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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Staatsrechtliches)

Heer danach einen in sich geschlossenen Bestandteil des Reichsheers mit selbständiger Verwaltung, unter der Militärhoheit des Königs von Bayern, und nur im Kriege unter dem Befehle des Kaisers bildet; die Truppen von Württemberg bilden, ebenso wie diejenigen Sachsens und Badens, ein in sich geschlossenes Armeekorps des Reichsheers; das hess. Kontingent bildet eine selbständige Division. (S. Deutsches Heerwesen.)

Die Grundlage des gesamten Reichskriegswesens ist der Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht (Art. 57 der Reichsverfassung), dessen Konsequenzen jedoch selbst in dem Gesetz vom 11. Febr. 1888 immer noch nicht ganz vollständig gezogen worden sind; ein weitreichendes Privileg erteilt das Gesetz vom 8. Febr. 1890 den kath. Klerikern und Studierenden der Theologie. Die Kriegsmarine des Reichs ist, gleich der Landmacht desselben, eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers, welchem die Organisation und Zusammensetzung derselben obliegt und welcher die Offiziere und Beamten derselben ernennt (Art. 53, Abs. 1 der Reichsverfassung). Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Reichskriegshäfen (Art. 52, Abs. 2). Der Aufwand für die Kriegsflotte und die damit zusammenhängenden Anstalten wird aus der Reichskasse bestritten (Art. 53, Abs. 3).

3) Besonders wichtig sind die Bestimmungen, welche die Reichsverfassung über die Thätigkeit der Reichsgewalt für die Förderung von Handel und Verkehr getroffen hat. Zunächst hat die Reichsverfassung den auf dem Vertrage vom 8. Juli 1867 beruhenden Zoll- und Handelsverein, welchem auch das Großherzogtum Luxemburg angehört, aufrecht erhalten. Demzufolge bildet, in Gemäßheit der Bestimmungen der Art. 33-40 der Reichsverfassung, das ganze Deutsche Reich ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Doch hat der Art. 34 der Reichsverfassung bestimmt, daß die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zwecke entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes als Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze bleiben, bis sie ihren Einschluß in dieselbe selbst beantragen. Nachdem die Stadt Hamburg ihren Anschluß an das deutsche Zollgebiet beantragt hat, hat das Gesetz vom 16. Febr. 1882 bestimmt, daß auf dasjenige Freihafengebiet der Stadt Hamburg, welches durch den Antrag derselben auf Einschluß in die gemeinschaftliche Zollgrenze nicht berührt wird, der Art. 34 fortdauernd Anwendung findet. Analog ist das Rechtsverhältnis von Bremen durch das Gesetz vom 31. März 1885 geregelt worden. (S. Zollverein.) Nach den Bestimmungen der Art. 35 und 38 der Reichsverfassung besteht Gemeinschaftlichkeit der Gesetzgebung über die innern Steuern von dem im Umfange des Reichs gewonnenen Salze und Tabak, bereiteten Branntwein und Bier und aus Rüben oder andern inländischen Erzeugnissen dargestellten Zucker und Sirup, und es fließt der Betrag dieser Steuern, gleich demjenigen der Zölle, in die Reichskasse; jedoch ist in den Staaten Bayern, Württemberg und Baden wie auch in Elsaß-Lothringen die Besteuerung des inländischen Biers vorläufig noch der Landesgesetzgebung vorbehalten, wogegen dieselben aber auch an dem in die Reichskasse fließenden Ertrage dieser Steuer keinen Anteil haben und dafür einen entsprechend höhern Matrikularbeitrag bezahlen. Zufolge der Bestimmung des Art. 4, Nr. 2 der Reichsverfassung steht die Zoll- und Handelsgesetzgebung ausschließlich der Reichsgewalt zu. Die Zölle werden erhoben nach den Tarifgesetzen vom 15. Juli 1879, 23. Juni 1882, 20. Febr., 22. und 27. Mai 1885, 18. April 1886, 21. Dez. 1887, 18. April 1889. So wie das Zoll- und Handelsgebiet des Reichs ein einheitliches ist, bilden auch die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten eine einheitliche Handelsmarine und werden in den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt (Art. 54 der Reichsverfassung). Sie haben als Nationalflagge ausschließlich die schwarz-weiß-rote Reichsflagge (Art. 55) zu führen, worüber durch das Reichsgesetz vom 25. Okt. 1867 und die Verordnung von demselben Tage die nähern Vorschriften erteilt sind, dazu noch das Gesetz vom 23. Dez. 1888 sowie mehrere Specialgesetze. Zum Zwecke der Durchführung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Handelsmarine und im gleichmäßigen Interesse der deutschen Schiffahrt hat die Reichsverfassung dann ferner bestimmt, daß die Organisation eines gemeinsamen Schutzes der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See, ferner die Herstellung von Wasserstraßen im Interesse des allgemeinen Verkehrs, endlich der Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf den mehrern Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letztern sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle der Gesetzgebung des Reichs und der Beaufsichtigung durch dasselbe unterliegen (Art. 4, Nr. 7-9 der Reichsverfassung). Auch das Konsulatswesen, welches gleichfalls der Gesetzgebung des Reichs und der Beaufsichtigung durch das Reich unterliegt, ist einheitlich, und die gemeinsame konsularische Vertretung wird vom Reiche ausgestattet (Art. 4, Nr. 7). Dasselbe steht unter der Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrats für Handel und Verkehr, anstellt (Art. 56). Zur Ausführung dieser Bestimmungen ist das für das ganze Reich in Kraft getretene Gesetz vom 8. Nov. 1867, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln, das Gesetz vom 25. März 1880, betreffend die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, und das Gesetz vom 10. Juli 1879 über die Konsulargerichtsbarkeit ergangen. (S. Konsul und Deutsche Konsulate.)

4) Das Post- und das Telegraphenwesen sind für das gesamte Gebiet des Reichs einheitliche Staatsverkehrsanstalten und werden als solche verwaltet (Art. 48 der Reichsverfassung). Sie unterliegen der Beaufsichtigung des Reichs und der Gesetzgebung desselben (Art. 4, Nr. 10). Die obere Leitung gehört dem Kaiser an (Art. 50). Auf Bayern und Württemberg finden indes diese Bestimmungen keine volle Anwendung, sondern hier gelten die einschränkenden Vorschriften des Art. 52 der Reichsverfassung, wodurch diesen beiden Staaten hinsichtlich des innern Verkehrs volle und bezüglich des Verkehrs mit den angrenzenden, dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten eine gewisse Selbständigkeit vorbehalten ist. Übrigens ist das Postwesen für das ganze Reich, einschließlich Bayerns und Württembergs, durch das Gesetz über das Postwesen vom 28. Okt. 1871 nebst Gesetz über Abänderung desselben vom 20. Dez. 1875 und die Posttaxgesetze vom 28. Okt. 1871, 17. Mai 1873 und 3. Nov. 1874 geordnet; das Telegraphenwesen durch Gesetz vom 6. April 1892.