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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Sprache (Ausbreitung)

Neuveville und Lauderon französisch, Erlach deutsch. Die Grenze läuft dann über Murten, Freiburg und Saanen südlich bis zu den Diablerets, östlich bis zum Weißhorn, südlich über Siders zum Matterhorn, die östl. Hälfte des Kantons Wallis noch dem deutschen Sprachgebiete zuteilend. Jenseit des Monte-Rosa wird noch in den Dörfern Gressoney La Trinité, Gressoney St. Jean, Gaby, Issime, Alagna und Macugnaga von etwa 3500 Seelen (s. Silvier) deutsch gesprochen. Von Macugnaga läuft die Grenze nordöstlich zum St. Gotthard, die jenseits der Wasserscheide liegenden deutschen Dörfer Fruth, Pommat, Unterwald und Bosco einschließend. Vom St. Gotthard weiter nordöstlich bis zum Piz Dolf, dann südöstlich über Trins und Reichenau, südlich von Chur, nach Wiesen, weiter östlich und nordöstlich der Wasserscheide des Inns gegen Norden folgend, dann über den Muttler und Martinsbruck südwärts zum Ortler. In dem südlich der angegebenen Grenze liegenden Teile Graubündens wird neben dein Rhäto-Romanischen bereits viel deutsch gesprochen. Besondere deutsche Sprachinseln sind 1) Obersaxen; 2) das obere Vorderrheinthal, das Safienthal, östlich vom Piz Beverin bis Thusis und das Rheinwaldthal (Splügen); 3) das Avers- und Madriserthal; 4) Tarasp. Vom Ortler läuft die Sprachgrenze östlich auf Bozen zu; doch bleibt das Etschthal südwärts bis Salurn deutsch. Sie geht dann über die Fassaner Alpen und die Geißlerspitzen bis unweit Bruneck nordöstlich, vom Monte-Cristallo ab längs der österr.-ital. Grenze bis zum Wischberg und nach Tarvis, nur an zwei Stellen, bei Bladen (Sappada) und Tischelwang (Timau), aus den Südabhang des Grenzgebirges übergehend. Südlich dieser Linie liegen von Tirol bis Steiermark eine Reihe deutscher Sprachinseln. In Welschtirol wird nördlich vom Caldonazzosee im Fersen- und zum Teil auch im Pinéthal deutsch gesprochen, in St. Sebastian und Lusern, ferner in Venetien am Südabhange der Lessinischen Berge, zwischen Astico und Brenta, Cima Duodici oder Zwölferkofl und Bassano in den Sieben Gemeinden, endlich im Quellgebiet des Tagliamento in der Gemeinde Zahre oder Sauris. In Südtirol ist die D. S. in neuerer Zeit durch die italienische erheblich zurückgedrängt worden. Das älteste Statut von Trient ist in D. S. abgefaßt. Während heute nur etwa noch 7000 Deutsche in Welschtirol sitzen, war das Land im 16. Jahrh. ein halb deutsches. Durch den Deutschen Schulverein ist die Sprachverschiebung jetzt zum Stehen gekommen. Auf ital. Boden ist an der tirol. Grenze, wo sich in den Dreizehn und Sieben Gemeinden (s. Comuni) die D. S. noch zum Teil erhalten hat, einst bis nach Verona hin, und vor dem 14. Jahrh. sporadisch bis über Vicenza hinaus deutsch gesprochen worden. Heute sind in Venetien nur etwa 4000 Deutsche noch nicht zu Italienern geworden. Von der Grenze Venetiens an bis zur Ostsee läßt sich keine scharfe Grenzlinie geben. Ein mehr oder weniger breiter Strich hat eine gemischte Bevölkerung, und zahlreiche kleine Sprachinseln liegen diesseit und jenseit der Grenze. Eine ungefähre Grenzlinie würde von Tarvis östlich über Villach, Klagenfurt, Völkermarkt nach Radkersburg a. d. Mur zu ziehen sein, von hier nordöstlich über St. Gotthard, Steinamanger, Warasdorf bis Eßterháza, weiter nördlich über Preßburg und Lundenburg bis Seelowitz, dann