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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahnen
(Hunde) beladen zu Thal rollten, während sie zu Berg auf denselben von Pferden gezogen oder von Menschen geschoben wurden. Derartige Holzbahnen waren bei den Bergwerken im Harz seit Jahrhunderten im Gebrauch, und deutsche Bergleute sollen dieselben zur Zeit der Königin Elisabeth nach England gebracht haben. Diese Spurbahnen bestanden aus einfachen hölzernen Langschwellen, auf denen die mit Spurkränzen versehenen Räder rollten. 1767 veranlaßte der Niedergang der Eisenpreise einen der Besitzer der Colebrook-Dale-Eisenwerke, Mr. Reynolds, zu dem Vorschlage, den Eisengänzen, die, um die Hochöfen in Gang zu erhalten, in Vorrat gegossen wurden, die Form von starken, oben konkaven Platten zu geben und dieselben einstweilen an Stelle der unablässig zerstörten hölzernen Langschwellen in die Spurbahnen zu legen, auf welchen die großen Gütermassen des Werkes verfahren wurden. Bei etwaigem Steigen der Eisenpreise sollten dann die Platten wieder herausgenommen und anderweitig verwendet werden. Der Gebrauch der eisernen Schwellen an Stelle der hölzernen erschien aber wegen der geringern Abnutzung so vorteilhaft, daß auch nach erfolgter Preissteigerung die eisernen Schwellen doch belassen wurden und die eiserne Spurstraße bald überall an Stelle der hölzernen trat. Die weitern Verbesserungen der für die Beförderung der Bergwerkserzeugnisse bestimmten Spurbahnen führten zu der Anwendung von besonders geformten, gegossenen Schienen an Stelle der zuerst verwendeten Eisenblöcke. Da das Gußeisen wegen seiner Sprödigkeit sich für den vorliegenden Zweck nicht geeignet erwies, so wurde es später durch Walzeisen ersetzt. Die ersten Schienen aus Schmiedeeisen von 15 Fuß (engl.) Länge und mit einem pilzförmigen Querschnitte wurden im Okt. 1820 auf dem Bedlington-Eisenwerke bei Durham durch John Berkinshaw gewalzt. Mit der Erfindung des Schienenwalzens aus Schmiedeeisen war der eigentliche letzte große Schritt in der Entwicklung des Eisenbahnoberbaues bis zu der jetzt noch gebräuchlichen Form desselben gethan, wenn die damals aufgekommene Grundform inzwischen auch vielfache Abänderungen erfahren hat.
Als bewegende Kraft für die Fortschaffung der Lasten auf diesen Spurbahnen wurden zuerst hauptsächlich Pferde verwendet. Der erste Versuch, Kohlenwagen auf Spurbahnen mittels einer durch Dampf getriebenen, auf Rädern beweglichen Maschine fortzuziehen, wurde 1804 von Richard Trevethick auf der Merthyr-Tydfil-Bahn in Südwales gemacht. Auch in Deutschland sind derartige Maschinen schon Anfang dieses Jahrhunderts erbaut worden, so 1818 auf der königl. Eisengießerei zu Berlin vom Hütteninspektor Krigar (vgl. Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. 23, 1875, Abteil. 13), ferner 1829 auf der Saline Dürrenberg (s. d.) von dem spätern Bergrat Bischof.
