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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Drama (Stadt) - Dramaturgie
und des Ortes ist bedeutungslos; man hat dafür die
Stetigkeit der Entwicklung und die Einheit dcr Wclt-
lage gefordert' nur die Einheit der Handlung oder
vielmehr (da oft auch verknüpfte Doppelhandlungcn,
wie in Shakespeares "König Lear", von höchster
Wirkung sind) die der dramat. Idee ist unerläßlich.
Wo diese nicht vorhanden ist, bleiben wir auf epi-
schem Boden. Die mittelalterlichen Mysterien und
die "Oin-onicisä kistorieä" der altengl. Vübne sind
solche unreife Anfänge werdender Dramatik. Aus der
ästhetischen Natur des D. und seiner fortschreitenden
Entwicklung folgt innerhalb des scenischen Baues die
Unterscheidung der Exposition (s. d.), der Peripetie
(s. d.) und der Katastrophe (s. d.). Hiermit hängt die
Einteilung des D. in 3 oder 5 Akte zusammen.
Auf dem Begriffe des dramat. Kampfes und dessen
endlicher Lösuug beruhen die hauptsächlichsten Gat-
tungsunterschiede der dramat. Kunst. Es giebt drei
Gattungen: das Trauerspiel (Tragödie), das Lust-
spiel (Komödie) und das Schauspiel oder D. im
engern Sinne. Die Unterschiede entspringen aus
der Verschiedenheit der Zwecke, welche die kämpfen-
den Individuen verfechten. Der Held des Trauer-
spiels ist ein Charakter, der einen ernsten, gediege-
nen, ja einen erhabenen Zweck und Gebalt hat.
Seine Schuld ist, daß er sich wider die Allgemein-
heit auflehnt, und dies muß er büßen. Das Lust-
spiel dagegen hat einen Helden, dessen Zweck schon
in sich willkürlich, nichtig und verkehrt ist. Wir ge-
winnen auch hier, indem der Held zuletzt zum Be-
wußtsein seiner Thorheit kommt, das Gefühl von
der siegreichen Macht der Vernunft und Wahrheit,
l^o spiegeln erst Trauerspiel und Lustspiel zusam-
men die ganze sittliche Welt ab, indem beide in
ihren Motiven auf gleiche Weise von den tiefsten
Geheimnissen der Mcnschenbrust ausgeben und die
innere Notwendigkeit eines sittlichen Weltlaufs zu
zweifelloser Anerkennung bringen. Die dritte Gat-
tung, das Schauspiel oder D. im engern ^>inne,
führt ernste Konstitte zu einem versöhnenden Aus-
gange. Es ist das Gewöhnliche bei den Indern,
häufig bei den Spaniern. Aber indem es seinem
Wesen nach von Haus aus auf eine einfache und
friedliche Lösung hindrängt, stellt es häusig nur zu-
fällige Gegensätze gegenüber. Der dramat. Konflikt
bleibt dann ein äußerer: er bewegt sich nur in vor-
übergehenden Irrungen und Mißverständnissen.
Dadurch wird die Geschichte, die sich vor unseru
Augen abspielt, eine persönliche ohne allgemeine
Bedeutung, nicht ein Spiegelbild der Menschheit.
Ein solches Schauspiel unterhält nur, erschüttert
und erhebt nicht. In diesen Kreis fallen zumeist die
sog. Konversations- und Salonstücke. Diese treten
meist ganz und gar aus dem Gebiete echter Poesie
heraus, obfchon sie für ein Repertoire, das alle
Tage Neuigkeiten verlangt, ein Bedürfnis und not-
wendiges Übel sind. Auch gehen heute die Gattun-
gen vielfach ineinander über. - Vgl. A. W. Schlegel,
Vorlesungen über dramat. Kunst und Litteratur
(3 Bde., Heidelb. 1809-11; 2. Aufl. 1817); Hettner,
Das moderne D. (Vraunschw. 1852); Freytag, Die
Technik des D. (Lpz. 1863; 6. Aufl. 1890); Klein, Ge-
schichte des D. (Bd. 1-13, ebd. 1865-76); Prölß,
Geschichte des neuern D. (3 Bde., ebd. 1880-83)-
Klaar, Das moderne D. (3 Tlc., Prag 1882-84)-
Creizenach, Geschichte des neuern D. "Halle 1893).
Drama, Hauptstadt des Sandfchaks D. im türk.
