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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Enterdreggen - Entern
welcher Vorfahren (Ascendenten) oder Abkömmlinge
bat, nur über einen gewissen Bruchteil seines Ver-
mögens letztwillig zu verfügen, nämlich über die
Hälfte, ein Drittel oder ein Viertel, je nachdem ein,
zwei oder mehrere Kinder oder erbfolgeberechtigte
Stämme vorhanden sind, über die Hälfte oder drei
Viertel, je nachdem Vorfahren von der väterlichen
und der mütterlichen Seite oder nur von einer Seite
vorhanden sind. Angeblich ist die E. deshalb nicht
aufgenommen, weil sie eine Lieblosigkeit gegen die
Abkömmlinge des Enterbten, welche dem Erblasser
gleichfalls teuer sein müftten, enthielt.
Die E. des röm. Rechts fand in Deutschland Ein-
gang, sobald letztwillige Verfügungen zugelassen
wurden. Nach dem Gemeinen Rechte muß der auf die !
E. gerichtete Wille im Testamente bestimmt ausge-
sprochen sein; im Erbvertrage kann nach der herr-
schenden Meinung die Erklärung nicht wirksam erfol-
gen. Einige Rechte, z. V. das hamburgische Recht,
gestatten die E. auch in testamentarisch bestätigten
Kodizillen. Der Erblasser muß deu Grund angeben;
die Wahrheit der Angabe ist von dem Erben zu be-
weisen. Für das Gemeine Recht werden in der
Novelle 115 vierzehn oder acht Enterbungsgründe,
je nachdem es sich um Abkömmlinge oder Vorfahren
handelt, angegeben (z. B. Lcbensnachstellung, Ver-
lunderung des Erblassers an der Errichtung eines
Testaments, unerlaubter Umgang mit der Stief-
mutter oder mit der Ehefrau des Sohnes, unsitt- !
licher Lebenswandel der Tochter). Für mehrere
derselben ist die fortdauernde Geltung streitig',
einige gehören zweifellos nicht mehr den: gelten-
den Rechte an. Eine entsprechende Anwendung
wird nicht anerkannt, wohl aber in ältern Rechten,
vgl. z. B. Bayrisches Landr. Ill, 3,8.10: Württcmb.
Landr. III, 17, ß. 1'.), u. a. Nach der herrschenden
Meinung verliert der Entcrbungsgrund seine Kraft
durch Verzeihung seitens des Verletzten, mag die
Verzeihung vor oder nach Errichtung der letztwil-
ligen Verfügnng erfolgt sein. - Das Sachs. Bürgert.
Gesetzbuch kennt nur drei Entcrbungsgründe, gegen-
über Abkömmlingen noch zwei weitere Gründe
l§§. 2575,2576), fügt aber auch Enterbungsgründe
gegenüber dem Ehegatten hinzu (§. 2582). Die
Regelung der §S. 2595 - 2601 ist im wesentlichen
die gleiche wie im Gemeinen Rechte; jedoch ist über
die Verzeihung nichts bestimmt. Zulässig ist die E.
nur in einem Letzten Willen <§. 2595). - DasPreusi.
Allg. Landr. II, 2, §ß. 399-418, 505-555 kennt
gegenüber Abkömmlingen neun, gegenüber den Vor-
fahren sieben Enterbungsgründe. Gegenüber dein
Ehegatten ist in II, 1, U. 499, 632 dle E. nur zu-
gelassen wegen solcher Verschuldungen, die den Erb-
lasser berechtigt haben würden, auf Scheidung an-
zutragen. Erfordert wird Erklärung in einem w ir t -
lichen Testamente, wenn die sonstigen Voraus-
setzungen vorliegen in erleichterter Form, aber nicht
in einer sog. Verfügung der Eltern uuter Kindern.
Die E. wird nur beseitigt dnrch Widerruf des
Testaments oder deutliche Erklärung des Willens,
die E. wieder aufzuheben; für dieselbe ist wenigstens
eine von dem Erblasser eigenhändig geschriebene
und unterschriebene Urkunde erforderlich (§.415);
die blofte Versöhnung soll nicht genügen (II, 2,
414 fg.). - Das Österr. Bürgert. Gesetzb. §§. 768
-772 zählt nur vier Enterbungsgründe gegenüber
Abkömmlingen und Vorfahren auf, verweist aber
zugleich auf die Erbunwürdigkeitsgründe als Ent-
erbungsgründe. Die E. wird nur durch einen aus-
drücklichen, in der gesetzlichen Form erklärten Wider-
rnf aufgehoben. Der Enterbuugsgrund muß nickt
notwendig besonders angegeben werden. Die E.
kann sogar außerhalb des Testaments erfolgen.