Trotz der Erfindung von Trevethick dauerte es noch längere Zeit, bis die Lokomotive zur Beförderung auf E. Eingang fand. Man glaubte allgemein, daß die Reibung der glatten Räder auf den Schienen nicht ausreichen würde, Steigungen zu überwinden und große Lasten zu ziehen. Trevethick selbst legte neben die Schienen noch eine Holzbahn, in die sich vorragende Nagelköpfe der Räder eindrückten. Noch 1811 und 1812 ließen Blenkinsop und Chapman Maschinen bauen, die durch besondere Vorrichtungen (Zahnrüder und Vermehrung der Triebräder) den Reibungswiderstand vergrößern sollten. Erst 1814 ließ Georg Stephenson (s. d.) Versuche mit Maschinen auf glatten Rädern anstellen und befuhr mit Erfolg die Grubengleise bei Newcastle. Mit einer von ihn: erbauten Maschine wurde auf der Stockton-Darlington-Bahn 27. Sept. 1825 der erste mit Personen besetzte Wagenzug mit einer Geschwindigkeit von 6 engl. Meilen = ungefähr 10 km in der Stunde befördert. Stephenson erfand für seine Maschine die Anordnung, daß durch den Austritt des Dampfes in den Schornstein (das Blasrohr) die Dampferzeugungskraft des Kessels sich auf das Vierfache hob, und brachte dann noch eine Vergrößerung der Feuerfläche durch Anordnung von zahlreichen engen Siederöhren im Kessel in Anwendung. Die Erbauer der Eisenbahn von Liverpool nach Manchester, dessen Oberingenieur Georg Stephenson war, schrieben eine Preisbewerbung für die beste Lokomotivmaschine aus; die Wettfahrt fand 6. Okt. 1829 bei Rainhill statt und hatte den Erfolg, daß Stephenson mit seiner Lokomotive "Rocket" den Preis davontrug. Die Liverpool-Manchester-Bahn wurde 15. Sept. 1830 dem öffentlichen Verkehr übergeben, und zehn Jahre später waren schon die Hauptstädte Englands untereinander sämtlich durch E. verbunden, wie denn überhaupt die Ausbreitung der E. seit dieser Zeit sehr schnell vor sich ging.
Auf dem europ. Festlande wurde die erste Lokomotivbahn und zugleich die erste Staatsbahn in Belgien von Brüssel nach Mecheln 1835 eröffnet. Am 7. Dez. 1835 wurde die erste Lokomotivbahn in Deutschland von Nürnberg nach Fürth dem Verkehr übergeben; es folgten in Sachsen 14. April 1837 die Strecke Leipzig-Althen der Leipzig-Dresdener Bahn, um deren Herstellung und Verwaltung sich Friedrich List (s. d.) und Gustav Harkort (s. d.) hervorragende Verdienste erwarben; 1. Dez. 1838 in Braunschweig die Bahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel (erste Staatsbahn Deutschlands), 22. Sept. 1838 in Preußen die Linie Zehlendorf-Potsdam. Österreich eröffnete seine erste Lokomotivbahn von Floridsdorf nach Wagram 17. Nov. 1837, Frankreich von Paris nach St. Germain 26. Aug. 1837.
Nachstehend (S. 859) sind die ersten E. in verschiedenen Ländern und Staaten zusammengestellt.
Außer der Erfindung der Lokomotive übte die Ausbildung des Signal Wesens und insbesondere die Anwendung der elektrischen Telegraphie einen großen Einfluß auf die Entwicklung der E. Auch auf diesem Gebiete ging Stephenson voran; er erkannte zuerst die Notwendigkeit von Signalen und führte solche ein. In Deutschland besah die Leipzig-Dresdener Eisenbahn 1838 das erste Signalbuch. Die Verwendung der elektrischen Telegraphie im Eisenbahnbetriebe ging Ende der dreißiger Jahre ebenfalls von England aus, wo Robert Stephenson, der Sohn des Erfinders der Lokomotive, den ersten elektrischen Signalapparat nach der soeben von Wheatstone und Coole erdachten Anordnung aufstellte. In Deutschland wurde erst 1843 die Elektricität in den Dienst der E. gestellt; der erste elektrische Klingelapparat fand auf der Taunusbahn Anwendung. (S. Eisenbahnsignale.)
III. Grundlagen des Eisenbahnwesens. I) In rechtlicher Beziehung. Je frühzeitiger die große Bedeutung der E. für das wirtschaftliche und Verkehrsleben der Voller in den einzelnen Län-^[folgende Seite]