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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Erbschaftsklage - Erbschaftssteuer
len, die Erbschaftslasten zu übernehmen, sodaß
zwischen den Vertragschließenden dasselbe Resultat
herbeizuführen ist, wie wenn der Käufer Erbe ge-
worden wäre. Doch haftet der Erbschaftsverkäufer
für die EntWährung (s. d.) einzelner Erbschafts-
sachen nicht, wenn er in dieser Beziehung keine
Garantie übernommen hat. Dagegen hat er für
den Bestand des Erbrechts einzustehen, auf dessen
Grund er veräußert hat. Die Erbschaftsgläubiger
verlieren ihre Rechte gegen den Verkäufer nicht, sie
können sich aber auch unmittelbar an den Erb-
schaftskäufer halten, welcher mit dem E. die Erb-
schaftsfchulden übernommen hat. Die Erbschafts-
klage (s. d.) gegen dritte Personen und die Klagen
gegen den Miterben stehen dem Käufer nach Ge-
meinem Necht und nach dem Sächs. Bürgert. Ge-
setzb. ß. 2379 ohne weiteres zu; nach dem Teut-
schen Entwurf §. 490, wenn sie ilnn abgetreten sind.
Nach Preuß. Mg. Landr. I, 11, §ß. 445 fg. hat der
E. die Bedeutung, daß das Erbrecht und in dem-
selben alle zur Erbfchaft gehörigen Rechte unmittel-
bar auf den Erben übergehen; doch bleibt den Gläu-
bigern und Vermächtnisnehmern auch hier der Ver-
käufer neben dem Käufer verhaftet. Eine bcfondere
Form ist für den E. in den Gesetzen nicht vorgeschrie-
ben, vielmehr sind die allgemeinen landesgesetzlichen
Vorschriften über die Form der Verträge maßgebend.
Grbschaftsklage (lat. Ii6reäitHti8 Mitio). Da
der Erbe alle die Rechte, welche zum Vermögen des
Erblassers gehören, so hat, wie sie der Erblasser hatte,
kann er Klagen aus solchen Rechten so anstellen, wie
sie der Erblasser hätte erheben können, z. B. dachen,
welche sich im Besitz dritter Personen befinden, aber
dem Erblasser gehörten, von diesen mit der Eigen-
tumsklage (Vindikation) abfordern, die Kaufklage
auf Leistung der dem ErblaMr verkauften, aber
nicht gelieferten Ware erheben. Das sind die sog.
erbschaftlichen Singularklagen. Behauptet aber der
dritte Besitzer von Erbschaftsfachen oder der Besitzer
des ganzen Nachlasses, selbst Erbe zu sein oder be-
sitzt er ohne Titel, so kann der Erbe auch gegen ihn
die E. auf Herausgabe alles dessen erheben, was
er vom Nachlaß innehat, wenn dies auch nur eine
einzelne Sache ist, auch auf Zahlung einer Schuld,
wenn der Beklagte behauptet, von Zablung der-
selben dadurch befreit zu sein, daß er selbst der Erbe
des Gläubigers ist. Die E. hat die Natur einer
dinglichen Klage (s. ^ctio), weil sie gegen jeden
dritten^Vesitzer geht, welcher so wie angegeben be-
sitzt, (^ie ist der Vindikation (s. Eigentumsklage)
verwaudt, geht auch wie diese gegen den sog. ücwz
1)03868801'. Eine negatorische E. hat das Recht nicht
ausgebildet. Nach röm. Recht konnte der Beklagte,
welcher Erbe zu sein behauptete, fordern, daß er nur
mit der E., nicht mit der erbschaftlicken Singular-
tlage belangt würde (us pi'^^näicium Ii6i'6äit^ti
t^lU). Diese Einrede wurde auch im heutigen Ge-
nieinen Rocht zugelassen. Das Reichsgericht hat
aber ausgesprochen, daß sie, seit die Civilprozeß-
ordnung gilt, soweit nicht mehr gilt, als die E. im
konkreten Fall nicht die Haftung des Beklagten ein-
schränkt. (Vgl. Bolze, Praxis des Reichsgerichts
in Civilsachen, Bd. 1, Nr. 1353 ä, 1600.) Jeden-
falls kann die Singularklage event, mit der E. ver-
bunden werden. Die E. kann auch dcr erheben,
welcher loco kercxlis ist, also dem Erbschaftsver-
mächtnisnehmer (s. Erbschaftsvermächtnis). Die
Klage erstreckt sich auch auf dasjenige, was an die
Stelle von Nachlaßgegenständen getreten ist. Be-
schränkter als bei der Eigentumsklage (Vindikation)
ist die Haftung des gutgläubigen Erbschaftsbesitzers,
ausgedehnter als dort ist sein Anspruch auf den
Ersatz von Verwendungen. In dem Rechtsstreite
liegt dem Beklagten ob, wenn Kläger sein Erbreckt
darthut und feststeht, daß der Beklagte in den Be-
sitz des Nachlasses gekommen ist, ein Nachlaßver-
zeichnis aufzustellen und dasselbe durch einen Offen-
barungseid zu bekräftigen.