Neben der einfachen E. kennen das Gemeine
Recht und die im wesentlichen auf gleicher Grund-
lage ruhenden Rechte eine E. in guter Ab-
sicht (oxiiei'öäatio donk ment6 t^cta.). Verstanden
wird darunter die E. in wohlmeinender Absicht und
im wohlverstandenen Interesse des Noterben oder
Pflichtteilsberechtigten oder seiner Familie, z. B.
im Falle der überschuldung desselben oder eines
Hanges zur Verschweuduug; einem solchen Noterben
müssen die zu dem Lebensunterhalte erforderlichen
Einkünfte des Pflichtteils belassen werden. Da5
Bayrische Landr. III, 3, §. 16 hat sie ausdrücklich auf-
gehoben, "weil die Eltern ihren Kindern auf andere
Art wohl vorzusehen im Stande seindv. - Ta5
Sächs. Bürgert. Gesetzbuch folgt im §. 2577 dem
Gemeinen Rechte. Voraussetzung ist unordentliche
oder verschwenderische Lebensart oder Belastung
mit Schulden. Znlässig ist, selbst wenn nur der
Pflichtteil hinterlassen wird, Entziehung der Ver-
fügung unter Lebenden über den Bestand des
Pflichtteils, unbeschadet des Rechts der Gläubiger,
den Pflichtteil zum Zwecke der Befriedigung in An-
spruch zu nehmen. - Das Preuß. Allg. Landr. II, 2,
§§. 419 fg. regelt eingehender; Voraussetzung ist
ein näher bezeichneter Schuldenzustand, unordent-
liche oder verschwenderische Wirtschaft, endlich
Wahnsinn oder Blödsinn des Pflichtteilsbereck-
tigten. Dem Kinde kann nicht nur die Verfügung,
unter Lebenden entzogen, sondern es kann auch ver-
ordnet werden, daß die Gläubiger an die Substanz,
sich nicht halten sollen; der Nießbrauch des Pflicht-
teils kann nicht entzogen werden. Diese Vorschrif-
ten sind nach ß. 515, II, 2 auch auf die Vorfahren
entsprechend anzuwenden. - Das Österr. Bürgert.
Gesetzb. §. 773 gestattet gegenüber allen Noterben
die E. in gnter Absicht, wenn bei dem sehr verschul-
deten oder verschwenderischen Noterben die wahr-
scheinliche Besorgnis obwaltet, der Pflichtteil werde
ganz oder zum größten Teit den Kindern entgehen,
jedoch nur dergestalt, daß der Pflichtteil den Kin-
dern zugewendet wird. Die Wirkungen einer nicht
gerechtfertigten E. oder einer E., deren Grund nicht
zu erweisen ist, sind die gleichen, wie wenn ein
Pflichtteil nicht oder nicht ausreichend gewährt ist.
(S. Pflichtteil.)
Enterdreggen, soviel wie Enterhaken (s. d.).
Enterhaken oder Enterdreggen, leichte,
fünf- bis sechsarmige, an Ketten oder Tauen be-
festigte Anker, die beim Entern in die Takelung des
feindlichen Schiffs geworfen werden, um es festzu-
halten (s. Entern).
Enterich, die männliche Ente.
Enteritis (grch.), Darmentzündung (s. d.).
Gttterlooper, veralteter niederländ. Ausdruck
für ein Schleichhündlersahrzcug.
Gntermesser, frühere Bezeichnung der Seiten-
gewehre der Matrosen, mit jataganartiger Klinge
und großem Korb, die namentlich beim Entern ts. d.)
Verwendung fanden. Nur in wenigen Marinen, so
in England, sind sie noch jetzt in Gebrauch.
Entern, ein fremdes, wahrscheinlich aus dem
ital. 6nti-ki'6 (d. h. eindringen) gebildetes Wort; es
bedeutet ein feindliches Schiff durch Angriff mit der
blanken Waffe erstürmen. Das E. kann ausgefübrt
werden, indem man mit dem eigenen Schiffe längs-