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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Geologisches)

bildungen im Quellgebiete der Oppa, March und Glatzer Neisse, die im Altvater (1490 m) und Großen Schneeberge (1422 m) majestätische Kulminationspunkte erreichen. Im weitern Nordwesten löst sich das kompakte Gebirgsmassiv auf zu einer kettenartigen Umwallung des Glatzer Gebirgskessels. Die Nordostseite desselben bildet das Reichensteiner oder Schlesische Grenzgebirge und durch den Paß von Wartha und die Neisse davon getrennt, das Eulengebirge. Die Südwestseite besteht aus dem Habelschwerdtergebirge und den westlich daneben streichenden böhm. Kämmen (Adlergebirge), am Nordende mit der 1085 m hohen Hohen Mense; und durch den Paß von Reinerz und Nachod davon getrennt, aus dem Heuscheuergebirge. Nördlich davon führt der Politzer Kamm zu den Adersbacher und Weckelsdorfer Sandsteinfelsen. Der Nordwestabschluß, das Waldenburger Kohlengebirge, sinkt zur Gebirgslücke des Bober bei Landshut ab. Aus ihr erheben sich plötzlich die krystallinischen Gesteinsmassen zu den 1000 und 1300 m hohen Ketten des Riesen- und Isergebirges und im Quellgebiete der Elbe thront die Schneekoppe bei 1605 m Erhebung als der höchste Gipfel aller deutschen Mittelgebirge. Nach SO. schließt sich an das Fichtelgebirge das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge an, das fast durchweg aus krystallinischem Gestein besteht und in seinem südöstl., höhern Teile in drei ziemlich parallele Wälle sich trennt, in den eigentlichen Böhmerwald mit dem Großen Arber (1458 m) in Bayern, in eine böhm. Waldkette mit dem Kubany und den Bayrischen Wald.

