Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

4

Elektrolyt - Elektromagnetische Rotation

gekehrt werden. Salzsäuremoleküle, die aus einem positiven Wasserstoffe und einem negativen Chloratome bestehen und deren Moleküle für gewöhnlich in allen möglichen Richtungen durcheinander liegen, nehmen die Stellung

(+)ClH.ClH.ClH.ClH.ClH(-)

an. Die elektrische Anziehung der positiven Elektrode entreißt nun dem ihr nächsten Molekül das Chloratom, die negativen Elektrode dem ihr nächsten das Wasserstoffatom, sodaß für einen Augenblick zwischen den Elekroden folgende Anordnung der Atome besteht: (+)H.ClH.ClH.ClH.Cl(-). Das freie Wasserstoffatom verbindet sich nun mit dem Chloratom des nächsten Moleküls u. s. w., sodaß alsbald die Anordnung: (+)HCl.HCl.HCl.HCl(-) entsteht, worauf die neuen Moleküle wieder unter Drehung elektrisch orientiert werden:

(+)ClH.ClH.ClH.ClH(-)

und der Zersetzungsprozeß von neuem beginnen kann. So bewegen sich die negativen und die positiven Atome in entgegengesetzten Richtungen nach den ungleichnamigen Elektroden hin, indem sie immer wieder Salzsäuremoleküle miteinander bilden, von denen jedesmal nur die die Elektroden berührenden endgültig zersetzt werden.

Dieser Erklärungsweise aber widersprechen, wenigstens für die E. gelöster Stoffe, eine ganze Reihe von wichtigen Thatsachen, die zu einer wesentlich neuen Anschauung über die chem. Natur der Lösungen geführt haben. Nach ihr sind die Elektrolyte in der Lösung bereits in ihre freien Ionen zersetzt, welch letztere stark elektrisch geladen sind. Diese Zersetzung, die sog. elektrolytische Dissociation, ist um so vollständiger, je verdünnter die Lösung ist. Verdünnte wässerige Salzsäure z. B. enthält danach nicht mehr Moleküle HCl, sondern freie stark positiv elektrisch geladene Wasserstoffatome und freie stark negativ geladene Chloratome. Beim Durchleiten des galvanischen Stroms werden die erstern vom negativen, die letztern vom positiven Pol angezogen und wandern deshalb der betreffenden Elektrode zu. Sobald sie letztere berühren, verlieren sie durch Ausgleich ihre elektrische Ladung und gehen in den gewöhnlichen Zustand chem. Bindung über, d. h. sie werden als freie Moleküle abgeschieden. Mit dieser Vorstellung befindet sich unter andern namentlich die Thatsache der Vergrößerung der molekularen Leitfähigkeit mit steigender Verdünnung der Lösungen von Elektrolyten in Übereinstimmung.

Aus den vorstehenden Erörterungen folgt ohne weiteres, daß die durch E. in freiem Zustande abgeschiedenen Ionen, oder die Produkte sekundärer Vorgänge zwischen letztern und dem Lösungsmittel, ihren Mengen nach in Verhältnissen stehen müssen, die dem chem. Gesetze der einfachen multiplen Proportionen entsprechen. So entwickelt sich bei der E. des Chlorwasserstoffs auf 1 Gewichtsteil Wasserstoffgas 35,5 Gewichtsteile Chlor, bei der E. der wässerigen Schwefelsäure auf 16 Gewichtsteile Sauerstoff 2 Gewichtsteile Wasserstoffgas u. s. w., kurz die Ionen werden in äquivalenten Mengen frei.

Geht der Strom durch mehrere getrennte Elektrolyte hindurch, so werden sie alle zersetzt und die aus jedem entstehenden Ionen stehen untereinander ebenfalls im Verhältnis äquivalenter Mengen. Schaltet man z. B. in eine Stromleitung drei Zersetzungsapparate ein, deren erster wässerige Salzsäure, der zweite wässerige Schwefelsäure und der dritte Kupfervitriollösung enthält, so werden gleichzeitig

im 1. Apparat 71 Teile Chlor [Anion] und 2 Teile Wasserstoff [Kation]

" 2. " 16 " Sauerstoff 2 " "

" 3. " 16 " " 63,3 " Kupfer

abgeschieden, auf jedes Atom der zweiwertigen Elemente Kupfer und Sauerstoff daher zwei Atome der einwertigen Elemente Wasserstoff und Chlor.

Faraday, der diese quantitativen Beziehungen entdeckte, formulierte sein elektrolytisches Gesetz dahin, daß durch denselben galvanischen Strom äquivalente Mengen der Elektrolyte zersetzt werden und die Mengen der aus ihnen an beiden Elektroden abgeschiedenen Stoffe gleichfalls im Verhältnis ihrer Äquivalente stehen.

Die E. ist, hauptsächlich in neuester Zeit, vielfach praktisch verwendet worden. Eine der ältesten Anwendungen ist die zur Galvanoplastik sowie zur Versilberung und Vergoldung, denen später die galvanische Vernickelung und andere technische Methoden für die Herstellung metallischer Überzüge folgten. In neuerer Zeit hat auch die quantitative Analyse in der Abscheidung von Metallen aus ihren Salzlösungen Vorteil von der E. gezogen, ja letztere ist in sehr ausgedehnter Weise in der Metallurgie (s. Elektrometallurgie) eingeführt worden und hat endlich zu billigen Herstellungsmethoden einzelner Metalle geführt, die früher nur schwierig und mit großen Kosten aus an sich wertlosem Material gewonnen werden konnten, wie Aluminium (s. d.). Da bei dem oben beschriebenen Wasserzersetzungsapparat die Zersetzung um so rascher vor sich geht, je stärker der Strom ist, so kann man aus der in einer bestimmten Zeit entwickelten Gasmenge einen Schluß auf die Stromstärke machen, was in dem Voltameter (s. d.) praktisch verwertet ist.

Elektrolyt, s. Elektrolyse.

Elektrolytische Bilder, s. Elektrische Bilder.

Elektrolytische Dissociation, Elektrolytisches Gesetz von Faraday, s. Elektrolyse.

Elektromagnet, s. Elektromagnetismus (S. 6 a).

Elektromagnetische Maschine, ältere, heute kaum noch gebrauchte Bezeichnung für die durch Strom betriebene elektrische Kraftmaschine, den Elektromotor (s. d.).

Elektromagnetischer Hammer, soviel wie Wagnerscher Hammer (s. d.).

Elektromagnetische Rotation. Der Nordpol eines frei beweglichen Magneten wird unter dem Einflüsse eines elektrischen Stroms stets zur Linken des Ampèreschen Schwimmers abgelenkt (s. Elektromagnetismus, S. 5 b). Denkt man sich nun, daß der Schwimmer immer wieder sein Gesicht dem frei beweglich angenommenen Nordpol zuwendet, so sieht man leicht, daß jener Nordpol, wenn derselbe allein vorhanden wäre, den Stromleiter nach links umkreisen würde. Der Südpol hat das entgegengesetzte gleichgroße Streben; daher kommt es unter gewöhnlichen Umständen zu keiner Umkreisung. Läßt man aber (nach Faraday, 1821) den elektrischen Strom nur auf einen Pol oder auf die eine Hälfte eines beweglichen elektrischen Magnetstäbchens so wirken, daß der unbewegliche Stromleiter der magnetischen Achse parallel gerichtet ist, oder wirkt mindestens ein elektrischer Strom auf die eine Nadelhälfte um vieles bedeutender als auf die andere, so treten in der That jene Umkreisungen ein. Aus demselben