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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Einquartierungskataster
einquartierten Soldaten selbst gebraucht. Die E.
bestand nach den ältern Rechten nur in dem Her-
geben der Wohnung und der Teilnahme der gemei-
nen Soldaten an Licht und Feuerung des 3llirts.
Das Einquartieren der Mannschaften geschieht in
der Regel unter Mitwirkung der Ortsbehörden und
nur im Notfall durch die Truppen selbst. Quartier-
macher (Fouriere) gehen gewöhnlich ein oder zwei
Tage voraus, um die nötigen Einleitungen zu tref-
fen. Die einrückenden Truppen erhalten Quartier-
billets auf die einzelnen Häuser und werden von
den Wirten oder durch Lieferung von Lebensmitteln
durch den Truppenteil verpflegt. Der Umfang, in
welchem die Quartierleistungen gefordert werden
können, wird durch Kataster bestimmt, welche alle
zu E. benutzbaren Gebäude unter Angabe ihrer
Leistungsfähigkeit enthalten und von dem Gemeinde-
vorstand oder einer Servisdeputation aufgestellt,
öffentlich ausgelegt und nach Erledigung der Rekla-
mation festgestellt werden. Die Grundsätze über die
Verteilung der Ouartierleistungen auf den Kreis
werden durch eine Kommission geregelt, welche aus
dem Landrat und zwei Mitgliedern der Kreisver-
sammlung besteht' die Grundsätze über Verteilung
der E. in jedem Gemeindebezirt werden durch Ge-
meindebeschluß oder Ortsstatut bestimmt.
Im Deutschen Reiche ist die Quartierleistung für
die bewaffnete Macht während des Friedenszustan-
des durch folgende Bestimmungen geregelt: Gesetz
vom 25. Juni 1868, das durch Gesetze vom 9. Febr.
1875 auch Gültigkeit für Württemberg und Bayern
erlangt hat, und durch das Gesetz vom 13. Febr.
1875, betreffend die Naturalleistungen für die be-
waffnete Macht im Frieden, mit Abänderungen
vom 21. Juni 1887 und Ausführungsinstruktion
vom 30. Aug. 1887.
Die E. ist einer von den Gegenständen des öffent-
lichen Rechts, der eine ganz veränderte Richtung er-
halten hat. Das ältere Staatsrecht nahm an, daß es
zur Pflicht der Unterthanen gehöre, den im Solde
des Landesherrn stehenden Kriegsleuten auf Mär-
schen und im Winter Unterkunft zu geben. In Frank-
reich erfchienen darüber unter Ludwig XII. 1514
eine Verordnung und unter Ludwig XIV. 1665
cine Ordonnanz, in der die Quartier- und Verpfle-
gungsverhältnisse geregelt wurden. Auch der Große
Kurfürst von Brandenburg gab darüber ein Edikt.
Während der Französischen Revolution aber wurde
durch das Gesetz vom8.Iuli 1701 diese Verbindlichkeit
der Staatsbürger in Ansehung der stehenden Be-
satzungen ganz aufgehoben und in Ansebung der auf
dem Vcarscke befindlichen Truppen auf Wobnung,
Feuer und Licht beschränkt, auch die Einquartierungs-
freiheit des Adels und anderer Klassen abgeschafft.
In Deutschland waren diese Verhältnisse durch die
doppelte Staatshoheit des Kaisers und Relcks und
der Landesherren, sowie durch die besondern Pflichten
der Reichsstädte gegen den Kaiser sehr verwickelt und
wurden es noch mehr, als Wallenstein im Dreißig-
jährigen Kriege das System der Requisitionen be-
nutzte, mittels dessen er sein Heer auf Kosten nicht
nur der feindlichen Länder, sondern auch der Ver-
dündeten des Kaisers verpflegte. Infolge der Be-
schwerden wurde im Prager Frieden von 1635, im
Westfälischen Frieden und in der Nablkapitulation
von 1658 gegen dergleichen Belastungen der reichs-
ständischen Länder Fürsorge getroffen.
