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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Industrie und Gewerbe)

und Farbenstifte liefern Regensburg und Nürnberg; 1893 wurden für 3,3 Mill. M. ausgeführt.

Chemische Industrie. Wohl kein anderes Land verfügt über einen gleich gut geschulten Stamm von wissenschaftlichen Hilfsarbeitern wie Deutschland, und infolgedessen hat die deutsche chem. Industrie in vielen Zweigen das Ausland überholt, und zwar nicht bloß in der fabrikmäßigen Herstellung von Droguen und Arzneimitteln (Dresden, Darmstadt, Berlin), sondern auch von allen andern technischen Artikeln. Hervorzuheben sind von den vielen hierher gehörenden Gegenständen die Herstellung von Ultramarin in Nürnberg und am Rhein, von Anilin- und Alizarinfarben in Höchst a. M., in Biebrich, Elberfeld, Mannheim, von wohlriechenden Wässern in Berlin, Frankfurt a. M. und namentlich Köln (Kölnisches Wasser), von Zündwaren in Württemberg, Rheinpfalz, Sachsen, Schlesien und Hannover, von Sicherheitszündern in Meißen und Harburg, von Mineralölen und Paraffin in und bei Weißenfels, Zeitz und Aschersleben. Große Fabriken zur Ausbeutung der Salz- und Kalilager und zur Herstellung von Natron- und Kalisalzen bestehen in Staßfurt, Schönebeck, ferner Mannheim und im Rheinland. Ätherische Öle liefern Leipzig und Berlin; Seifen und Kerzen Berlin, Köln, Barmen, Mannheim; Erdfarben Thüringen, Schweinfurt, Amberg. Der Gesamtwert der Ausfuhr der chem. Artikel betrug 1893: 277,6 Mill. M., der Einfuhr 243,4 Mill. M. Die wichtigsten Ausfuhrartikel waren (1893) ätherische Öle 6,7 Mill. M., Alizarin 12,5, Anilin und andere Teerfarbstoffe 56,6, Blei- und Zinkweiß 8,6, Gelatine und Leim 4,6, Glycerin 1,7, schwefelsaures Kali 10,2, Pech 2,4, Pottasche 4,5, Schießpulver 3,7, Farbwaren 19,4, Zündwaren 3,4 Mill. M.

Nahrungs- und Genußmittel. Man rechnet auf Deutschland 63000 Getreidemühlen, darunter etwa 2400 Dampfmühlen. Letztere sowie etwa 600 Mühlen mit besonders starker Wasserkraft betreiben Handelsmüllerei und versenden ihre Erzeugnisse auch nach entferntern Gegenden und dem Auslande. Soweit dieselben an nicht besonders wasserreichen Bächen und Nebenflüssen liegen, kommen vorwiegend die Seestädte und die größern Plätze des Binnenlandes in Betracht. - Der Rübenzucker hat den Kolonialzucker nicht nur fast ganz verdrängt, sondern wird sogar in großen Mengen ausgeführt. Es bestanden im Campagnejahr 1871/72: 311, 1892/93: 401 Rübenzuckerfabriken, welche 2250918 bez. 9811940 t Rüben verarbeiteten und 186442 bez. 1175137 t Rohzucker sowie 63892 bez. 295941 t Melasse gewannen. Zu 1 kg Zucker waren 1871/72: 12,07, 1892/93: 8,35 kg Rüben erforderlich. Die Ein- und Ausfuhr von Zucker und Zuckerfabrikaten betrug in Tonnen:

Einfuhr: 1880 1893

Rohzucker 1489 817

Raffinierter Zucker 2727 664

Ausfuhr:

Rohzucker und Raffinade 197835 428340

Kandis- und Kristallzucker 34147 269362

Andere Zuckersorten 18888 8496

Sirup, Melasse 18619 102847

Die Zuckerfabriken befinden sich vorwiegend in den Bezirken des Zuckerrübenbaues, so in der Provinz Sachsen, in Schlesien, in der Weichselniederung, im Rheinland, ferner vereinzelt im Königreich Sachsen, Thüringen u. a. Hauptplätze für den Zuckerhandel sind Magdeburg, Breslau, Berlin und Köln. Die Herstellung von Zuckerwaren, Schokolade u. s. w. beschäftigt eine Anzahl von Fabriken in Dresden, Köln, Berlin, Breslau, Hamburg u. a. O. Ausgeführt wurden an Konfitüren, Zuckerwaren, Kuchen, Konserven (1893) für nahezu 5 Mill. M.

Der Verbrauch von Zucker im Deutschen Zollgebiet betrug in den J. 1871/72-1875/76: 6,7; 1876/77-1880/81: 6,4; 1881/82-1885/86: 7,8: 1886/87-1892/93: 8,8 kg auf den Kopf der Bevölkerung berechnet. Hierbei ist bis 1885/86 Rohzucker, für das folgende Jahrfünft Konsumzucker gemeint. - An Speisesalz entfallen in den entsprechenden Zeitabschnitten 7,8, 7,7, 7,7 und 7,6 kg auf den Kopf. - Bierbrauerei. Die Biererzeugung betrug in 1000 hl:

Landesteile 1872 1892/93

Reichssteuergebiet 16102 33171

Bayern 10906 15104

Württemberg 4197 3749

Baden 927 1714

Elsaß-Lothringen 813 912

Deutsches Reich 32945 54650

Die Einfuhr von Bier in das Deutsche Zollgebiet betrug 1880: 12070, 1893: 50643 t; die Ausfuhr 1880: 106561, 1893: 72860 t.

Das Hauptgebiet ist Bayern, wo auch das beste Bier gebraut wird. Seit etwa 1870 ist jedoch das Bier in Mittel- und Norddeutschland stetig verbessert worden und an allen größeren Plätzen sind große Brauereien entstanden, die meisten wohl in Berlin und Dresden. (S. Bier und Bierbrauerei, Bd. 2, S. 1000 b.) Der Bierverbrauch in den deutschen Steuergebieten betrug in Litern auf den Kopf der Bevölkerung berechnet:

Etatsjahre Brausteuergebiet Bayern Württemberg Baden Elsaß-Lothringen Deutsches Zollgebiet (einschl. Luxemburg)

1874 66,2 244,0 189,1 82,8 46,0 92,6

1875 67,8 243,0 190,8 76,5 39,8 93,3

1876 65,1 247,8 200,4 74,4 32,8 91,8

1877/78 62,3 239,5 194,0 77,1 39,4 88,7

1878/79 61,6 228,6 207,2 74,6 39,4 87,4

1879/80 59,6 220,6 159,2 73,9 42,5 82,8

1880/81 62,2 210,7 170,1 76,8 53,7 84,6

1881/82 62,3 216,3 162,4 77,9 52,5 84,9

1882/83 64,2 209,0 152,5 76,1 46,6 84,8

1883/84 67,5 208,9 154,5 77,5 48,6 87,5

1884/85 70,4 211,9 151,6 79,0 49,5 90,0

1885/86 69,0 209,1 143,8 79,2 44,7 88,8

1886/87 75,7 212,3 164,8 82,8 48,6 94,5

1887/88 77,5 220,3 177,0 93,1 55,3 97,9

1888/89 79,9 212,4 156,3 94,3 55,8 97,5

1889/90 88,5 221,1 169,0 100,9 59,1 105,8

1890/91 87,8 221,2 173,0 103,2 63,7 105,9

1891/92 87,9 219,4 169,9 99,2 65,6 105,5

1892/93 88,7 227,3 184,2 103,0 69,6 107,8

Der jährliche Verbrauch beträgt demnach 107,8 l pro Kopf, wobei nicht zu übersehen ist, daß in Ost-^[folgende Seite]