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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Industrie und Gewerbe)

Industrie und Gewerbe. (Hierzu: Karte der Industrie u. s. w.) Die Zahlen der letzten Gewerbezählung vom 5. Juni 1882 sind für 1892 nicht mehr zutreffend. Wenn damals 3609801 industrielle Betriebe (Fabriken, Werkstätten, Kaufläden u. s. w.) mit 7459226 beschäftigten Arbeitern ermittelt wurden, so ist bis 1892 eine stärkere Vermehrung der Betriebe als um höchstens etwa 8-10 Proz. nicht eingetreten, da im letzten Jahrzehnt weniger das Bestreben bemerkbar gewesen ist, neue Geschäfte zu gründen, als vielmehr die bestehenden zu erweitern. In manchen Industriezweigen, namentlich wo erst der Großbetrieb lohnend wird und den kleinern Betrieb zum Erlöschen zu bringen vermag, hat sich sogar die Anzahl der vorhandenen Unternehmungen sicher etwas vermindert. Dagegen ist die Zahl der gewerblich beschäftigten Personen um mindestens 20 Proz. höher, zu etwa 9 Mill. Köpfen anzunehmen. Die 1882 vorhandenen Betriebe und die in denselben beschäftigten Arbeiter verteilten sich auf die einzelnen Gewerbszweige folgendermaßen:

