zwang die Reichsregierung im Nov. 1886 dazu, dem Reichstage einen Gesetzentwurf zur Vermehrung der Friedensstärke des Reichsheers vorzulegen. Diese Vorlage forderte eine Erhöhung des Mannschaftsstandes (ohne Anrechnung der Offiziere und Einjährig-Freiwilligen) um 41135 Mann, sodaß derselbe wieder den im Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 vorgesehenen Betrag von 1 Proz. der Bevölkerung (auf Grund der letzten Volkszählung vom 1. Dez. 1885) erreichte, und war im übrigen mit besonderer Rücksicht auf möglichste Verminderung der aus der Heeresvermehrung erwachsenden Ausgaben bearbeitet. Man ging so weit, aus Sparsamkeitsrücksichten sogar altbewährte Organisationsgrundsätze aufzugeben, indem man vierte Bataillone errichtete, um die neuen Regimentsstäbe zu ersparen. Die Regierung wies nach, daß alljährlich eine große Masse Diensttauglicher als überzählig zurückgestellt würden (1885 z. B. 20000 Mann), daß also der Mehrbedarf von 13000-14000 Rekruten aufs Jahr keinerlei Änderungen der Militärdienstpflicht und des Ersatzwesens bedinge.

Die Vorlage wurde vom Reichstage in zweiter Lesung nur auf 3 Jahre, statt auf 7 Jahre angenommen, worauf der Reichstag aufgelöst wurde. Die Neuwahlen ergaben eine große Vermehrung der regierungsfreundlichen Parteien, sodaß die unveränderte Militärvorlage nun mit großer Stimmenmehrheit angenommen wurde. Es wurden nunmehr vom 1. April 1887 ab neu gebildet: 5 Infanterieregimenter (4 preußische und 1 sächsisches), 15 vierte Bataillone, 1 sächs. Jägerbataillon, 24 Batterien Feldartillerie, 9 Eisenbahncompagnien, 1 Pioniercompagnie und eine Anzahl von neuen Stäben. Bei dem 12. und 15. Armeekorps wurde je eine dritte Division errichtet, dagegen fiel die Kavalleriedivision des 12. Armeekorps weg. Die Friedensstärke des Reichsheers wurde auf 468409 Mann beziffert. Für die Fußartillerie wurde eine besondere Generalinspektion gebildet, sodaß diese Waffe nunmehr vollständig von der Feldartillerie getrennt ist, welch letztere in persönlicher und taktischer Beziehung den Generalkommandos und nur in technischer Beziehung einer "Inspektion der Feldartillerie" unterstellt ist.

Mit dem 1. April 1890 waren umfassende neue Veränderungen eingetreten. Das deutsche Reichsheer bestand demzufolge aus 20 Armeekorps, nämlich dem Gardekorps, den Armeekorps Nr. 1-17 und den beiden bayr. Armeekorps. Aus je 3-5 Armeekorps sind 5 Armee-Inspektionen (s. Inspektion) gebildet. Nach einer Änderung in der Zuteilung der Armeekorps gehören jetzt zur ersten Armee-Inspektion (Sitz Hannover) das 1., 2., 9., 10., 17.; zur zweiten (Dresden) das 5., 6., 12. (königlich sächs.); zur dritten das 7., 8., 11., 13. (königlich württemb.); zur vierten das 3., 4., 1. und 2. bayr.; zur fünften (Karlsruhe) das 14. bis 16. Armeekorps. Mit dem 1. Okt. 1893 hat abermals eine Vermehrung der Armee stattgefunden; über die Gründe hierfür s. Heerwesen Europas. Hiernach sind teils die Kopfstärken einzelner Truppenteile erhöht (niedriger, mittlerer und hoher Etat), teils die Zahl der die Regimenter bildenden Bataillone und Abteilungen vermehrt worden; bei der Fußartillerie und bei dem Ingenieur- und Pionierkorps sind außerdem einschneidende Veränderungen bei den Kommandobehörden eingetreten. Jedes Armeekorps besteht nunmehr aus zwei, aus Infanterie und Kavallerie zusammengesetzten Divisionen (das 11., 12. und das 2. bayr. Korps haben je drei Divisionen, das preuß. Gardekorps hat zwei besondere Infanterie- und eine besondere Kavalleriedivision) und aus je einer Feldartilleriebrigade (mit Trainbataillon), einem Fußartillerieregiment (das 13. Armeekorps hat nur ein Bataillon Fußartillerie) und einem Pionierbataillon, zusammen 43 Divisionen (außer der Gardekavalleriedivision). Jede Division besteht aus zwei Infanterie- und einer Kavalleriebrigade (die 1. Division hat je 2 Infanterie- und Kavalleriebrigaden, die beiden Garde-Infanteriedivisionen haben je 2 Garde-Infanteriebrigaden, die Gardekavalleriedivision dagegen 4 Gardekavalleriebrigaden), zusammen 86 Infanterie-, 46 Kavallerie- und 20 Feldartilleriebrigaden. Jede Brigade besteht aus 2 Regimentern (die 2. Garde-Infanterie-, 11. Kavallerie-, die 11., 12. und die 2. bayr. Feldartilleriebrigade haben je 3 Regimenter).

Die Infanterieregimenter haben sämtlich 4 Bataillone, von denen die ersten 3 je 4, das 4. nur 2 Compagnien enthält. Dazu kommen 19 Jägerbataillone (zu 4 Compagnien), die meist außerhalb der Divisionsverbände stehen, im ganzen 711 Bataillone mit 2498 Compagnien. Die Bataillone (zu 4 Compagnien) mit niedrigem Etat haben ohne Offiziere 596; die mit hohem Etat 660 Mann. Die Kavallerieregimenter haben sämtlich 5 Schwadronen, im ganzen 465 Schwadronen; die Regimenter mit niedrigem Etat haben ohne Offiziere 689 Mann, 667 Pferde, mit mittlerm 704 Mann, 682 Pferde, mit hohem 734 Mann und 702 Pferde. Die Feldartilleriebrigaden bestehen aus je 2, die 11., 12. und 2. bayrische aus je 3 Regimentern; die Regimenter haben 3 bis 4 Abteilungen zu je 2 bis 3 Batterien, von denen bei 22 Regimentern je eine reitende Abteilung ist, im ganzen 173 Abteilungen mit 447 fahrenden und 47 reitenden Batterien. Die einzelnen Batterien haben verschiedene Friedensstärke, ein Teil 4, ein anderer 6 bespannte Geschütze; eine Anzahl hat auch noch je 2 bespannte Munitionswagen. Im ganzen sind im Frieden 2542 Geschütze und 97 Munitionswagen bespannt.

Jeder Feldartilleriebrigade ist 1 Trainbataillon von 3 Compagnien zugeteilt (das 12. hat 4, das 25. 2 Compagnien, im ganzen 63 Traincompagnien, durchschnittlich je 108 Mann und 118 Pferde stark). Die Fußartillerie ist jetzt in 6 Inspektionen eingeteilt, von denen jede (der Brigade der andern Waffen ent-^[folgende Seite]