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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Erwürgen – Erysipeloid

keit erlangte Recht der Selbständigkeit. Es giebt auch politische E. R., wie die einer Familie zustehende Landstandschaft. Der Rechtswissenschaft ist es noch nicht gelungen, ein in allen Fällen zutreffendes charakteristisches Merkmal aufzustellen, an welchem sich erkennen läßt, ob ein Recht wohlerworben oder ob es ein bloß auf dem Gesetz, solange dasselbe gilt, beruhendes ist. Es ist nicht richtig, daß E. R. nur die seien, welche auf einem besondern Titel beruhen, wie das Eigentum, wenn es z. B. mittels Kauf und Übergabe erworben ist. Denn die gesetzlichen Hypotheken der Ehefrauen am Vermögen ihrer Ehemänner waren wohlerworbene Rechte. Es ist auch nicht richtig, daß die Rechte, welche das Gesetz ganzen Klassen von Unterthanen einräumt, keine wohlerworbenen seien. Wenn heute die Gesetzgebung das gesetzliche Alter der Volljährigkeit vom 21. auf das 25. Lebensjahr verlegte, so würden die ganzen Klassen von Menschen, welche bereits das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr erreicht haben, nicht wieder unter Vormundschaft treten. Wenn freilich in einem Lande, in welchem bisher die Soldaten geworben sind, das Aushebungssystem eingeführt wird, so müssen die nach dem neuen Gesetze militärpflichtigen Leute sofort eintreten. Übrigens ist die Schranke, welche der Gesetzgebung durch bestehende wohlerworbene Rechte gezogen ist, keine absolute. Wo sich Rechtsinstitute bei fortschreitender Kultur überlebt haben, hat noch niemals die Gesetzgebung Anstand genommen, unter Aufhebung solcher Rechte neue Gestaltungen einzuführen. So haben die neuern konstitutionellen Verfassungen mit alten landständischen Rechten gebrochen, und die Patrimonialgerichtsbarkeit ist vor der Neugestaltung des gerichtlichen Verfahrens gefallen. Das darf aber nicht übertrieben werden. Nichts erschüttert den Rechtssinn im Volke und die Achtung vor dem Gesetze so stark, als wenn der Gesetzgeber selbst keine Achtung vor den wohlerworbenen Rechten zeigt. Darum sollte, wo es angeht, nur mit schonender Hand an die Umformung bestehender Zustände gegangen werden, Vermögensrechte sollten nur gegen Entschädigung aufgehoben werden. Das berühmteste Beispiel einer derartigen Entschädigung bietet die engl. Sklavenemancipation (s. Sklaverei), welche nicht anders erfolgte, als daß die Eigentümer der für frei erklärten Sklaven vom Staat entschädigt wurden.

Erwürgen, s. Erdrosselung.

Erxl., bei naturwissenschaftlichen Namen Abkürzung für Joh. Christian Erxleben (s. d.).

Erxleben, Dorf im Kreis Neuhaldensleben des preuß. Reg.-Bez. Magdeburg, an der Nebenbahn Neuhaldensleben-Eilsleben (Station E.-Ubrsleben), hat (1890) 1700 E., Post, Telegraph, Amtsgericht (Landgericht Magdeburg); Molkerei, Dampfmühle.

Erxleben, Joh. Christian, Mediziner und Naturforscher, geb. 22. Juni 1744 zu Quedlinburg als Sohn von Dorothea Christine E., geborener Leporin (geb. 13. Nov. 1715 in Quedlinburg, gest. 13. Juni 1762), der ersten Frau in Deutschland, welche die mediz. Doktorwürde erlangte. E. studierte in Göttinqen zuerst Medizin, dann ausschließlich Naturwissenschaften und wurde 1771 außerord., 1775 ord. Professor der Physik in Göttingen, wo er 19. Aug. 1777 starb. E. schrieb: «Anfangsgründe der Naturgeschichte» (Gött. 1767; 4. Aufl. 1791), «Anfangsgründe der Naturlehre» (ebd. 1772; 8. Aufl. 1794), «Physik.-chymische Abhandlungen» (Lpz. 1776), «Systema regna animalis» (ebd. 1777).

