Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

888
Eisenbahnsystem - Eisenbahntarife
deren Unternehmer nach Inbetriebnahme der Bah-
nen diese Ländereien bestens zu verwerten snchen,
ist besonders in den Vereinigten Staaten üblich.
Anderweitige Unterstützungen erhalten die Bau-
unternehmer, teilweise auch durch Gewährung zoll-
freier Einfuhr von Baumaterialien, Schienen, Loko-
motiven u.s.w.; oder der Staat unterstützt den Vahn-
bau durch Übernahme einer Zinsgarantie (Zins-
gewähr). Dieselbe wird entweder ohne jede, wenig-
stens unmittelbare Gegenleistung gegeben, oder es
wird die Rückerstattung der Minderertragszuschüsse
(mit oder ohne Verzugszinsen) aus spätern Rein-
erträgen verlangt. Im letztern Falle wird die Rück-
erstattung entweder in der Weise ausbedungen, daß
der ganze oder der grüßte Teil der später über den
gewährleisteten Ertrag oder über einen andern Rein-
ertrag sich erhöhenden Rente zu der Heimzahluug
der Zuschüsse, welche die Bedeutung einer unverzins-
lichen oder verzinslichen Anleibe haben, beansprucht
wird, oder der Staat bedingt sich bloß einen Anteil
an den zukünftigen Reinertragsüberschüssen aus.
Vielfach werden dergleichen Unterstützungen, ins-
besondere bei Nebenbahnen (s. d.), außer von dem
Staate auch von Gemeindeverbänden gewährt, so
z.B. in Preußen auch von den Provinzen, desgleichen
in Belgien. - Vgl. Groß, Die Staatssubvention
für Privatbahnen'Wien 1882); Micke, Das Sekun-
därbahnwesen in Preußen seit dem I. 1879, im
"Archiv für Eisenbahnwesen", 1884; Sonnenschein,
Die Organisation des belg. Nebenbahnwesens, im
"Archiv für Eisenbahnwesen", 1886; ders., Zur
Nebenbahnfrage in Österreich (Wien 1887).
Gisenbahnfystem, Inbegriff der Grundformen,
in denen sich das Eisenbahnwesen entwickelt hat.
In wirtschaftlicher und politischer Beziehung
versteht man darunter die Grundsätze, nach denen
das Eisenbahnnetz eines Landes hergestellt und eine
staatliche Mitwirkung bei dem Bau und Betriebe
eingetreten ist (Staatsbahn- und Privat-
bahnsystem, gemischtes Eisenbahnsystem;
s. Eisenbahnpolitik). In technischer Beziehung
bezeichnet man mit E. die verschiedenen Grund-
formen, die bei dem Bau und Betrieb von Eisen-
bahnen zur Anwendung kommen. Man unter-
scheidet das gewöhnliche und außergewöhn-
liche E. Zu ersterm gehören alle Eisenbahnen mit
eigenem Unterbau (s/Eisenbahnbau) und Lokomo-
tivbetrieb nach dem Adhäsionssystem, bei dem
der zur Fortbewegung der Züge erforderliche Rei-
bungswiderstand zwischen den Rädern der Lokomo-
tive und den Schienen lediglich durch den natür-
lichen Druck (Schwere) der Lokomotive auf die
Schienen gewonnen wird. Alle hiervon abweichen-
den Bau- und Betriebsarten der Eisenbahnen fallen
unter die außergewöhnlichen E., wie die Straßen-
bahnen (s. d.) ohne eigenen Unterbau, die Zahn-
radbahnen (s. Bergbahnen) mit besonderer Zahn-
schiene; die einschienigen Bahnen, bei denen
in der Mitte des Bahnkörpers erhöht auf bockartigem
Gerüst nur eine Fahrschiene angebracht ist (s. Ein-
schienenbahnen); die Seilbahnen mit stehender
Dampfmaschine oder Anwendung der Schwerkraft
für die Fortbewegung der Fahrzeuge (f. Bergbah-
nen, Drahtseilbahnen, Serlebenen und Seilbah-
nen), die Elektrischen Eisenbahnen (s. d.); die
Atmosphärischen Eisenbahnen (s. d.),
Wasserdruckeisenbahnen (s. Gleiteisenbahn),
Pferdeeisenbahnen, Transportablen
Eisenbahnen (s. d.) u. s. w.
