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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Domänenrente
Rechtens war, daß der Landesherr aus den D. nicht
bloß seinen Unterhalt zu nehmen, sondern zunächst
die Kosten der Landesregierung zu bcstreiten habe,
bevor er mit Ansprüchen aus Steuerbewilligung an
die Landstände hervortreten könne, so ist eine Art
von Kommunion zwischen der landesherrlichen Fa-
milie und dem Lande eingetreten, welches einer güt-
lichen Auseinandersetzung bedürftig ist und solcher
in manchen der kleinern deutschen Territorien noch
harrt. Es würde den hergebrachten rechtlichen Zu-
ständen weder entsprechen, wenn die D. schlechthin
als Staatsgut in Anspruch genommen würden, aus
welchem die landesherrliche Familie, in so lange sie
regiert, eine Civilliste bezieht, noch umgekehrt sie als
landesherrliches Eigentum anzuerkennen, welches
die fürstl. Familie unbelastet behalten dürfte, wenn
sie nicht mehr regiert. In den größeren Territorien
freilich, zuerst in Preußen, wo die Staatsidee in der
regierenden Familie schon früh sich geltend machte,
ist die Eigentumsfrage in dem Sinne entfchiedcn
worden, daß die D. reines Staatsgut seien, dessen
Einkünfte zu allgemeinen Staatszwecken und Staats-
bedürfnissen zu verwenden sind und welches heute
nicht ohne Zustimmung der Landesvertretung und
nur zur Befriedigung allgemeiner Staatsbedürfnisse
verschuldet oder veräußert werden darf. Wie schon
Friedrich Wilhelm I. die sämtlichen Einkünfte der D.
für die Staatskasse vereinnahmen und von denselben
nur einen festen Betrag zur Schatulle in Ausgabe
stellen ließ, fo ist im Allg. Landrecht die moderne
Auffassung endgültig formuliert worden. Eine Er-
innerung an das alte Verhältnis ist in Preußen
nur noch darin zu erblicken, daß ein Teil der Kron-
dotation (im Betrage von 7,7 Mill. M.) als eine
private, dein Konige vorbehaltene Rente erscheint,
welche von den Domäneneinnahmen vorweg in Ab-
zug zu bringen ist. Durch Verordnung vom 17. Jan.
1820 wurden die preußischen D. für die Gesamt-
summe der damals vorhandenen Staatsschuld den
Gläubigern verpfändet. Die ältern D. dürfen daher
so weit nicht veräußert werden, als der Nest für den
gegenwärtigen Betrag der ältern Staatsschuld (etwa
180 Mill. M.) keine genügende Sicherheit mehr bie-
ten würde. Auch dürfen die betreffenden Einnahmen,
abgesehen von der Kronrente, nur zur Verzinsung
und Tilgung dieser ältern Schuld verwendet werden.
Die deutschen Staaten haben fast alle einen be-
deutenden Domänenbesitz. In Preußen sind bei
einem Umfang von 340500 ka die etatsmäßigen
Einnahmen für 1893/94 auf 29 Mill. M. fest-
gesetzt. In Bayern ist der Domanialbcsitz (1179,9 ka)
ohne finanzielle Bedeutung' in Württemberg be-
trugen 1889/90 die Einnahmen aus demselben
bei einem Umfang von 10264 kg. 672493 M.,
in Sachsen bei einem Besitz von 3239 da. etwa
206 700 M., in Baden bei einem Umfang von
110 75s 5a 1856000 M. Die größte Ausdehnung
hat das Domanium mit 559436 ka (42,5 Proz. der
Gesamtstäche des Großherzogtums) in Mecklenburg- !
Schwerin, wo noch das ganze nicht ritterschaftliche, j
städtische oder klösterliche Gebiet, einschließlich der z
meist vererbpachteten Domänen-Bauerndörfer als,
Eigentum des Landesherrn gilt. - Von außer- !
deutschen europ. Ländern haben nur Rußland, ^
Österreich und Schweden ausgedehnte staatlicheFeld-
güter, Frankreich besitzt fast nur Forsldomänen.
Dort wie in Italien und England sind die Feld- >
guter des Flslus an Private verkauft und teilweise
verschleudert wovdm. ^
Brockhaus' Konversations-Ll'xiton. 14. Aufl.. V.