Erycĭdae, s. Sandschlangen.

Erycīna (Erykine), Beiname der Aphrodite nach dem Tempel auf dem Berge Eryx (s. d.). Bei den Römern wurde der E. in Rom 216 v. Chr. ein Tempel auf dem Kapitol und 181 v. Chr. ein zweiter vor dem Collinischen Thor auf dem Quirinal geweiht.

Erymanthischer Eber, s. Herakles.

Erymanthos, im Altertum Name des jetzt Olonos genannten westlichsten der nordarkad. Hochgebirge (2224 m), eines wilden Waldgebirges auf der Grenze von Arkadien, Elis und Achaia, in welchem der Sage nach Herakles den dort hausenden Erymanthischen Eber erlegte.

Eryngĭum L., Pflanzengattung aus der Familie der Umbelliferen (s. d.) mit zahlreichen, über einen großen Teil der Erde verbreiteten Arten, meist dornigen, distelförmigen, kahlen Kräutern mit aufrechtem, ästigem, wenig beblättertem Stengel und langgestielten Wurzelblättern. Die kleinen Blüten sind in halbkugelige, von dornigen langen Hüllblättern umringte Köpfchen gestellt. Die verbreitetste Art in Europa ist E. campestre L., Mannstreu oder Brachdistel, eine in Deutschland häufige, ausdauernde Pflanze von hell graugrüner Farbe. Ihre lederartigen, starren Blätter sind dreizählig, zerschnitten, die Blüten weiß oder grünlich. Ihre Wurzel war früher offizinell. Eine sehr schöne Pflanze ist das auf den Dünen am Strande der Ost- und Nordsee und auch des Mittelländischen Meers wachsende E. maritimum L., die blaue Meerwurz, deren fleischige Frühjahrsschossen wie Spargel genossen werden können. Stengel und Blätter sind blaugrün, die Blüten und die breit-eiförmigen, gelappten, dornigen Hüllblätter schön blau. Einige Arten haben ganz azurblau angelaufene Stengel, Äste, Deckblätter und Blüten, z. B. E. amethystinum L. aus Südeuropa, nicht selten als Zierpflanze kultiviert.

Erysíchthon, der Sohn des Triopas, Königs von Thessalien. Er wurde nach der griech. Sage dafür, daß er in einem der Demeter heiligen Haine zu Dotion Bäume umhieb, von dieser mit einem nie zu stillenden Hunger gepeinigt. Nach späterer Sage verkaufte er seine Tochter Hypermnestra, Mnestra oder Mestra, um von dem Kaufpreis sich zu sättigen. Diese hatte aber von Poseidon die Gabe erhalten, sich in verschiedene Gestalten zu verwandeln, und kehrte so immer wieder zu ihrem Vater zurück. Zuletzt aber zehrte sich dieser dennoch selbst auf.

Erysipēl oder Erysipelas (grch.), Rose, Rotlauf, wandernde Haut- oder Zellgewebsentzündung (s. Rose); erysipelatös, rosen- oder rotlaufartig, von der Rose befallen.

Erysipeloīd, zoonotisches, eine sich langsam ausbreitende entzündliche, schmerzhafte Röte an den Händen von Personen, die mit toten Tierstoffen zu thun haben, z. B. Wildhändler, Fischhändler, Köchinnen, Fleischer, Restaurateure, Gerber, Austernöffner, Verkäufer von Käse und Heringen u. s. w. Das E. ist eine ungefährliche Wundkrankheit; sie entsteht durch Einimpfung einer bestimmten Bakterienform im Anschluß an meist leichte Verletzungen. Die Krankheit ist bei unzweckmäßiger Behandlung zuweilen recht hartnäckig, von drei- bis sechswöchiger Dauer. Fieber ist gewöhnlich nicht vorhanden. Die beste Behandlung besteht in Einspritzung von 3prozentiger Carbolsäure in die entzündeten Hautstellen und ihre Umgebung.