Gisenbahntarife,dasVerzeichnisderfürdieNe-
nutzung der Eisenbahnen zu entrichtenden Gebühren.
Tarifsatz ist der Preis für die Beförderung selbst,
während man unter Nebengebühren die Entschä-
digung für besondere, nicht allgemeine, sondnn v^r
in gewissen Fällen vorkommende Nebcnleistungen der
Eisenbahn versteht. Hierzu gehören z. B. die Wiege-
Gebühren, Krangebühren, Desinfektionsgebühren,
Deckenmiete für die Überlassung von Wagend ecken
u. s. w. Der Personentarif enthält die Tarifsätze
(Fahrpreise) für die Beförderung der Personen,
der Gepäck tarif die Tarifsätze (Frachtsätze) für
die Beförderung des Reifegepäcks (f. auch Ex-
preßgut), der Gütertarif die Tarifsätze (Fracht-
sätze) für die Beförderung der Güter. Außerdem
giebt es noch befondere Tarife für die Beförderung
von Leichen, Fahrzeugen und V^eh. Die
Grundsätze, nach denen die E. gebildet werden,
beißen Tarifsystem, die Bedingungen für die
Anwendung des Tarifs Tarifvorschriften; die
äußere Anordnung des Tarifs heißt das Tarif-
schema. In den Stationstarifen finden sich die
Tarifsätze für jede in dem Tarif enthaltene Station
nach jeder andern in den Tarif aufgenommenen
Station ausgerechnet vor, in den Pcrsonentarifen
für eine Person, in den Gütertarifen für eine be-
stimmte Einheit, 100 oder 1000 K3, während in
den Entfernungs tarif en (Kilometer-
tarifen) zwei Verzeichnisse enthalten sind, das eine
mit den Entfernnngen der einzelnen Stationen unter-
einander, das andere mit den ausgerechneten Tarif-
sätzen für eine Perfon oder eine bestimmte Gütcr-
menge auf alle vorkommenden Entfernungen,
woraus sich dann die Kosten für die Beförderung
einer Person oder einer bestimmten Gütermenge
zwischen zwei Stationen leicht entnehmen und be-
rechnen lassen. Für große Stationen, z. B. Berlin,
werden vielfach fog. Tarifbücher aufgestellt,
welche die Frachtsätze für eine bestimmte Gütermenge
nach allen Stationen bereits ausgerechnet enthal-
ten, nach denen ein Verkehr mit der Station des
Stationsbuches stattfindet. Schnitt tarif wird
eine Form der Eisenbahngütertarife genannt, deren
wesentliches Merkmal darin besteht, daß die Fracht-
sätze nicht, wie im Stationstarif, von Station zu
Station in einem Betrage angegeben, sondern
in zwei Teilbeträge für die Strecke: a. von der
Versandstation bis zum Schnittpunkt, d. vom
Schnittpunkt bis zur Empfangsstation zerlegt sind.
Durch Zusammenrechnen beider Teilbeträge wird
der Frachtsatz gefunden. Der Schnittpunkt ist in
der Regel eine Unterwegsstation, in der die Eisen-
bahnlinien des vom Tarif umfaßten Verkehrsge-
bietes aus den verschiedenen Richtungen sich ver-
einigen; er kann aber auch ein nur angenommener
Punktsein (sog. imaginärer Schnitt). Sind die
Versand- und Empfangsgebiete durch eine Anzahl
mehr oder minder gleichlausender (paralleler), unter-
wegs nicht zusammentreffender Eisenbahnlinien mit-
einander verbunden, so kann dies die Annahme
mehrerer Schnittpunkte für dieselben Empfangs-
und Versandstationen erforderlich machen. Von den
über die einzelnen Schnittpunkte sich ergebenden
Frachtsätzen gilt dann der niedrigste. Angewendet
wird die Form der Schnitttarife hauptsächlich zur
Erleichterung und Vereinfachung der Tarifaufstel-
lung und znr Verminderung der Druckkosten. Mit
ihrer Hilfe können ohne erhebliche Schwierigkeiten
direkte Tarife auch zwischen Ländern mit verschie-