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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fabrikkassen - Fabrikschulen
Deutschland (in Conrads "Jahrbüchern für National-
ökonomie", Neue Folge, Bd. 2, Jena 1881, S. 393
-451); Handwörterbuch der Staatswissenschaften,
Bd. 1 <ebd. 1890), S. 400fg.; Bd. 3 (ebd. 1892),
S. 1030 fg.; Annalen des Deutschen Reichs,Jahrg.
1892 (München und Leipzig).
Fabrikkassen, Betriebs-, Werk-, Haus-
kassen, Bezeichnung für Hilfs- und Unterstützungs-
tassen verschiedenster Art, welche ausschließlich für
die Arbeiter einer Fabrik oder eines sonstigen Be-
triebes von dem Unternehmer errichtet und in der
Regel auch verwaltet werden. Sie haben ihre
Hauptbedeutung für die gesetzliche Krankenversiche-
rung, für deren Bereich sie die besondere technische
Bezeichnung "Vetriebs-(Fabrik-)Krankentassen" er-
halten haben. Bei Beratung des Krankenversiche-
rungsgesetzes war die Mehrheit der Reicbstagskom-
mission der Ansicht, "das; eine gut eingerichtete und
geleitete Fabrikkrankenkasse die für die Ardeiter er-
wünschteste Form der Krankenversicherung sei"
(vgl. von Woedtke, Krankenversicherungsgesetz mit
Erläuterungen, 3. Aufl., Verl. 1886; Krankenver-
sicherungsgesetz §. 59, Anm. 2). Die Erfahrung hat
diesen Satz bestätigt; die anfänglich zum Teil vor-
handene Abneigung gegen die F. ist inzwischen er-
beblich vermindert und wobl nur noch bei grundsätz-
lichen Gegnern des Zusammenwirkens von Arbeit-
gebern und Versicherten auf dem Gebiet der Kranken-
versicherung vorhanden. Die Fabrikkasse gehört ;u
den sog. organisierten Krankenkassen und tritt gleich-
berechtigt neben die Ortskrantentasse. Die wich-
tigsten Vorschriften des Gesetzes über die F. (88- 59
-68) sind folgende i Ein Unternehmer, welcher 50
oder mehr dem unter-
liegende Personen beschäftigt, ist berechtigt, eine
Fabrikkasse zu errichten, und er kann dazu unter
bestimmten Voraussetzungen durch Anordnung dcr
höhern Verwaltungsbehörden verpflichtet werden,
zumal wenn der Betrieb mit besonderer Krankheits-
gefahr verbunden ist. Der Beitritt ist für die in dem
Betriebe beschäftigten Personen obligatorisch, sofern
sie nicht nachweislich Mitglieder einer die Mindest-
leistungengewährenden eingeschriebenen oderlandes-
rechtlich begründeten Hilfskasse sind; solchen Per-
sonen, die den genannten Kassen angehören, ist
am Jahresschluß der Austritt aus der Fabrikkasse
zu gestatten. Im allgemeinen finden die auf die
Ortskrankenkassen bezüglichen Vorschriften auch auf
die F. Anwendung; für die letztern gelten aber, teils
fakultativ, teils obligatorisch,Bestimmungen, welche
einerseits eine bevorzugte Stellung des Unterneh-
mers begründen, andererseits dessen Verantwort-
lichkeit erhöhen und die behördliche Kontrolle ver-
stärken. So kann durch das von dem Unternehmer
zu errichtende Kassenstatut demselben oder einem
Vertreter der Vorsitz im Vorstande und in der Ge-
neralversammlung ein für allemal übertragen wer-
den; jedenfalls erfolgt die Rechnungs- und Kassen-
führung immer unter Verantwortlichkeit und auf
Kosten des Betriebsunternehmers durch einen von
demselben (also nicht von den Mitgliedern) zu be-
stellenden Rechnungs- und Kassenführer. Die Fabrik-
kasse ist unter anderm zu schließen, wenn der Unter-
nehmer es unterläßt, für ordnungsmäßige Kassen-
und Rechnungsführung zu sorgen.