Während die öffentlichen Forsten (s. d.) überall
der unmittelbaren staatlichen Bewirtschaftung unter-
liegen, giebt man heute mit gleichem Recht für öffent-
liche Landgüter wie für einzelne landwirtfchaftliche
Grundstücke im allgemeinen der Verpachtung auf
Zeit (gewöhnlich 18 Jahre) den Vorzug. Die Verwal-
tung durch Staatsbeamte war früher auch hier üblich
und bei sehr extensivem Betrieb ganz angebracht.
Die Vererbpachtung der D. an bäuerliche Besitzer
geschah hauptsächlich aus bevölkerungspolit. Moti-
ven in bedeutendem Umfange während des 18. Jahrh,
in Preußen und nach dortigem Beispiel auch ander-
weit. In neuerer Zeit (seit 1848 und besonders seit
1868) hat man mit bestem Erfolge auf dein mecklenb.-
schwerin. Domanium mehrere tausend Erbpächter-
stellen geschaffen. - Bezüglich der viel erörterten
Frage, ob die D. heute überhaupt noch beizu-
behalten seien, ist zu bemerken, daß die ältere
Nationalökonomie bei deren Beantwortung sich
ausschließlich im Rahmen der Produktions- und
Finanzinteressen bewegte, während die neuere Volks-
wirtschaftslehre mehr die socialpolit. Gesichtspunkte
in den Vordergrund rückt. Vom Produktions-
standpunkte erscheint eine Veräußerung heute für
die Staatslandgüter nur ausnahmsweise angezeigt,
weil die Domänenpächter erfahrungsmüßig keines-
wegs fchlechter wirtschaften als die Eigentümer.
Das finanzielle Interesse würde die Veräußerung
nur unter der Voraussetzung als ratsam erscheinen
lassen, daß der Zins aus dem Kaufpreise höher
fein würde als die reine Pachtrente und der Staat
etwa hoch zu verzinsende Schulden aus dem Ver-
kaufserlöse tilgen könnte. Indessen ist zu berück-
sichtigen, daß sich die Pachtrente durch richtige An-
wendung des Konkurrenzprincips steigern läßt. Aus
socialpolit. Gesichtspunkten erscheint in Deutschland
eine Veräußerung der D. in Gestalt von großen
Gütern in keiner Weise angezeigt, da es gerade den-
jenigen (östl.) Landesteilen, in denen die meisten D.
belegen sind, an Großgrundbesitz durchaus nicht fehlt.
Wohl aber würde aus Rücksichten der innern Ko-
lonisation (s. d.), zur Schaffung eines seßhaften
Bauern- und Arbeiterstandes die Zerschlagung der
D. überall da ins Auge zu fassen sein, wo der mitt-
lere und kleinere Grundbesitz nur spärlich vertreten
ist, wie man denn in Preußen in den vierziger und
siebziger Jahren dieses Jahrhunderts jenen Weg
schon zeitweilig betreten hat. Eine geeignete Form
für derartige Veräußerungen bildet die Erbpacht
(s. d.) oder die Errichtung von Rentengütern (s. d.).
Die Veräußerung von Staatsforsten würde, selbst
wenn sie finanzwirtschaftlich lohnend wäre, aus
höhern, die Interessen der Zukunft wahrnehmenden
Rücksichten, namentlich mit Hinsicht auf die klimatische
Bedeutung des Waldes, regelmäßig auszuschließen
sein. - Vgl. A. Wagner, Finanzwissenschaft (3. Aufl.,
Bd. 1, 8§. 30 u. 212 fg., Lpz. 1883); H. Ölrichs, Die
Domänenverwaltung des preuß. Staates (2. Aufl.,
Vresl. 1888); H. Rimpler, Domänenpolitik und
Grundeigentumsvertcilunq vornehmlich in Preußen
(Lpz. 1888); Balck, Domaniale Verhältnisse in Meck-
lenburg-Schwerin (Wismar 1864); ders., Finanz-
verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin (ebd. 1877).
Domänenrente, die einer fiskalischen Domäne
zustehende Rente, für deren Ablösung bisweilen
andere Grundsätze bestehen als für die Ablösung
anderer Renten. Vgl. das Preuß. Gesetz vom
26. April 155)8, ß. 3. - Mit D. wird auch bis-
weilen der Teil der Einkünfte der landesherrlichen
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