nördlich von der Thaya westlich bis Neuhaus, südlich bis Gmünd, westlich bis Krumau, nordwestlich bis Taus, nordöstlich bis Pilsen, nordwestlich bis Manetin, nordöstlich über Rakonitz und Laun bis Leitmeritz, östlich über Liebenau, Hohenelbe bis Nachod, dann südöstlich über Senftenberg, Worlitschka, Schönberg, Littau nach Neutitschein, von hier ab nordwärts über Rosenthal, Troppau, Ratibor, Leobschütz, Oppeln, Brieg, Namslau, Wartenberg, Mittelwalde und Krotoschin, westlich nach Rawitsch, nordwestlich nach Lissa, Rakwitz und Birnbaum, dann die Warthe entlang östlich bis Obornik, nordöstlich nach Margonin, südlich der Netze ostwärts bis Thorn, weiter, den Südrand von Ostpreußen dem poln. Sprachgebiete zuweisend, über Culmsee, Briesen, Deutsch-Eylau, Allenstein, Bischofsburg, Lötzen, Marggrabowa zur russ. Grenze, endlich den Niemen entlang bis zum Kurischen Haff. Innerhalb dieses geschlossenen deutschen Sprachgebietes von ungefähr 680000 qkm (über ein Fünfzehntel des Flächeninhalts von Europa) liegt die sorb. Sprachinsel in der Lausitz und die kassubische in Westpreußen. Von den unweit der Grenze liegenden zahllosen deutschen Sprachinseln seien nur die größern genannt. Im südl. Krain die Gottschee und Umgebung (16 Quadratmeilen); in Mähren Brünn und Olmütz; von Mähren greift nach Böhmen hinüber die nordwärts bis zur Sazawa reichende Iglauer Sprachinsel und die 1000 qkm große Schönhengster um Zwickau und Mährisch-Trübau; in Südböhmen ist zu nennen Budweis und Umgegend, ferner zu erwähnen der deutsche Teil der Prager Bevölkerung; in Österreichisch-Schlesien Bielitz und Umgegend.

Weit außerhalb des zusammenhängenden deutschen Sprachgebietes giebt es in Österreich-Ungarn und Rußland eine große Anzahl von kleinen und größern deutschen Sprachinseln, deren Deutschtum zum größten Teile stark bedroht ist. Es können hier nur die wichtigsten genannt werden. Im nordwestl. Ungarn kämpfen seit dem 13. Jahrh. gegen das Slowakentum die an der obern Neutra ansässigen 1000 Deutschen in Deutsch-Bronn, Betelsdorf, Zeche, Schmiedshaj, Fundstollen, Beneschhäu, Gaidel, Hedwig, Brestenhäu und Münchwiese, die (1880) 17500 Seelen starken Deutschen in dem Grenzgebiet der Komitate Túróc und Bars, in der Stadt Kremnitz und den Dörfern Deutsch-Litta, Ober-Turz, Nieder-Turz, Glaserhäu, Krikerhäu, Neuhaj, Ober-Stuben, Drexelhäu, Koneschhäu und Honeschhäu, sowie östlich davon in Neusohl und südwestlich davon in Hochwiesen und Paulisch (4000 Seelen). Gleichfalls von den Slowaken bedroht ist die vor 50 Jahren noch an 50000 Seelen zählende deutsche Sprachinsel in der Zips, zwischen Käsmark, Schmecks, Poprad (Deutschendorf) und Leutschau im Quellgebiet des Poprad und südöstlich davon die Schmölnitzer Sprachinsel. Es mögen in Nordungarn im ganzen wohl an 100000 Deutsche slowakisiert worden sein. In Budapest hat die Zahl der Deutschen von 118607 (= 33 Proz.) im J. 1880 bis auf 117867 (= 24 Proz.) im J. 1890 abgenommen. Die Dörfer westlich von Budapest (mit über 200000 E.) sind zum größten Teile deutsch. Desgleichen ist der Bakonywald voll von deutschen Dörfern. Eine größere, im nördl. Teile von magyarischen, im südlichen von kroat. Dörfern unterbrochene deutsche Sprachinsel erstreckt sich östlich von Fünfkirchen, nordwestlich von Szegzard und westlich von Mohacs bis südlich nach Esseg. Auch links von der Donau zwischen Baja und Neusatz liegen zahlreiche deutsche Dörfer. Eine größere