Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

905

Eisenbahnunfälle

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Eisenbahnunfälle'

Großes Aufsehen hat der Unfall bei Borki erregt, von dem der Kaiser von Rußland mit seiner Familie auf der Rückreise vom Kaukasus nach Petersburg (17. (29.) Okt. 1888) betroffen wurde. Fig. 1 (S. 904) zeigt die Anordnung des Zuges vor dem Unfall. Der Zug war mit zwei Lokomotiven bespannt, deren vorderste eine Güterzuglokomotive war; den Lokomotiven folgten 15 Wagen; die ganze Länge des Zuges betrug 300 m, sein Gewicht 454 t. Der kaiserl. Wagen wog allein 48 t, während z. B. die auf den preuß. Staatsbahnen eingeführten achträderigen Schlafwagen nur etwa 32 t, ein dreiachsiger Personenwagen erster und zweiter Klasse etwa 20 t und eine gewöhnliche Güterzuglokomotive (ohne Tender) etwa 33 t wiegen. Der Unfall ereignete sich auf freier Strecke in der Nähe der 43 km südlich von Charkow gelegenen Station Borki an der nach Rostow führenden Eisenbahn. Fig. 2 (S. 904) zeigt den Zug nach dem Unfall. Die erste Lokomotive war zum Teil, die zweite Lokomotive und der erste Wagen (Nr. 1) waren vollständig entgleist, indes nicht stark beschädigt. Die hierauf folgenden Wagen 2 bis 8 waren vollständig zertrümmert. Der Speisewagen (7), in dem zur Zeit des Unfalls der Kaiser und die Kaiserin mit nächster Umgebung beim Frühstück sahen, war aus den Schienen geworfen und lag mit eingedrückten Wänden und ohne Dach auf der Dammböschung, ebenso der Wagen der kaiserl. Kinder (8). Die letzten Wagen des Zuges waren im Gleis geblieben. Von der kaiserl. Familie wurde niemand verletzt. Die Ursache des Unglücks ist nicht sicher festgestellt worden.

In der nachstehenden Übersicht sind die beim Betriebe der deutschen und österreichisch-ungarischen Eisenbahnen in den J. 1886-90 vorgekommenen Unfälle und deren Folgen zusammengestellt.

Im Deutschen ReichIn Österreich-Ungarn
(Normalspurbahnen)(zum Verein deutscher Eisenbahn-
verwaltungen gehörende Bahnen)
189018911892189018911890
Mittlere Länge der im Betrieb befindlichen
   Bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .km41 63142 30242 84925 75126 29827 056
      Entgleisungen:
         auf freier Strecke1881411568512974
         auf Bahnhöfen und Haltestellen347349327228322274
      Zusammenstöße:
         auf freier Strecke344344292918
         auf Bahnhöfen und Haltestellen338293251113127120
      Sonstige Unfälle:
         auf freier Strecke617649620473446528
         auf Bahnhöfen und Haltestellen2 0942 3142 119510617667
      Ohne eigene Schuld bei gewöhnlichen Bahn-
         ereignissen wurden getötet:
               Reisende4826-1
               Bahnbedienstete1920101168
               Sonstige Personen10991-1
      verletzt:Reisende179811611243138
               Bahnbedienstete253193247160107101
               Sonstige Personen49363510129
      Infolge eigener Schuld oder Unvorsichtigkeit
         wurden getötet:
               Reisende423844161515
               Bahnbedienstete435417379135140103
               Sonstige Personen21620722494131114
      verletzt:Reisende577256476268
               Bahnbedienstete1 7581 9921 831419485421
               Sonstige Personen15617515697129135
      Durchschnittlich kommt ein getöteter Rei-
         sender auf Millionen zurückgelegter Per-
         sonenkilometer:244254256165290291
      Desgleichen ein verletzter auf Millionen
         zurückgelegte Personenkilometer487654214744
      Außerdem wurde bei Nebenbeschäftigung
         (Bahnunterhaltung, Bauarbeit,) Bahn-
         bedienstete getötet8567710
                            verletzt54761459483160125
      Durch Selbstmord (und Selbstmordversuch)
         wurden getötet187177149697284
                      verletzt17253310917

*) Bei "Sonstige Personen" sind auch die im Dienst befindlichen Post-, Steuer-, Telegraphen-, Polizei- u.s.w. Beamten aufgenommen.

Auf den deutschen Schmalspurbahnen, deren Länge in den J. 1890-92=1051, 1155 und 1269 km, betrug, ereigneten sich in diesen Jahren 53, 83 und 78 Unfälle, wobei 4, 10 und 7 Personen getötet und 33, 26 und 36 Personen verletzt wurden.