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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Elsaß
der letztern und der Handwerker). Mit dem staat-
lichen Ansehen und dem wirtschaftlichen Gedeihen
entfaltete sich das geistige Leben zu steigender Be-
deutung. Dasselbe hatte im E. in den Klöstern
(Otfried, Herrad von Landsberg) frühe Pflege ge-
funden; unter den Hohenstaufen war, durch ritter-
liche Sangeshelden (Heinrich der Glichezare, Nein-
mar von Hagenau, Gottfried von Straßburg), das
Land in seiner geistigen Vermittlerrolle zwischen
West und Ost zum erstenmal zu weitwirkender Be-
deutung emporgewachsen. Schon im 13. Jahrh,
war die Geschichtschreibung vielfach gepflegt wor-
den; 1390 entstand in Straftburg die erste ober-
deutsche Weltchronik'in ungebundener Sprache (Jak.
Twinger von Königshöfen). Der mittelalterliche
Mysticismus fand hier eine bedeutungsvolle Ver-
tretung (Meister Eckart, Joh. Tauler, Rulman
Merswin). Auch die kirchliche Baukunst gelangte
zu hoher Blüte, wofür eine bemerkenswerte Anzahl
roman. und got. Bauten sprechen, wie das Münster
in Straßburg.
Im 14. Jahrh, erhob Engucrrand von Coucy, Graf
von Soissons, ein Enkel des Herzogs Leopold von
Österreich und Schwiegersohn des Königs Eduard
von England, Erbansprüche auf die Habsburg. Be-
sitzungen im E. und führte die Söldnerscharen, welche
im engl.-franz. Kriege thätig gewesen waren, die sog.
"Engländer", 1365 nach dem E. Mit Kaiser- und
Reichshilfe wurden diese verjagt. 1375 wiederholte
Enguerrand seinen Einfall ander Spitze neuer Streit-
kräfte, die plündernd das Land durchzogen und erst
in der Schweiz zum Rückzug gezwungen wurden.
Von größerer Tragweite waren die Einfälle der Ar-
magnaken. 1439 kamen sie zum erstenmal, plünder-
ten und brandschatzten das Land, ohne nennenswer-
ten Widerstand zu finden. Nach ihrem, einer Nieder-
lage gleichen Sieg bei St. Jakob (1444) setzten sie
sich im E. fest, dessen Adel im Oberclsaß ihnen viel-
fach die Burgen öffnete. Die Absicht des Dauphins,
das Land zu zwingen, sich unter den Schutz Frank-
reichs zu stellen, scheiterte an dem bewaffneten Wider-
stand der Städte, am Mangel an Unterhalt der
Truppen und Unbotmüßigkeit derselben, so daß er
1445 das Land räumte. 1469 verpfändete Herzog
Sigismund von Tirol die vorderösterr. Lande,
darunter die Landgrafschaft im obern E., an den
Herzog Karl den Kühnen von Burgund, mit Wissen
des Kaisers Friedrich III., dem sich in: Hinblick auf
die Heirat seines Sohnes Maximilian mit der Toch-
ter des Vurgunderherzogs die Aussicht eröffnete,
das Gebiet einst durch Erbschaft seinem Hause
wieder zufallen zu sehen. Das gewaltsame Vor-
gehen Karls des Kühnen gegen die elsässischen reichs-
städtischen Gemeinwesen (zuerst Mülhausen) war
erfolglos. Thatkräftiges Zusammenwirken dersel-
ben, die an andern Städten in Schwaben und der
Schweiz Rückhalt fanden, bewirkte endlich die Be-
freiung von der burgund. Herrschaft, deren Sturz
durch die Schlachten von Granson, Murten und
Nanzig besiegelt wurde, in denen reichsstädtische
Bürger des E. sich hervorthaten.
Mit der Ausbreitung des Humanismus erwachte
reges Geistesleben. In Schule, Kirche, Lehrdichtung
trat dasselbe bedeutungsvoll zu Tage (Wimpfeling,
Geiler, Vrant, ferner Murner, Pauli u. a.). In
Straßburg hatte Gutenberg die erste Buchdrucker-
presse gebaut. Die bildende Kunst fand ausgezeich-
nete Vertretung (Martin Schongauer). Die Mäßi-
gung und Besonnenheit, welche die Väter des elsäss.
