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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Essigfabrikation
Der Apparat der Weinessigfabritation be-
steht nach der in Frankreich fast ausschließlich be-
nutzten sog. Orle'ansmethode in einer dem Umfang
des Betriebes angemessenen Zahl von Weinfässern,
die, mit dem Spundloch nach oben gerichtet, auf
Stollen gelagert sind. Zur Beförderung der Luft-
cirlulation sind die Fässer oben mit Lochern ver-
sehen, und zum Ablassen ist unten ein Hahn ein-
gesetzt. Beim Beginn der Fabrikation werden die
Fässer zum etwa vierten Teil mit einer Mischung
von Wein und heißem Essig gefüllt. Ist der Wein
gesäuert, so fügt man allmählich kleine Mengen
frifchen Weins zu, bis das Faß zur Hälfte gefüllt
ist. Alsdann zapft man vor jedesmaligem Zusatz
von Essiggut eine gleich große Menge fertigen Essig
ab, der in einem Klärbehälter gesammelt wird. Hier
ist der Essig vor weiterm Zutritt der Luft zu bewah-
ren; auch dürfen keine Neste des Essigpilzcs mit in
den Lagerbehälter gebracht werden, da dieser bei Ab-
wesenheit von Alkohol seine oxydierende Wirkung
auf die Essigsäure überträgt, wodurch diese teilweise
in Kohlensäure und Wasser verwandelt wird und
ein Schalwerden des Essigs eintritt. Pasteur hat
diese Orle'ansmethode insofern abgeändert, als er
auf die in Essig umzuwandelnde Flüssigkeit den Efsig-
pilz künstlich aussät.
Der Branntweinessig kann auf gleiche Weife
- hergestellt werden wie der Weinessig. Diese Art der
Darstellung ist aber durch ein weit vorteilhafteres
Verfahren, die von Schützenbach (1823) eingeführte
Schnellessigfabrikation, verdrängt. Letztere
beruht im Hauptprincip darauf, das in Essig über-
zuführende Essiggut (verdünnten, mit fertigem Essig
vermischten Branntwein) mit der atmosphärischen
Luft bei der erforderlichen Temperatur in die innigste
Berührung zu bringen und dadurch die Oxydation
____^^^^ des Alkohols zu
^ ^^~^W^ Essigsäure in der
kürzesten Zeit und
mit dem geringsten
Verlust zu bewerk-
stelligen. Dazu
sind besonders ein-
gerichtete Gefäße
lGradierfässer,
E s s i g st ä n d e r,
Essig bildn er)
erforderlich, von
denen man je nach
der Stärke des
darzustellenden
Essigs zwei bis
vier braucht, die
zusammen wieder
eine Gruppe aus-
machen. Ein der-
artiges Gefäß ist
in beistehender Fi-
gur abgebildet; es
ist aus starkem eichenem Daubenholz angefertigt,
2-4 m hoch und 1-1,3 in weit. 20-30 cm hoch
über dem untern Boden sind in gleichen Abständeil
im Umkreise des Fasses 6-10 Luftzuglöcher in von
etwa 3 cm Durchmesser und etwas Fall nach innen
angeordnet. Etwa 33 cm über dem Boden befindet
sich ein falfcher Boden d, der siebähnlich durchlöchert
ist und auf den Rotbuchenholzspäne geschichtet wer-
den. Die Späne werden, zu engen Spiralen zu-
sammenge^^, ^ wie matt sie durch Hobeln von
Vrockhculs' Konversations-Lcxiloi!.. 14. Aufl. VI.
