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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fabrik
betreffend die Arbeit in den F. vom 23. März
1877 ist "als F. jede industrielle Anstalt zu betrach-
ten, in welcher gleichzeitig und regelmäßig eine
Mehrzahl von Arbeitern außerhalb ibrer Woh- i
nungen Beschäftigung findet". In England ent-
halten die Fabrikgesetze ganz specielle Bestimmun-
gen der Betriebe, auf die sie sich beziehen. !
Zur Zeit der Herrschaft des Zunftwesens wurden !
die F., die sich meistens mit neu aufkommenden, ^
außerhalb der beengenden Fesseln der Zunftver-
sassung stehenden Industriezweigen befaßten, von ,
den Regierungen noch durch Privilegien, oft sogar !
durch förmliche Monopolrechte begünstigt, da man !
nach merkantilistifchen Grundsätzen in der Hebung !
der Großindustrie das Hauptmittel sah, um die
Ausfuhr wertvoller Fabrikate und dadurch die Ein-
suhr von barem Gelde zu fördern. Auch das Listsche
Schutzzollsystem hat hauptsächlich die weitere Ent-
wicklung des Fabrikwesens im Auge, indem nack
List die Ausbildung der "Manufakturkraft" für jedes
Kulturvolk unbedingt erforderlich ist und durck
sie zugleich das Interesse der Landwirtschaft am
besten gefördert wird. Der eigentliche Aufschwung
des Fabrikwesens beginnt freilich erst mit den gro-
ßen mechan. Erfindungen in der zweiten Hälfte des
18. Jahrh. Die zweckmäßigste Ausnutzung der dem
Menschen dienstbar gewordenen Naturkräfte konnte
nur in konzentrierten, auf große Kapitalien gestütz-
ten Unternehmungen erfolgen, und diese waren bald !
im stände, auf vielen Gebieten nicht nur den selb- !
ständigen Kleinbetrieb, sondern auch gewisse Zweige !
der von Kapitalisten unterhaltenen Hausindustrie!
zurückzudrängen. Der Notstand gerade der letztern !
war in der Übergangsperiode, die etwa bis zur
Mitte des 19. Jahrh, reicht, besonders empfindlich,
so daß sogar manche Nationalökonomen geneigt
waren, das Aufkommen der mechan. Fabrikindustrie
al5 einen zweifelhaften Gewinn zu betrackten.
Gegenwärtig ist jedoch die neue Verteilung der
wirtschaftlichen Kräfte im wesentlichen vollzogen
und die Hausindustrie auf diejenigen Produktions-
zweige beschränkt, in denen sie sich, wenn auch teil-
weise nur mit Mühe, behaupten kann. Das selb-
ständige Handwerk konnte gegen den mit weit ge-
ringern Produktionskosten arbeitenden Fabrikbetrieb
auf sehr vielen Gebieten nicht erfolgreich konkurrie-
ren und ist immer mehr auf diejenigen Zweige
zurückgedrängt worden, deren Produkte einer man- !
niafaltigen, individuell abgestuften Geschmacks- ^
ricytung, einem specifisch persönlichen oder örtlichen
Bedürfnis genügen sollen. Immerhin hat das
Handwerk auch heute noch selbst in Ländern mit
hochentwickelter Fabrikindustrie, teilweise unter Aus-
nutzung der geeigneten technischen Hilfskräfte und
durch genossenschaftlichen Zufammenfchluß, ein
ausgedehntes und ergiebiges Arbeitsfeld. Außer-
dem ist zu beachten, daß der Fabrikbetried, wenn
er den mittlern Handwerkerstand verdrängt, ande-
rerseits das Entstehen neuer Mittelklassen seiner-
seits veranlaßt: er beschäftigt eine große Anzahl
von Beamten, Auffehern, Technikern, und für den
Absatz seiner massenhaften Erzeugnisse bedarf er
der Beihilfe zahlreicher Handelsvermittler.