Das Sächs. Vürgerl. Gesetzbuch hat im Anschluß
an das Gemeine Recht in den §§. 2291-2323 ein-
gehende Vorschriften über die E. und Klagen auf
einzelne Erbsckaftsgegenstä'ndc aufgenommen. Das
Preuß. Allg. Landrecht fowie der (^oäe civil haben
sich völlig der Regelung enthalten. - Das Osterr.
Bürgert. Gesetzbuch beschränkt sich darauf, in den
zz. 823, 824 die Zulässigkeit der Klage auszu-
sprechen und in Ansehung der bezogenen Früchte
und der Verwendungen auf die Grundsätze der^
Eigentumsklage zu verweisen. - Der Deutscke Ent-
wurf giebt die E. gegen den, welcher auf Grund
eines von ibm in Änspruck genommenen Erbrechts
einen Erbschaftsgegenstand vorenthält (ß. 2080),
regelt die Haftung des Erbschaftsbesitzers in einer
der Tbatsache, daß er eine Masse besitzt, entsprechen-
den Weise (§§. 2082, 2084), läßt ihn, wenn er mit
Eingularklagen belangt wird, nur nach Maßgabe
der E. basten (§. 2088) und giebt eine der E. analoge
Klage einer für tot erklärten oder für tot erachteten
Perfon, wenn sie thatsächlich noch lebt (§. 2089).
Erbschaftssteuer, eine allgemeine Vermögens-
steuer, die nicht regelmäßig periodisch, sondern nur
dann erhoben wird, wenn ein Vermögen wegen
des Todes seines Besitzers in andere Hände über-
geht. Man unterscheidet die Erbschaftsgebüh-
ren, welche die mittels Stempel oder in anderer
Form erhobene Vergütung für die staatliche Mit-
wirkung bei der Nachlaßregulicrung darstellen, und
die eigentliche E., die von einigen auf eine Art von
Mitcrdcrecht de5 Staates zurückgeführt, von andern
aber nur als eine den allgemeinen finanzwirtfchaft-
licken Principien entsprechende Besteuerung eines
außerordentlichen, unverdienten Vermögenszuwach-
ses angesehen wird. Von socialistischer Seite ist
man über den erstern Standpunkt noch weit hin-
ausgegangen, indem man unter dem Namen einer
E. eine allgemeine Konfiskation des Privatver-
mögens durchführen wollte. Abgesehen von solchen
ertremen Anschauungen ist es ohne Zweifel den
finanMiffenschaftlichen Grundfätzen angemessen,
daß die E. mit der Entfernung der Verwandtfchaft
der Erbenden einen steigenden Prozentsatz des über-
gehenden Vermögens bilde, der sein Marimum bei
dem Erblasser gar nicht verwandten Erben erreicht.
Vermächtnisse und Schenkungen von Todes wegen
sind natürlick ebenfalls entfprcchend zu behandeln.
Hn den deutfchen Staaten bestehen mit Ausnahme
Elsaß-Lothringens uur unvollständige E., nämlich
solche, welche die Erbfolge in direkter Linie frei lassen
und nur Seitenvcrwandte oder NichtVerwandte tref-
fen. In Preußen wurde im Winter 1890 feitens der
Regierung eine Neuregelung der E. vorgeschlagen,
wobei auch Ehegatten und Kinder zur E. heran-
gezogen werden sollten. Der Versuch ist indes nicht
gelungen; vielmehr gelangten nur die gleichzeitig
vorgeschlagenen technischen Verbesserungen des Ge-
setzes vom 30. Mai 1873 zur Annabme (Gesetz vom
19. Mai 1891). Die zur Zeit in Deutschland gel-
tenden Erbschaftssteuersätze (ProzentevomWerte des