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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Edelsteinschleiferei

Spalten nennt man dann das Trennen des Arbeitsstücks in zwei Teile, wenn die neuentstandene Begrenzungsfläche der beiden erzeugten Hälften eine vollkommen ebene, glatte Fläche ist. Eine solche regelmäßige Spaltung ist möglich, wenn das bestimmte Material nach bestimmten Richtungen leicht und regelmäßig spaltbar ist. Nicht alle Schmucksteine spalten aber gleich leicht oder nach gleichen Richtungen. Unter den Juwelen hat nur der Diamant eine Spaltbarkeit, und zwar nach den acht Oktaederflächen, die sich direkt zur Darstellung der Grundform des Brillanten benutzen läßt. Um einen Diamant zu spalten (Klieven oder Kloven), befestigt man denselben mit Harz auf der Spitze des Kittstocks und läßt nur jenen Teil frei, den man abzuspalten wünscht. Mit der feinen Spitze eines Diamantsplitters zieht man eine feine Furche, setzt in diese den Meißel ein, und ein Hammerschlag auf letztern genügt, um den äußern Teil abzutrennen. Dieser Arbeitszweig der Diamantschleiferei ist erst seit 1790 in Europa eingebürgert durch die virtuose Geschicklichkeit des Holländers Andreas Bevelmann.

Durch das Spalten erhält der Diamant die Form eines Spitzsteins (Fig. 1, S. 708 b). Aus dem Spitzstein des Diamant wird dann der Dickstein dargestellt und zwar bei kleinern Individuen durch direktes Schleifen, bei größern durch "Zersägen". Es wird (Fig. 1, S. 708 b) der obere Teil bis zur Linie t t und vom Unterteil die Spitze bis k k weggenommen und dadurch die Tafel t t und die Kalette k k (Flächen, die nicht parallel einer Spaltungsrichtung sind) erzeugt. Das Gewicht eines solchen Dicksteins, an dem nach alter Regel oben 5/18 der ganzen Höhe weggeschliffen sind, beträgt genau ⅔ des Gewichts eines Spitzsteins von gleicher Rundiste. Es beträgt daher der Materialverlust bei der ersten Bearbeitung des Diamantoktaeders 33 Proz.; ein Verlust, dessen Prozentsatz sich durch fortgesetztes Facettieren noch steigert. Dieser Verlust wird dadurch ausgeglichen, daß man die beim Zersägen abfallenden Pyramidenspitzen als Rosetten verschleift.

Die übrigen Schmucksteine besitzen keine ausgezeichnete und günstig orientierte Spaltbarkeit. Statt des Spaltens benutzt man daher nur das Zersägen, um etwa fehlerhafte Teile des Stücks abzutrennen. Zum Zersägen bedient man sich der Schneidscheibe, d. h. einer mit großer Geschwindigkeit um eine horizontale Achse rotierenden dünnen Scheibe von Stahl, Eisen oder Kupfer, deren Rand sehr scharf ist und kontinuierlich mit einem Schleifmittel bestrichen wird. Bei weniger harten Steinen wird hierzu wässeriger Schmirgelbrei benutzt, bei allen sehr harten (Diamant, Rubin u. s. w.) dagegen Diamantbort, der, mit Petroleum angerührt, auf den Rand der Scheibe aufgetragen und durch die Schneiden eines Achatstücks eingedrückt wird, sodaß nun die Scheibe wie eine Kreissäge, mit sehr feinen Diamantsplittern als Zähnen, wirkt. Seitdem durch die bedeutenden Massen nicht schleifbarer Diamanten, die am Kap gefunden wurden, der Preis des Borts zu Zeiten auf 3 M. pro Gramm herabgegangen ist, haben selbst die Achatschleifer diese Methode des Schneidens eingeführt. Nur beim Diamanten geschieht noch zuweilen das Zersägen aus freier Hand und zwar aus Vorsicht, da man ein Erhitzen des Steins oder Abspalten von Stücken zu vermeiden trachtet. Ein sehr feiner Metalldraht wird in einem Laubsägebügel eingespannt, mit einem Brei von ^[Spaltenwechsel] Diamantbort und Öl überstrichen und so immer in einer Richtung über den Stein hin und her geführt. Der am Drahte haftende, bewegte und angedrückte Bort scheuert sich eine immer tiefer werdende Furche.

Kleinere Schmucksteine werden nach dem Spalten oder Zersägen unmittelbar facettiert, größere hingegen noch früher der Operation des Rundierens resp. Grauens unterworfen. Unter Rundieren versteht man das Formgeben mit freier Hand. Es geschieht dies auf den Schleifscheiben, und der Stein erhält hierdurch die erste Anlage zu seiner künftigen Form sowie die richtige Proportion von Höhe und Breite. Einer ähnlichen Bearbeitung wird auch der Diamant unterworfen, man nennt sie aber auch Grauen (égriser). Es bedeutet dies das Aneinanderreiben zweier zu bearbeitender Diamanten an jenen Stellen, an denen später die Facetten auftreten sollen. Beide Steine sind an den Spitzen der Kittstöcke befestigt, letztere faßt der Arbeiter mit seinen Händen und reibt die Diamanten über der Schneidbüchse aneinander. ^[Abb: Fig. 19.] Fig. 19 zeigt eine Schneidbüchse mit den Kittstöcken. Hierdurch scheuern sich feine Teilchen vom Diamant los, und diese Arbeit wird fortgesetzt, bis die gewünschte Facette als undeutlich konturierte Ebene erkennbar wird. Diese erzeugten Flächen unterscheiden sich aber von jenen, die am fertigen Juwel erglänzen, sie sind feinkörnig, dunkelgrau; der Stein selbst ist undurchsichtig, metallisch glänzend, poliertem Stahl ähnlich, daher auch der Name Graumachen.

Die durch Spalten, Sägen, Grauen, Rundieren vorbereiteten Steine erhalten endlich durch das Schleifen auf der Schleifscheibe die nötige Anzahl der regelmäßigen Facetten und durch das darauf folgende Feinschleifen und Polieren den Glanz. Die Werkzeuge und die Einrichtung des Ateliers für Diamantschleiferei oder E. sind ziemlich ähnlich, und nur der Wechsel der Schleifmittel ist maßgebend; andererseits unterscheidet sich aber wesentlich die moderne Werkstätte einer "Diamantmühle" von den primitiven Hilfsmitteln des für sich allein arbeitenden ind. Künstlers. In den Faktoreien für Diamantschliff, deren einzelne jetzt mehrere hundert Arbeiter beschäftigen, wird die bewegende Kraft durch eine im Souterrain befindliche Dampfmaschine geliefert, durch Welle und Transmission die in den Sälen der obern Stockwerke befindlichen Schleifscheiben in horizontale Rotation versetzt. Durch die seit 1840 immer allgemeiner gewordene Ersetzung der früher benutzten Pferde vor der Tretmühle durch Maschinen ist es möglich, die Bewegung der Schleifscheiben bis auf 30 Umdrehungen in der Sekunde zu steigern, also ebenso oft das Schleifmittel auf ein und denselben Punkt wirken zu lassen. Dadurch ist jetzt die Arbeitszeit für die Herstellung einer Facette ungemein verkürzt worden. Mitte des 18. Jahrh. brauchte man, um den Regent zu schleifen, zwei Jahre; dieselbe Anzahl Facetten wurde 1852 dem fast gleich großen Kohinoor in nur 38 Tagen gegeben. Eine fernere Folge davon ist, daß sich der Arbeitspreis für die fertige Ware ermäßigt hat. Derselbe beträgt im Durchschnitt für einen