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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871

tifikation vor. Sein Inhalt war folgender: 1) Frankreich verzichtet zu Gunsten des Deutschen Reichs auf den nordöstl. Teil von Lothringen mit Metz und Diedenhofen sowie auf das Elsaß außer Belfort. 2) Frankreich zahlt 5 Milliarden Frs., und zwar eine Milliarde 1871, den Rest in einer Frist von 3 Jahren. 3) Die Räumung des Landes wird unmittelbar nach Ratifikation des Vertrags beginnen, und zwar werden die deutschen Truppen zunächst das Innere von Paris, die Forts auf dem linken Ufer der Seine und verschiedene Departements räumen, darunter vorwiegend die westlichen. Nach der Ratifikation des definitiven Friedensvertrags und Zahlung der ersten halben Milliarde erfolgt die Räumung der Forts auf dem rechten Seine-Ufer. Nach Erlegung von 2 Milliarden wird die deutsche Besetzung nur noch die Depart. Marne, Ardennen, Haute-Marne, Meuse, Vogesen, Meurthe sowie die Festung Belfort umfassen. Die rückständigen Summen werden mit 5 Proz. vom Tage der Ratifikation an verzinst. 4) Die deutschen Truppen werden alle Requisitionen in den von ihnen besetzten Departements unterlassen, jedoch trägt Frankreich die Kosten ihres Unterhalts. 5) Den Bevölkerungen der abgetretenen Provinzen wird eine bestimmte Frist gewährt, innerhalb welcher sie ungestört auswandern können. 6) Die Kriegsgefangenen werden unverweilt zurückgegeben. 7) Die Eröffnung der eigentlichen Friedensverhandlungen wird in Brüssel nach Ratifikation dieses Vertrags erfolgen. Einige Nebenbedingungen waren noch hinzugefügt.

Am 1. März wurde der Friedensvertrag mit 546 gegen 107 Stimmen von der Nationalversammlung angenommen. Durch diese schnelle Erledigung wurde Paris die Demütigung erspart, das ganze deutsche Belagerungsheer als Sieger in seine Mauern einziehen zu sehen. Dasselbe war dazu in drei Abteilungen für drei aufeinander folgende Tage geteilt. Am 1. März rückten unter General von Kameke Abteilungen des 6., 11. und 2. bayr. Korps ein. Die übrigen Heeresteile sollten an den beiden nächsten Tagen folgen. Da aber die Ratifikation des Friedensvertrags so früh erfolgte, räumten die deutschen Truppen, wie verabredet, Paris schon 3. März wieder. Der Deutsche Kaiser mit seinem Stab und Kabinett verließ nun Frankreich, nachdem er noch auf dem Schlachtfelde von Champigny und Bry-sur-Marne 5. März eine Heerschau über die sächs. und württemb. Truppen, die hier ruhmvoll gekämpft, abgehalten und ihnen seinen Dank dafür gesagt hatte.

Die Verluste der Deutschen betrugen an Toten 2058 Offiziere, 47320 Unteroffiziere und Gemeine, die der Franzosen 2900 Offiziere, 136000 Unteroffiziere und Gemeine. Gefangen genommen wurden etwa 11860 franz. Offiziere, 372000 franz. Unteroffiziere und Gemeine. Erobert und erbeutet wurden von den Deutschen 107 Adler und Fahnen, 1915 Feldgeschütze und Mitrailleusen, 5526 Festungsgeschütze, 855000 Handfeuerwaffen. Der Munitionsverbrauch der Deutschen stellt sich annähernd auf 338310 Kanonenschüsse der Feldartillerie, 520500 Kanonenschüsse der Festungsartillerie, 20 Mill. Infanteriepatronen. Die materiellen Verluste der 34 von den Deutschen besetzten franz. Departements betrugen an Steuern, Kontributionen und Geldstrafen 79558000, an Naturallieferungen 134155000, für Unterbringung und Ernährung der Truppen 101445000, durch Brand, Zerstörung von Ortschaften u. s. w. 393659000, zusammen 708817000 Frs.