Gewerbszweige Betriebe Beschäftigte Arbeiter

Kunst- und Handelsgärtnerei, Baumschulen 17699 43897

Gewerbsmäßige Tierzucht (ohne Landwirtschaft), Fischerei 25395 25770

Bergbau, Hütten und Salinen 2652 415611

Torfgräberei 5492 14977

Steine und Erden 59772 376884

Metallverarbeitung (ohne Eisen) 16678 75853

Eisenverarbeitung 160669 394365

Maschinen, Instrumente 94807 365120

Chemische Industrie 10438 72003

Leuchtstoffe, Fette, Öle, Firnisse 10314 40679

Textilindustrie 406574 913204

Papierindustrie 16665 100792

Leder-, Wachstuch- und Gummiindustrie 49642 124285

Holz- und Schnitzstoffe 284502 480072

Nahrungs- und Genußmittel 288771 695013

Bekleidung und Reinigung 949704 1273631

Baugewerbe 184698 614271

Polygraphische Gewerbe 10395 71008

Künstlerische Gewerbe 8669 16161

Handelsgewerbe 616836 838428

Versicherungsgewerbe 32463 11882

Landverkehr 78369 98924

Wasserverkehr 20952 77135

Beherbergung und Erquickung 257645 319261

Summa 3609801 7459226

Metallwaren. Gold- und Silberwaren. Am 5. Juni 1882 waren mit der Verarbeitung edler Metalle (Gold- und Silberwaren, Juweliere, Gold- und Silberschläger, Gold- und Silberdraht, Münzstätten) in 5821 Betrieben 30099 Personen (darunter 7056 Frauen und Mädchen) beschäftigt. Die Herstellung der eigentlichen Goldwaren findet sich vornehmlich in Pforzheim, Hanau und Schwäbisch-Gmünd, dann in größern Städten, wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt a. M. Pforzheim hat einen Jahresumsatz von etwa 28, Hanau von 12, Gmünd von 8 Mill. M. - Silberwaren (namentlich Tafelgeräte) liefern Berlin, Stuttgart, Oberstein a. d. Nahe, München, Nürnberg. Diese Orte sind zugleich die Hauptplätze für Neusilberwaren, und es reiht sich denselben noch Iserlohn an. Blattsilber, Blattgold und Blattmetall werden in Nürnberg mit Fürth, in Dresden, München und Berlin hergestellt; echte und leonische Gold- und Silbergespinste, Tressen und Militäreffekten in Berlin, Nürnberg, München, Weißenburg a. S. (Bayern), Roth (Bayern), Dresden und Freiberg; Brokat in Nürnberg und Fürth. Der Wert der Ausfuhr aller Gold- und Silberwaren beträgt durchschnittlich (1893) gegen 46 Mill. M. - Kupfer. 1893 wurden eingeführt an Kupferhalbfabrikaten (Stangen, Blech, Draht) für 0,89 Mill. M., an Kupfer und Messingwaren für 3,10 Mill. M., ausgeführt für 38,61 Mill. M. Mit der Herstellung der Kupferwaren allein waren (1882) 11328 Personen beschäftigt. Die wichtigsten Plätze zugleich mit für Messing-, Bronze- und Cuivre poli-Artikel sind Berlin, Nürnberg, München, Augsburg, Hamburg, Lüdenscheid, Iserlohn, Dresden und Leipzig. - Bleiwaren. Die durchschnittliche Einfuhr der letzten Jahre beläuft sich auf 4,43 Mill. M., die Ausfuhr auf 9,67 Mill. M. Bleibleche, Bleidraht und Bleirohre liefern Berlin, Aachen, Düsseldorf, Köln und Oberschlesien (Neudeck); Bleiwaren: Berlin, Köln, Freiberg, Wolfenbüttel; Schriftguß (Buchdruckbuchstaben): Leipzig, Berlin, Frankfurt a. M., München, Offenbach, Stuttgart u. a. - Für Zinnwaren sind Hauptplätze: Berlin, Breslau, Dresden, Elberfeld, Hamburg, München und Nürnberg; für Zinnfiguren, Christbaumschmuck und Stanniol wie Metallfolien: Nürnberg und Fürth. Die Ausfuhr der letzten Jahre beläuft sich auf durchschnittlich 4,55 Mill. M. - Zink ist ein Artikel, dessen Ganzfabrikate als Zinkgußwaren oder anderweitig bearbeitete Zinkwaren, selbst als Zinkornamente nur selten und dann auch nur in den gangbarsten Sorten auf Vorrat verarbeitet werden und sich für die Ausfuhr weniger eignen. Auch die an vielen Orten (Berlin, Köln, Nürnberg, Breslau, Stuttgart, Dresden) hochentwickelte Verzinkerei arbeitet vorzugsweise für das Inland, höchstens im Veredelungsverkehr für das benachbarte Ausland. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß Deutschland, obgleich für Rohzink das erste Produktionsgebiet der Erde, in seiner Ausfuhr hauptsächlich auf Rohzink (1893: 25,98 Mill. M.) und auf gewalztes Zink als Halbfabrikat (7,9 Mill. M.) beschränkt bleibt. - Die lobenswerten Eigenschaften des Nickels, besonders seine geringe Fähigkeit zu oxydieren (rosten), haben seine Verwendung gesteigert. Das Erz wird im Königreich Sachsen, in Westfalen (im Siegenschen) und in Schlesien gewonnen, dort verhüttet und an vielen Orten zu Nickelblechwaren aller Art weiter verarbeitet. - Eine anerkannte Specialität des sächs. und westfäl. Bergbaues und Hüttenwesens bilden die Wismut-, Blaufarben- (Kobalt-) und Uranpräparate in Oberschlema, Freiberg und in Betzdorf a. d. Sieg. Noch in der Entwicklung ist die Verwertung des Aluminiums.

Eisenindustrie. Die Hauptbezirke der Eisenindustrie sind zunächst für den Hochofenbetrieb: 1) Rheinland-Westfalen und zwar in der Gegend Dortmund bis Düsseldorf, nach Süden reichend bis Siegen und von da übergreifend nach Nassau und Oberhessen. Einen besondern kleinern Bezirk bildet die Gegend bei Aachen; 2) Oberschlesien; 3) der Saarbezirk, der sich östlich nach der Pfalz, westlich bis nach Deutsch-Lothringen und Luxemburg erstreckt. Vereinzelt finden sich Hochofenwerke in Hannover (Osnabrück, Ilsede), in Sachsen (Cainsdorf bei Zwickau), in Thüringen (Unterwellenborn), in Bayern (Maxhütte bei Schwandorf, Rosenheim, Amberg), in Württemberg (Wasseralfingen). Mit diesen Hochofenwerken sind in der Regel zugleich Stahlhütten, teils als Bessemer-, teils als Thomas-, teils als Martinstahl-^[folgende Seite]