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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Edelsteinschleiferei

(Fig. 2). Der obere Teil hat meist nur die halbe Höhe der Culasse; auch findet man an alten ind. Schnitten die vier Kanten des Pavillons eben abgestumpft, wodurch sich die Zahl der obern Facetten verdoppelt. Die optische Wirkung ist gering.

Aus der Form des Dicksteins hat sich durch den geistigen Einfluß von Kardinal Mazarin, der solche Steine umschleifen ließ, die allgemein gültige Form des Brillant entwickelt. Sowohl Pavillon als Culasse sind reich facettiert. Die obere Begrenzungsfläche des Pavillons heißt Tafel, die untere weit kleinere Begrenzungsfläche der Culasse wird Kalette genannt. Die Facetten, die an der Rundiste liegen, heißen Querfacetten, die an die Tafel grenzenden nennt man Sternfacetten. Sie sind dreieckig und stoßen mit ihren Spitzen aneinander. Je nach Größe und Schönheit des rohen Materials (Brut genannt) giebt man mehr oder weniger Facetten. Einfaches Gut oder "einmal gemacht" heißen jene Steine, an denen nur der Oberteil facettiert ist. ^[Abb: Fig. 2]^[Abb: Fig. 3a] ^[Abb: Fig. 3b] Zweimal gemachte Brillanten (Fig. 3a, von oben, 3b von der Seite) haben am Pavillon nur 16 dreieckige Facetten in zwei Reihen angeordnet. Diesen unvollständigen Brillantschliff erhalten nur kleine Steine von 1/16 bis ⅛ Karat und 1½ bis 2 mm Durchmesser (die sog. "kleine Ware") oder fehlerhafte unschöne Steine. Alle bessern Steine werden als dreimal gemachter Brillant (dreifaches Gut) in den Handel gebracht, und eigentlich nur diese als Brillant bezeichnet. Sie haben am Oberteil drei Reihen von Facetten. Am dreifach gemachten Brillanten zählt man 56 Flächen (Fig. 4a von oben, 4b von unten, 4c von der Seite), und bei sehr großen Steinen, wie beim Regent (s. Tafel: Diamanten, Fig. 3), erhöht sich diese Zahl noch um 16, indem die Querfacetten halbiert werden. Die regelmäßige alte Form des Brillanten besitzt eine quadratische, nur an den Ecken abgestumpfte ^[Abb: Fig. 4a]^[Abb: Fig. 4b]^[Abb: Fig. 4c] Tafel und eben solchen Querschnitt der Rundiste. Doch es kommen auch Abweichungen von dieser Symmetrie vor, meist verursacht durch eine ungewöhnliche Gestalt des rohen Steins. Die Rundiste ist manchmal oval wie am Kohinoor (s. Tafel: Diamanten, Fig. 9) oder auch birnförmig. Das Farbenspiel wird dann wesentlich begünstigt durch einen zugeschärften Schnitt der Querfacetten nach engl. Mode, während der gewöhnliche holländ. Schnitt die Querfacetten des Oberteils breiter läßt.

Eine wichtige Neuerung des Brillantschliffs führte Caire ein; von ihr ist auch der heutige Modeschliff des Brillanten beeinflußt. Der von ihm ersonnene Sternschnitt (taille à étoile, Fig. 5) erfordert große Höhe von Culasse und Pavillon. Die Tafel ist sehr klein und regelmäßig sechseckig. Am Unterteil sind drei Facettenreihen, die im Zickzack verlaufen. ^[Spaltenwechsel] Dieser Schliff zeichnet sich aus sowohl durch ein sehr günstiges Farbenspiel, als auch durch eine Maximalverwertung des Rohmaterials. Der Gewichtsverlust des Brut beim Schleifen dieser Form beträgt nur 33 Proz. (gegen 45 Proz. beim niedern Brillanten), sie bedarf aber einer sehr sorgsamen Ausführung, um Effekt zu machen. Die Amsterdamer Faktoreien vermeiden jetzt ebenfalls wegen des großen Materialverlustes die ältere niedere Brillantform und machen ähnlich wie Claire ^[Anmerkung: oben stand Caire - was ist richtig?] den Oberteil höher. Während die Höhe des Oberteils der Brillanten der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts (Fig. 1, zwischen t und r) 4/18 der Gesamthöhe des Oktaeders ausmachte, wird der Oberteil jetzt bis zu 6/18 hoch geschnitten. Ferner ist die Tafel weit kleiner, früher 4/9, jetzt nur genau 3/9 des Durchmessers der Rundiste. Sie ist ferner ein regelmäßiges Achteck, alle Mittelfacetten gleich, die Rundiste selbst ein regelmäßiges Achteck (Fig. 6). Durch diese Anordnung ist es möglich, Brillanten herzustellen von vollständig symmetrischer Gestalt, mit überaus lebhaftem Feuer, ohne daß mehr als 40 Proz. des Brut beim Schleifen unverwendbar wird. Ist ein Brillant möglichst regelmäßig geschliffen, so kann man sein Gewicht ermitteln, ohne den Stein zu ^[Abb: Fig. 5]^[Abb: Fig. 6] ^[Abb: Fig. 7] wiegen, und zwar durch Messung entweder einer Rundistenseite, oder des größten Durchmessers des Steines selbst. Fig. 7 zeigt die Größenverhältnisse verschieden schwerer Diamanten von der ältern Form, wobei die Zahlen die Karate bedeuten; die neuern Steine sind bei gleichem Gewicht etwas größer in der Rundiste. In Brillantform wird nicht nur der Diamant geschliffen, sondern auch alle übrigen durchsichtigen Schmucksteine, Zirkon, Phenakit, Topas, selbst Quarz und die Imitationen aus Straß.

Die farbigen Juwelen, denen ohnehin meist eine oktaedrische Spaltbarkeit fehlt, erhalten häufig eine vom Brillanten verschiedene Form. Dünne Rubine und Saphire, die in der Natur ohnehin meist tafelförmig vorkommen, zeigen oft den Tafelschnitt. Meist findet man ihn am Brut, der halbfertigen Ware, die mit dem unvollkommenen ind. Schliff auf den europ. Markt kommt. Ober-und Unterteil sind durch eine breite Tafel begrenzt; am Oberteil sind 8, 12, 16 willkürlich, aber symmetrisch liegende Quer- und Sternfacetten, am Unterteil 4 - 6 breite Facetten oder eine gerundete Fläche (Fig. 8a von der Seite, 8b von oben).^[Abb: Fig. 8a]^[Abb: Fig. 8b]

Bei dickern farbigen Steinen erzielt man durch den Treppenschnitt die günstigste Wirkung, bei welchem die eigentümliche Anordnung der Facetten des Unterteils das Zurückstrahlen des Lichts unterstützt. Alle Facetten laufen treppenartig, immer stumpfer werdend, von Rundiste gegen Tafel und Kalette zu; der Querschnitt des Steins kann teils