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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Sprache (Ausbreitung)

Bischofswerda bis Ortrand, Finsterwalde, Luckau, Buchholz, Storkow, Fürstenberg, Guben, Triebel, Priebus und Löbau. In der Altmark werden noch 1452 Wenden erwähnt; ihre Sprache ist hier erst im 15. Jahrh. ausgestorben. In der Jabelheide werden Wenden noch 1521 genannt. Im Lüneburger Wendlande konnte sogar noch 1786 ein kleines Wörterverzeichnis der aussterbenden wend. Sprache zusammengebracht werden. Auf Rügen soll 1404 die letzte alte Frau gestorben sein, die noch wendisch sprach. Hinterpommern war noch Ende des 13. Jahrh. slawisch. Man kann sagen, daß um 1400 alle Slawen westlich von der Oder, außer den Lausitzer Sorben, germanisiert gewesen sind, größtenteils auch damals schon die Slawen in Hinterpommern und Pomerellen, deren Reste, die Kassuben, heute im Schwinden sind. Nach Preußen wurde die D. S. durch die Einwanderung in der Mitte des 13. Jahrh. übertragen, nach dem Netzedistrikt und Westpreußen durch die von Friedrich d. Gr. angesiedelten deutschen Kolonisten. Fortschritte hat die D. S. gegenüber der polnischen nur in Schlesien und Ostpreußen gemacht. Die Umgegend von Brieg, Ohlau und Breslau war noch im 17. Jahrh. überwiegend polnisch. Heute reicht das Deutsche östlich von Breslau bis Wartenberg. Deutsch ist auch in den poln. Landesteilen in den Städten die herrschende Sprache. In Ostpreußen dringt das Deutsche jetzt nach Süden vor; die poln. Masuren werden von den kleinen deutschen Sprachinseln aus immer mehr verdeutscht. Desgleichen ist es nur eine Frage der Zeit, wie lange sich noch die innerhalb der deutschen Reichsgrenze lebenden Litauer an dem untern Niemen, deren Kirchensprache litauisch und deutsch, deren Schulsprache seit 1873 ausschließlich die deutsche ist, ihre Sprache bewahren werden; 1848 gab es über 150000 Litauer; 1890 betrug die Zahl der litauisch Sprechenden 121265. Aber innerhalb der Provinz Posen nehmen die Polen nicht leicht die D. S. an, haben sogar deutsche Bauern slawisiert. Nur mit deutschen Bewohnern selbst kann die D. S. hier vordringen. Die deutschen Ansiedelungen in Krain, Ungarn, Siebenbürgen, Galizien, Südrußland und den russ. Ostseeprovinzen haben nicht zu germanisieren vermocht. Der großartige Aufschwung des Verkehrs in der Neuzeit bewirkt immer mehr eine geogr. Abrundung der verschiedenen Sprachgebiete. Nur an den Orten, wo größere Massen von Deutschen beisammen sitzen, haben sie Aussicht, ihre Nationalität zu erhalten.