Hauptfächlich sind es aber gewisse, die Fabrik-
industrie begleitende Umstände, wie die wirtschaft-
lich abhängige Lage der Arbeiter, das ungleich-
mäßige Verbältnis zwischen ihnen und den Arbeit-
gebern, die übertriebene Ausbeutung der Arbeits-
kraft durch gewissenlose Unternehmer, die oft geist-
lose, rein mechan. Thätigkeit, die Vermehrung des
Arbeiterproletariats und die leicht organisierte und
geleitete Wucht zu wirtschaftlichem Kampf und
Erzwingung ihrer Forderungen sich vereinender
Arbeitermassen, welche sociale Mißstände von ein-
schneidender Bedeutung und Gefahren für den gesell-
schaftlichen Frieden und die staatliche Ordnung her-
vorgerufen haben. Je weniger auf diefem Gebiete
für eine Ausgleichung sich widerstreitender Interes-
sen von der freien Konkurrenz felbst zu erwarten ist,
um so mehr fällt dem Staate die zwischen diesen
Interessen vermittelnde Rolle zu, durch eine gute
Fabrikgesetzgebung (s. d.) die Beseitigung der Mängel
des Fabritwesens herbeizuführen.
Zu einer Statistikdes Fadrikbetriebes, nament-
lich zu einer Vergleichung der Verhältnisse der wich-
tigsten Industriestaaten fehlt noch das genügende
Material. Indes haben die deutfchen Gewerbe-
zählungen von 1875 und 1882 ganz gute Anhalts-
punkte geboten, sofern sie zwischen den Betrieben
ohne oder mit höchstens fünf und denen mit mehr
als fünf Gehilfen unterschieden. (Vgl. Deutschland
und Deutsches Reich, Industrie und Gewerbe, Bd. 5,
S. 130.) Sieht man die Betriebe mit mehr als
5 Arbeitern als Mittel- und Großbetriebe an, ob-
gleich eine gewisse Ungenauigkeit bei der Annahme
der Fünfzahl nicht in Abrede gestellt werden kann,
so ergiebt sich das in der Tabelle auf S. 500 dar-
gestellte Bild von der Bedeutung der Großindustrie
in Deutschland im I. 1882.
Greift man über die großen Gruppen hinaus, so
lernt man als die vorherrschenden Zweige der Mittel-
betriebe von 6 bis zu 50 HilfsPersonen kennen die
Salinen mit............ 42 Betrieben
Braunkohlenwerke mit.......298 "
Verkokungsanstalten mit..... 45 "
Eisengießereien mit........676 "
Seidentrocknungsanstalten mit. . 3 "
Geschützgiehereien mit....... 1 "
Vigogne-Spinnereien mit..... 53 "
Wachstuch-u. Lederfabrikation mit 29 "
Papier-und Pappefabrikation mit 638 "
Schokoladenfabrikation mit ... 64 "
Herstellung von Kaffeesurroaaten
mit.............. 150 "
Der Anteil der eigentlichen Großbetriebe schrumpft
um so mehr zusammen, je größer die Ausdehnung
des Betriebes mit mehr als 50 HilfsPersonen wird.
Die Stufe, welche 1000 Arbeiter vorausfetzt, ist in
manchen Gruppen gar nicht vertreten. Die einzelnen
Gewerbe, in denen der Großbetrieb in der Hälfte
und mehr aller Geschäfte auftritt, sind die
Steinkohlenbergwerke mit .... 305 Betneben
Salzbergwerke mit........ 11 "
Silber-/Blei- u. Kupferhütten mit 70 "
^tahlfederfabrikation mit..... 1 "
Geschützgießerei mit........ 1 "
Rübcnzuckerfabrikation mit.... 346 "
Die Zabl der in den Großbetrieben thätigen
Personen beträgt 2 851811, nämlich in Betrieben
mit 6-10 thätigen Personen: 346 941, mit 11-50:
891623, mit 51-200: 742688, mit 201-1000:
657399, mit über 1000: 213160.
Vgl. Statistik des Deutschen Reichs, Neue Folge,
Vd.6 u. 7 (Berl.1885-87); C. Kollmann, Die gewerb-
liche Entfaltung im Deutfchen Reich (in Schmollers
"Jahrbuch für Gesetzgebung", Lpz. 1887 u. 1888):
Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3
(Jena l 892), S. 330 fg. (S.Gewerbe und Handwerk.)
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