Humanismus kennzeichnen, machten sich auch iü
der folgenden kirchlichen Umwälzung vorherrschend
geltend. Mit Ausnahme des bischöflich strahbur-
gifchen Gebietes und der österr. Besitzungen fand
die neue Lehre im Lande sehr bald Eingang. Der
Bauernkrieg nahm im E., von wo der Aufstand des
"Bundschuh') seinen Ausgang genommen hatte, mit
den Niederlagen, welche die Bauern durch den Her-
zog Anton von Lothringen (1525) bei Zabern, Scher^
Weiler und Kestenholz erlitten, ein blutiges Ende.
Das Vorgehen im Lande gegen die neue Lehre,
welches namentlich in dem Habsburg. Gebiete ins
Werk gesetzt wurde, die Beschlüsse der Reichstage
von 1529 und 1530 vermochten ihrem Umsichgreifen,
namentlich in den Reichsstädten, keinen Einhalt zu
thun. Allen voran an weiser Umsicht (unter der Lei-
tung des Stettmeisters Jak. Sturm von Sturmeck)
stand Straßburg, wo Matth. Zell, Wolfgang Ca-
pito, Kaspar Hedio, Märt. Vucer als Verkünder
der neuen Lehre thätig waren und auch das Schul-
wesen bedeutungsvolle und weittragende Umge-
staltung erfuhr. Der Meistergesang gelangte auch
im E. zu größter Blüte; auf dem Gebiete des Schrift-
tums wirkten Georg Wickram u. a., als hervor-
ragendste Erscheinung Joh. Fischart. Der Versuch
Heinrichs II. von Frankreich, im I. 1552 auf sei-
nem Kriegszuge, der ihm die deutschen Bistümer
Metz, Toul und Verdun eintrug, auch Straßburg
zu gewinnen, scheiterte an der Festigkeit der Stadt,
die' sich weder Versprechungen noch Drohungen zu-
gänglich erwies. Der infolge der zwiespältigen
Straßburger Vischofswahl 1592 ausgedrochene
"bischöfl. Krieg" wurde im Vertrag von Hagenau
1604 zu Gunsten des katholischerseits Gewählten
beendigt. Erst der Dreißigjährige Krieg sollte den
Wohlstand des Landes vernichten. 1617 waren die
Ansprüche des Hauses Habsburg auf dessen Besitz
im E. an die span. Linie abgetreten worden, ein
Umstand, der dem Vorgehen Frankreichs bei der
Bevölkerung in der Folge Vorschub leisten muhte.
1621 rückte der Graf von Mansfeld ins E. ein, das
während des schwed. Abschnittes des Krieges ein
Teil des Hauptschauplatzes desselben war, bis Bern-
hard von Weimar es in die Hände Frankreichs
brachte. Der Westfälische Friede bestätigte diesen
Zustand. Die österr. Besitzungen mit der Vogtei
über die zehn Reichsstädte kamen an Frankreich.
Die Rechte der Neichsstände (unter ihnen Bischof
und Kapitel von Straßburg, die Herzöge von Würt-
temberg, die Grafen von Hanau-Lichtenberg, Lei-
ningen und Salm, die Neichsritterschaft und die
Reichsstädte) und ihr Verhältnis zum Reich wurden
zwar ausdrücklich anerkannt, doch erfuhren franzö-
sischerseits (durch die Munionskammern) die Be-
stimmungen des Westfälischen Friedens eine der-
artige Deutung, daß sich die Oberhoheit der Krone
Frankreich auch auf die Neichsstände ausdehnte.
Straßburg erkannte bald die Unausbleiblichkeit
einer Anerkennung der Schutzherrschaft Frank-
reichs und öffnete 1681 Ludwig XIV. die Thore.
Das E. gehörte (als ?i-oviiic6 ä^is^es) zum
"I2ti'3.iiß6r 6Ü"6etil" Frankreichs, das von diesem
durch Zollschranken getrennt war. Wie durch diesen
Umstand die Handelsbeziehungen, blieben anch die
Verbindungen mit Deutschland auf geistigem Ge-
biete fortgesetzt rege. Dafür sprechen u. a. PH. Jak.
Spener, der Begründer des Pietismus, der (im
17. Jahrh.) vom E. seinen Ausgang nahm, im
Schrifttum im 17. Jahrh. I. M. Moscherosch und Jak,