grünem Holz und nachheriges Trocknen erhält,
angewendet. Nachdem die Essigständer mit den
trocknen Spänen beschickt worden sind, schreitet
man zum Ansäuern derselben. Zu diesem Zwecke
gießt man erwärmten Essigsprit über die im Stän-
der befindlichen Späne. Die angesäuerten Fässer
bleiben 24 Stunden bedeckt stehen, damit der Essig
das Holz möglichst durchdringt. 18-25 cm unter
dem obern Rand befindet sich ein hölzerner, mit
möglichst vielen feinen Löchern durchbohrter Sieb-
boden a. Damit das Essiggut durch diese Löcher in
dünnen Strahlen über die^päne sich ergießt, bringt
man in die Löcher Bindfäden, die etwa 3 cm unten
hervorragen und oben mit einem Knoten versehen
sind, um zu verhindern, daß sie durch die Äohr-
löcher gleiten; die Fäden saugen das Essiggut auf
und lassen es vom untern Ende auf die Hobelspäne
abtropfen. In dem Siebboden befinden sich ferner
fünf bis acht größere Bohrlöcher von 3-5 cm Weite
mit durchgesteckten Glasröhren von 10 -15 cm
Länge, die der durch die Zuglöcher von unten ein-
dringenden, im Ständer ihres Sauerstoffs beraub-
ten Luft den Austritt nach oben gestatten. Der Essig-
ständer wird mit einem gut schließenden Deckel ä be-
deckt, in dessen Mitte sich eine runde Öffnung 1 be-
findet, durch die einerseits das Essiggut aufgegossen,
andererseits durch geringeres oder weiteres Offnen
der Luftaustritt geregelt wird. Infolge der Sauer-
stossabsorption entwickelt sich im Innern des Essig-
ständers so viel Wärme, daß die Luft darin in
Strömung von unten nach oben erhalten wird.
Nachdem die Efsigständer beschickt und eingesäuert
sind, giebt man das vorbereitete Essiggut auf. Das
aus dem ersten Essigbildner abfließende Essiggut
kommt in das zweite und fließt von da, wenn der
Alkoholgehalt der säuernden Flüssigkeit 3-4 Proz.
nicht überstieg, als fertiger Essig ab. Die in einem
Ständer nach unten gelangende Flüssigkeit sammelt
sich in dem Raume u an und wird von da durch
den Hahn in das untergestellte Gefäß abgelassen.
Die Zusammensetzung des Essigguts ist eine sehr ver-
schiedene; eine häusig angewendete Mischung besteht
aus 201 Branntwein von 50 Volumprozent Alkohol,
401 Essig und 1201 Wasser, der man als Nahrung
für den Pilz einen Auszug von Roggenmehl und
Kleie zufetzt. Die Essigstube soll bis auf 20-24^ 0.
erwärmt fein, in den Essigständern steigt die Wärme
aber bis auf 36° und darüber, wodurch infolge der
Verdunstung von Alkohol und Essigsäure ein Ver-
lust von über 10 Proz^ stattfindet. Mit Rücksicht
auf diesen Verlust kann man annehmen, daß 1 Kl
Branntwein von 50Volumprozent (^ 42 Gewichts-
prozent) Alkohol 7,9 Kl Essig von 5 Proz. Essigsäure-
gehalt liefert. Für den Versand ist es am vorteil-
haftesten, nur den stärtsten Essig (Essigsprit) dar-
zustellen und denselben am Orte des Verbrauchs mit
Wasser zu verdünnen; auch ist zur Erzielung größe-
rer Haltbarkeit und Reinheit das Pasteurisieren
und Filtrieren, wodurch die Essigälchen vernichtet
und entfernt werden, zu empfehlen.
Die zweite Methode der Darstellung von Speise-
essig durch Verdünnen reiner Essigsäure mit Wasser
kann nur vorteilhaft sein, wenn die gereinigte Essig-
säure zu billigerm Preise zu haben ist, als man sie
nach der Methode der Schnellessigfabrikation aus
Branntwein darstellen kann. Ist dies der Fall, so
fügt man ihrem Gehalt entsprechend so viel Wasser
hinzu, dis der Essig einen Gehalt von 5 Proz. Essig-
säure zeigt. Zur Gehaltsermittelung des Essigs be-
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