Wilajet Saloniki (Macedonien), östlich von Seres,
hat 7500 meist türk. E., Baumwoll- und Tabakbau,
Baumwollspinnerei und Tabakhandel. T. liegt an
der Stelle des alten Drabeskos.
Dramatik (grch.), dramat. Poesie; auch Lehre
vom Drama; Dramatiker, Schauspieldichter;
dramatisch, auf das Drama bezüglich, in der
Art des Drama, voll Leben und Handlung; dra-
matisieren, einen Stoff zum Drama verarbeiten.
Dramaturg (grch.), im engern Sinne der von
einerTheaterleitilng angestellte Beamte, demdie Prü-
fung der zur Aufführung eingereichten Stücke, die
etwa erforderliche Einrichtung derselben sowie die
Absassuug von Gelegenheitsgedichten, Prologen,
Festspielen, eingelegten Coupletstrophen obliegt. Im
weitern Sinne nennt man D. die Verfasser theore-
tischer Werke über das Drama und die dramat.
Darstellung (s. Dramaturgie) und auch hervor-
ragende Theaterkritiker, besonders solche, die ihre
Besprechungen gesammelt herausgegeben haben.
Dramaturgie (grch.), eigentlich die Theorie der
dramat. Poesie. Da aber diese mit der Kunst der
dramat. Vorstellung eng zusammenhängt, so hat
man das Wort D. dann besonders auf die Theorie
der Schauspielkunst (s. d.) angewendet. Wenn man
unter D. die Theorie des Dramas versteht, so ist
die "Poetik" des Aristoteles die älteste D. und alle
ästhetischen und litterarhistor. Lehrbücher und Mo-
nographien, die vom Drama handeln, gehören
in diese Klasse. Soll aber D. Drama und dramat.
Darstellung zugleich umfassen, so war die erste D.
die Lessings, denn von den "Schildcreien der Koch-
schen Bühne" kann nicht die Rede sein. Was sich
anLcssing anlehnte, wie Bode und Claudius ("Dra-
maturgisches Etwas", 1774), Schink ("Dramatur-
gische Fragmente", 4. Bde., Graz 1781-84), Fr. L.
Schmidt ("Dramaturgische Aphorismen", 2 Bde.,
Hamb. 1820-28) und Fr. Gl. Zimmcrmann ("Dra-
maturgische Blätter für Hamburg", 1. und 2. Jahrg.
1821-22, "Neue dramaturgische Blätter", 1. und
2. Jahrg. 1827-28, "Dramaturgie", 2 Bde., Hamb.
1840), ist, mit Lessing verglichen, bedeutungslos,
wenn auch manches einzelne bei ihnen, sowie in Iff-
lands "Almanach für das Theater" (1807 fg.) und
Schreyvogel-Wests "Dramaturgischen Aufsätzen",
nicht ohne Wert ist. Eine neue Periode beginnt mit
Bornes und Tiecks "Dramaturgischen Blättern".
Ludwig Tieck schrieb in einer Zeit, in der dramat.
Dichtung und Schauspielkunst bereits in Versall ge-
rieten; doch in der Erinnerung an die großen Meister
und Muster hob er die Feinheiten dramat. Dichtung
und Schauspielkunst um so nachdrücklicher hervor.
Vorne betonte besonders die Beziehungen des Thea-
ters zur ganzen geistigen Bewegung der Zeit. Diesen
beiden haben sich in neuerer Zeit Gutztow, Stahr
("Oldenburgische Theaterschau", 2 Bde., Oldenb.
1845), Rötschcr ("Dramaturgische Skizzen und Kri-
tiken", Verl. 1847) und Frenzcl ("Berliner D.", 2 Bde.,
Hannov. 1877) in würdiger Weise angeschlossen.
Besonders ist aber auch in neuester Zeit viel sür
die Theorie der dramat. Darstellung gethan worden.
Nachdem hier namentlich I. I. Engel, dessen "Ideen
zur Mimik" (Berl. 1785 u. ö.) bleibenden Wert
behalten, und Thürnagel vorangegangen waren,
faßte Nötfcher in "Die Kunst der dramat. Dar-
stellung" (ebd. 1841) die ganze Theorie gründ-
lich, dock in einer mehr für den gelehrten Drama-
turgen als für den praktischen Schauspieler geeig-
neten Weise zusammen. - Vgl. Freytag, Technik
des Dramas (6. Aufl., Lpz. 1890); Bulthaupt,
D. der Klassiker (2 Bde., Oldenb. 1882; 5. Aufl.,