6) Das norddeutsche Tiefland gleicht weder in seiner Oberflächenform noch in seinem Material einer einförmig gestalteten Ebene; es erfährt vielmehr durch mannigfachen Höhenwechsel eine reiche landschaftliche Gliederung und ist in neuerer Zeit durch wichtige geognost. Forschungen als das Produkt mehrerer geolog. Bildungsepochen erkannt worden. Das Relief des Tieflandes wird namentlich näher bestimmt durch zwei große Bodenschwellen. Die eine liegt in geringer Entfernung von der Ostküste. Sie steigt in Westpreußen aus dem Durchbruchsthale der Weichsel schnell auf, hat in der masurischen Seenplatte (in den Seesker Bergen) 309 m, im Turmberge bei Danzig 331 m, in der seenreichen hinterpommerschen Scheitelfläche 255-293 m Höhe und sinkt erst wieder zu einer vollständigen Tieflücke herab im Oderthale südlich voll Stettin. Das Kreidegebirge der Insel Rügen ist mit der Herthaburg 159 m hoch. Auch westlich von der Oder in der Ukermark und Mecklenburg erreicht die seereiche Höhenplatte im Helpterberg 179 m und im schlesw.-holstein. Geestlande im Bungsberge 164 m. Die zweite, wenn auch öfter unterbrochene Höhenwelle beginnt in Oberschlesien mit dem Tarnowitzer Plateau (St. Annaberg nahe der Oder, 430 m) und wird weiterhin bezeichnet durch die Trebnitzer Höhen oder das Katzengebirgc nördlich von Breslau (310 m Höhe im Weinberge); links von der Oder setzt sich der Höhenzug als Katzenberge fort und zieht westwärts durch die Niederlausitz als Grünberger, Sorauer und Muskauer Hügelgruppen (Rückenberg 228 m), als Fläming nördlich von Wittenberg. Westlich von der Elbe streichen nach NW. die Neuhaldenslebenerberge, die Hellberge bei Gardelegen (160 m) und endlich die bis 171 m aufragenden Erhebungen der Lüneburger Heide. Zwischen diesen beiden Dämmen liegt ein breiter Tiefstreifen, jedoch auch nicht ohne mannigfachen Höhenwechsel, wie namentlich bei Freienwalde an der Oder, zwischen Frankfurt und Berlin an der Spree und bei Potsdam an der Havel, während die Bahnen einzelner Flußläufe oder Bruchstriche als markierte Tiefrinnen auftreten. Die bedeutendsten Niederungen sind das Thal der Memel, der Weichsel, der Netze- und Warthe- samt Obrabruch, das Mündungsgebiet der Oder, die Torfmoore des Spree- und Havelgebietes, die schlesw.-holstein. und hannov. Marschen, das Münsterland u. s. w. Erst jenseit der Lüneburger Heide im Gebiete der untern Weser und Ems sinkt die Bodenfläche zu einem ungestörten tiefen, durch ausgebreitete Moore bezeichneten Niveau herab. Der sich zu großem Teil noch gegenwärtig bildende Alluvialboden ist vielfach und besonders in den Torfmooren vertreten, welche die bezeichneten Tiefrinnen begleiten. Die Bildungen der Diluvialperiode erscheinen oft auf weiten Flächen gar mächtig verbreitet als Geschiebesand, wie am verrufensten in den Marken der Provinz Brandenburg, oder als Geschiebethon und Mergel. Eigentümlich für das Ansehen der norddeutschen Ebenen fällt in diese Periode die weite Verbreitung von Felsblöcken (Erratische Blöcke), deren Heimat unverkennbar in Skandinavien, Finland, am Onegasee und in Ingermanland zu suchen ist, und die die Spuren eines weiten Transports an sich tragen. Der Tertiärformation ist durch neuere Einsichten ein weites Gebiet eingeräumt worden, seitdem man die feinern Thon- (plastischer Thon) und Sandarten (Formsand) von den diluvialen gröbern ähnlichen Gebilden unterschieden und die außerordentlich große Verbreitung der Braunkohlen vielorts aufgeschlossen hat. Auch ältere Felsbildungen ragen hier und da hervor (bei Lüneburg, Segeberg, Cöpenick, Cammin, auf Wollin, Usedom, Rügen u. s. w.) und verraten die Unterlage eines festen Felsgerüstes, dessen Thalspaltensysteme durch eine gewisse Symmetrie der Flußläufe und Seelagerungen ausgesprochen sind. Vgl. Wahnschaffe, Die Ursachen der Oberflächengestaltung des Norddeutschen Flachlandes (Stuttg. 1891).

Der allgemeine Überblick der deutschen Bodengestalt zeigt, daß Deutschland einen mannigfachen Wechsel der äußern und innern Bodenbeschaffenheit besitzt. Es hat seine eisgekrönten Hochgebirge, seine waldschattigen Mittelgebirge, sanften Hügelgelände, seine hoch und tief liegenden Ebenen; aber keine der Formen bedeckt in einseitigem Charakter große Räume, keine ist durch abschreckende Schranken von der andern getrennt, sodaß menschliche Kultur auf natürlichen Bahnen überall einzieht. Deutschland besitzt eine große Mannigfaltigkeit landschaftlicher Gliederung, ohne die Vereinigung zu einem schönen Naturganzen auszuschließen.

Geologisches. (Hierzu Geologische Karte von Deutschland.) Bei der großen Mannigfaltigkeit der Bodenbeschaffenheit Deutschlands sind auch fast alle Gebirgsformationen vertreten. Die archäische Formation der krystallinischen Schiefer (Gneis, Glimmerschiefer u. s. w.) findet sich in den Vogesen, im Schwarzwalde, Spessart, Hohen Venn, in Thüringen, Sachsen, im Fichtelgebirge und Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge und in Schlesien. Das Silur tritt in geringer Ausdehnung in Thüringen und den angrenzenden Ländern auf. Devon kommt in großer Mächtigkeit in den rhein. Schiefergebirgen (Taunus, Hunsrück, Eifel u. s. w. bis zur Ruhr im Norden) vor, bildet den größten Teil des Ostharzes und findet sich außerdem in Ostthüringen, dem Fichtelgebirge,