Von neuem kam das Einquartierung^wcsen wäh-
rend des Siebenjährigen Krieges in Deutschland zur
i Sprache, wichtiger wurde es jedoch, als infolge der
Koalitionen gegen Frankreich franz. Heere nach und
^ nach alle deutschen Länder überschwemmten und von
diesen, in feindlichen wie in verbündeten Staaten,
ihren vollständigen Unterhalt und zuweilen noch
mehr verlangten. Man hatte sich daran gewöhnt,
die E. als eine auf den Wohnhäusern ruhende Real-
last anzusehen, und blieb diesem Grundsatze auch
treu, als zu jenen einfachen Leistungen noch die
kostspielige Verpflegung fremder Krieger hinzukam.
Bei der ältern Art, E. zu verteilen, war ein großer
Teil der Staatsbürger vermöge ihres Standes und
besonderer Privilegien frei; auch hatte man in Be-
treff der E. manche Verträge geschlossen, die nun-
! mehr eine ganz andere Bedeutung erhielten, als die
! Parteien ursprünglich beabsichtigt hatten. Schwie-
rig wurden durch diese E. namentlich die Verhält-
nise zwischen Pächtern und VerPächtern. Nach Her-
stellung des allgemeinen Friedens erstrebte man
zwar in den einzelnen deutschen Staaten eine den
^ Zcitverhältnissen angemesfene Erledigung dieser An-
z gclegenheit, kam dabei aber nicht überall zum Ziele.
Am sichersten gelangt man nur dann zu einen:
befriedigenden Ergebnis, wenn man von der un-
leugbaren Verbindlichkeit des Staates ausgeht,
jedem einzelnen Schutz gegen alle Beschädigungen
von^ußen zu gewähren, zu dem Ende alle Kräfte
i des Staates daranzusetzen und dann, wenn von der
! Verfolgung eines Schadenanspruchs an den Staal
! nicht geradezu abgestanden wird, den Schaden selbst
! zu ersetzen. Die unmittelbare Aufnahme und Ver-
! pflegung der Krieger trifft dann jeden, Eigentümer
wie Mieter, der den erforderlichen Raum innehat.
Tiefe Aufnahme muß nach dein Gesetze der Gleich-
beit verteilt werden, und Befreiungen aus andern
Gründen als des öffentlichen Dienstes dürfen nicht
stattfinden. Aber die Gerechtigkeit fordert, daß jene
Leistungen, welche ihrer Natur nach in ihrer Ver-
teilung einen Bürger mehr als den andern belasten,
aus allgemeinen ^-onds wieder vergütet und aus-
geglichen werden. Freilich läßt sich in Kriegen nach
diesen Grundsätzen, namentlich wenn der Feind im
Lande steht und Quartiere fordert, nicht verfahren;
der Staat würde auch die erforderlichen Mittel zu
Entschädigungen nicht aufzubringen vermögen.
Damit jedoch der einzelne nicht überbürdet werde,
bal man die Einquartierungslast im Kriegsfalle als
Gemeindelast erklärt und die Kommune zur Ent-
schädigung der Quartiergeber aus der Gemeinde-
kasfe verpflichtet, ohne indes eine nachträgliche Aus-
gleichung zwischen den Gemeinden vorzubehalten.
Daß dagegen bei Friedenseinquartierung der Staat
volle Entschädigung zahlen soll, wird nicht bezwei-
felt, und wo stehende Truppen nicht kaferniert sind,
werden dieselben mietweise auf Kosten des Staates
untergebracht, aber nicht zum Nachteile der einzel-
nen einquartiert. Die Höhe dcr Entschädigung ist
durch einen mit dem Reichsgesetz vom 3. Aug. 1878
veröffentlichten Servistarif nach Rangklassen der
Einquartierten und nach absteigenden Klassen der
Ortschaften (Berlin und fünf andere Klassen) ver^
schieden normiert: z. B. Berlin für die Generale im
in einem Ort 5. Klaffe 57,W und 41,,0 M.; für einen
Feldwebel 24,60 und 17,^o oder 1l),^o und 7,50 M.
! Für jeden einzelnen Ort ist festgestellt, zu welcher
! Klasse er gebort. Von 5> zu 5 Jahren findet in dieser
Beziehung einc Revision statt.
Eiuquartierungskataster,s.Quartierleistung