Nicht nur Romanen, Slawen und Litauer haben die D. S. angenommen, sondern auch nichtdeutsche Germanen: Friesen und Dänen; zumal die erstern. In: Mittelalter war die ganze Nordseeküste nördlich von Amsterdam bis zur Wesermündung friesisch. Aber im Bereich der deutschen Kultur stehend, haben die Friesen im 15. Jahrh. die plattdeutsche Schriftsprache angenommen, auch die Westfriesen, die sich neben der jetzt herrschenden niederländ. Schriftsprache wieder eine eigene fries. Schriftsprache geschaffen haben (s. Friesische Sprache und Litteratur). Als gesprochene Sprache ist das Friesische in Ostfriesland und an der Wesermündung in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. ausgestorben, nachdem schon mehr als 100 Jahre vorher Plattdeutsch die herrschende Sprache gewesen. Nur auf Wangeroog und in Neuwangeroog bei Varel sowie im Saterlande lebt das Friesische noch fort. Das Wangeroogische, nach der Volkszählung von 1890 nur noch von 32 Menschen gesprochen, ist im Aussterben begriffen, das Satersche aber noch voll lebenskräftig. In den zu den Niederlanden gehörigen Teilen des alten Friesland herrscht jetzt die niederländ. Schriftsprache. Die fries. Volkssprache hat sich nur in der Provinz Friesland gehalten und auf den Inseln Schiermonnikoog und Terschelling. Im Groningschen spricht man seit dem 17. Jahrh. plattdeutsch, in Nordholland holländisch. Noch 1600 wird erwähnt, daß das Friesische im nordholländ. Waterland gesprochen wurde. Auch gegenüber dem sog. Nordfriesischen an der schlesw. Westküste hat die plattdeutsche Sprache Fortschritte gemacht. In Eiderstedt hat sie im Laufe des 17. Jahrh. die einheimische Sprache verdrängt. Auf Nordstrand und Pelworm ist das Nordfriesische gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ausgestorben. Nördlich von Husum macht seit dem 19. Jahrh. das Plattdeutsche immer größere Fortschritte, wiewohl die Sprachgrenze sich nur langsam verschiebt. Auch auf der Insel Föhr dringt das Plattdeutsche vor. Die Schrift-, Schul- und Kirchensprache ist hier wie auch auf Helgoland seit alters die deutsche. Alle Friesen und Nordfriesen, die noch an ihrer eigenen Sprache festhalten, können auch deutsch (oder holländisch) sprechen. Endlich ist die D. S. auch dem Dänischen gegenüber in jüngster Zeit siegreich. Im 19. Jahrh. ist die Landschaft Angeln (zwischen Schleswig und Flensburg) plattdeutsch geworden, und auch nördlich von Flensburg wird in den östl. Küstenstädten viel deutsch gesprochen. Die größten Fortschritte hat die deutsche Kirchensprache zu verzeichnen. In 57 Kirchengemeinden, in denen bis 1864 der Gottesdienst abwechselnd in deutscher und dän. Sprache stattfand, ist jetzt mit Zustimmung der Mehrheit der Bewohner die Kirchensprache ausschließlich deutsch. Von 114 Kirchspielen, in denen bis 1864 kein deutsches Wort in der Kirche gehört wurde, wurde in 45 Kirchen der Gottesdienst in deutscher und dän. Sprache gehalten. 1885‒91 ist in nicht weniger als 28 neuen Kirchspielen die Kirchensprache teilweise deutsch geworden.

Sprachgrenzen und Sprachinseln. (S. die Karte der deutschen Mundarten, S. 28.) Die Grenze des deutschen Sprachgebiets beginnt in Frankreich an der Nordsee zwischen Gravelingen und Dünkirchen und läuft östlich von St. Omer, nördlich von Hazebrouk und Bailleul genau in östlicher Richtung über Werwick, Menin, Rousse, Enghien, Hal, südlich von Brüssel, Tienen und Tongern, zwischen Lüttich und Maastricht die Maas erreichend. Von hier aus folgt sie ungefähr der belg. Grenze; doch gehört ein schmaler belg. Grenzstrich nördlich und östlich von Verviers noch zum deutschen, Malmedy in der Rheinprovinz noch zum franz. Sprachgebiete. Luxemburg ist deutsch, desgleichen das benachbarte belg. Arlon nebst Umgegend. Von Deutsch-Lothringen ist der westl. Grenzstrich, besonders die Umgegend von Metz, französisch. Die Grenze läuft südlich und westlich von Diedenhofen, Bolchen, Falkenberg, Mörchingen und Saarburg. Die Vogesen bilden nur in ihrem südlichern Teile die Grenze. Das obere Breuschthal (Schirmeck), desgleichen einige Gebirgsdörfer nordöstlich und südlich von Markirch sprechen jetzt französisch. Vom Belchen ab südöstlich ist ungefähr die polit. Grenze des Elsaß zugleich Sprachgrenze. Die Gebirgsgegend um Delémont ist sprachlich gemischt; das Deutsche dringt hier neuerdings vor. Weiter südlich ist das Birsthal noch französisch, Biel deutsch.