In Brüssel trat darauf (28. März) der Friedenskongreß zusammen. Die Unterhandlungen wurden jedoch durch eine in Paris ausgebrochene Revolution verzögert, von der franz. Regierung vielleicht auch absichtlich in die Länge gezogen in der Hoffnung, günstigere Bedingungen zu erhalten. Zu spät und mit unzureichenden Kräften bekämpfte die Regierung die Revolution; es entstand ein Bürgerkrieg auf der West- und Südseite von Paris, in welchem die Hauptstadt angesichts des deutschen Heers bombardiert wurde, jetzt von Franzosen. Die Regierung gewann endlich die Überzeugung, daß es ihr eigener Vorteil sei, den Frieden mit Deutschland zu beschleunigen, und so trug der Minister Favre auf eine Besprechung mit dem Reichskanzler Fürst Bismarck an. Die Zusammenkunft fand 6. Mai in Frankfurt a. M. statt, und 10. Mai wurde dort der definitive Friede unterzeichnet, der an den Bedingungen des Präliminarfriedens im wesentlichen nichts änderte, nur die Zahlfristen der Kriegskosten verkürzte und, wie Fürst Bismarck wegen der Zustände in Paris gefordert, die Besetzung verlängerte.

Litteratur. Von Gesamtdarstellungen sind hervorzuheben: Der Deutsch-Französische Krieg 1870-71, redigiert von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes (5 Bde. mit zahlreichen Karten und Plänen, Berl. 1874-81), in fast alle europ. Sprachen übersetzt; Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Hg. vom Großen Generalstabe. Heft 1-15 (ebd. 1883-93); Die deutschen Kriege von 1864, 1866, 1870/71 in wohlfeiler Bearbeitung nach den Großen Generalstabswerken, Bd. 3 (ebd. 1891); Moltke, Geschichte des Deutsch-französischen Krieges (2. Aufl., ebd. 1891); Verdy du Vernois, Studien über den Krieg. Auf Grundlage des Deutsch-französischen Krieges 1870/71 (Bd. 1 u. 2: Ereignisse in den Grenzbezirken [Vom 15. Juli bis 2. Aug. 1870]; Bd. 3: Gefecht von Saarbrücken 2. Aug. 1870, ebd. 1892). Weitere, zum Teil populäre Darstellungen bieten die Werke von Borbstädt (ebd. 1872), Menzel (2 Bde., Stuttg. 1871), Niemann (2 Bde., Hildburgh. 1871-72), Rüstow (6 Tle., Zür. 1871), L. Hahn (Berl. 1871), Hiltl (Bielef. 1873; 5. Aufl. 1888), Fontane (2 Bde., Berl. 1873-76), Junck (2 Bde., Lpz. 1876), Fechner (4. Aufl., Berl. 1890); außerdem Hirth und Gosen, Tagebuch des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 (3 Bde., ebd. 1871-74); Scherr, 1870-71. Vier Bücher deutscher Geschichte (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1880); Kunz, Einzeldarstellungen von Schlachten aus dem Kriege Deutschlands gegen die franz. Republik vom Sept. 1870 bis Febr. 1871 (1.-5. Heft, Berl. 1891-94). - Über die Operationen der einzelnen deutschen Armeen berichten die Werke von von Wartensleben (Südarmee, 2. Aufl., Berl. 1872; Nordarmee, ebd. 1872), Schell (Erste Armee, 2. Aufl., ebd. 1872; Nordarmee, ebd. 1873), von der Goltz (Zweite Armee, ebd. 1873 u. 1875), Kunz (Feldzug der Ersten Armee im Norden und Nordwesten Frankreichs, ebd. 1889), Hoenig (Volkskrieg an der Loire, Bd. 1 u. 2, ebd. 1893) u. a. Über die Thätigkeit der deutschen Artillerie erschienen Bearbeitungen für die einzelnen Schlachten von Hoffbauer und Leo (Berl. 1873 fg.). Eine Bearbeitung der Belagerungen veröffentlichten R. Wagner und P. Wolff (ebd. 1874 fg.). - Von französischen Darstellungen der Kriegsereignisse sind zu nennen: Freycinet, La guerre en province pendant le siège de Paris (1871 u. ö.; deutsch, 4. Aufl., Lpz. 1892);