Altere F., auch wenn sie neben der Kranken- und
Begräbmsunterstützung Invaliden-, Witwen- oder
Waisenpensionen gewährten, gelten seit dem Erlaß
des Krankeuversicherungsgesetzes als Vetriebs-(Fa-

brit-)Krankenkassen im Siunc des Gesetzes, welchem
sie ihre Statuten anpassen muhten; dabei mußten
die Invaliden-, Witwen- und Waisenpensionen ab-
gezweigt und entweder einer besonders zu bildenden
Pensionstasse übertragen, oder in einem besondern
^ onds abgesondert verwaltet werden sKrankenver-
^cherungsgesetz §. 86).
Eine besondere Art der Betriebskassen regelt das
Krankenversicherungsgesetz unter den: Namen Vau -
krankeniassen. Solche haben die Bauherren auf
Anordnung der höhern Verwaltungsbehörde zu er-
richten, wenn sie zeitweilig eine größere Zahl von
Arbeitern bei Eisenbahn-, Kanal-, Wege-, Strom-,
Deich- und Festungsbauten sowie in andern vor-
übergehenden Baubetrieben beschäftigen. Die Vor-
schriften für die Vautrankenkassen sind im wesent-
lichen dieselben wie für die F.
Auf dem Gebiet der Invaliditäts- und Alters-
versicherung bleiben solche F., welche nach Maßgabe
ihrer Statuten Inoalidenbeneficien gewähren, neben
den gesetzlichen Versicherungsanstalten bestehen.
Große Kassen dieser Art können, wenn sie die erfor-
derliche Garantie dauernder, unbedingter Leistungs-
fähigkeit bieten, vom Bundesrat zur felbständigen
Durchführung der Versicherung zugelassen werden
und treten dann in die Gesamtorganisation derge-
stalt ein, daß sie ein Gegenseitigkeitsverhältnis mit
Versicherungsanstalten eingehen und daß ihre Mit-
glieder von der Zugehörigkeit zur allgemeinen terri-
torialen Versicherungsanstalt befreit sind (Invali-
ditätsversicherungsgesetz §§. 5-7). Dies hat aber
fast ausschließlich auf die Kassen der großen fiska-
lischen Eisenbahnverwaltungcn, außerdem nur noch
auf einzelne Knappschaftskassen Anwendung gefun-
den. Andere F. gelten fortan als sog."Zuschuhkassen>>,
! d. h. ihre Mitglieder müssen zwar, wie andere Ver-
sicherte, in die allgemeine territoriale Versicherungs-
anstalt eintreten, die Fabritkasse gewährt ihnen aber
außerdem die statutarischen Bezüge weiter. Jedoch
können deren Leistungen und Beiträge herabgesetzt
werden (Invaliditätsversicherungsgesetz §. 36). Zur
selbständigen Durchführung der gesetzlichen Versiche-
rung sind F. schon um deswillen ungeeignet, weil
das Reckt auf die Kassenleistungen meist an die Fort-
dauer der Beschäftigung in der Fabrik geknüpft ist,
letztere aber nicht dauernd gesichert ist.
Fabrikkrankenkassen, s. Fabrikkassen.
Fabrikordnung, s. Fabrik- und Werkstattord-
nung.
Fabrikpflanzen, Industriepflanzen (s. d.).
Fabrikrat, in kirchlicher Hinsicht, s. Kirchenfabrik,
über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Wortes
s. Handels- und Gewerbekammern.
Fabrikschulen, Schulen, die sich häufig in Ver-
bindung mit Fabriken finden zum Zwecke der leich-
tern Ausführung der Bestimmungen über dieKinder-
arbeit <s. Fabrikgesetzgebung, S. 501d). Auch in
Ländern, in denen der allgemeine Schulzwang nicht
bestand, machte die Gesetzgebung meistens die Zu-
lassung der Kinder zur Fabrikarbeit von dem Nach-
! weis eines gleichzeitigen Schulbesuchs abhängig, und
> das führte naturgemäß häusig zur Gründung eigener
F. So verlangte in England schon das Fabrikgesetz
von 1833, daß jedes Kind aus der geschützten Alters-
klasse jeden Montag dem Fabrikherrn eine Beschei-
nigung darüber einreiche, daß es in der vorherge-
gangenen Woche an 6 Tagen mindestens 2 Stun-
den täglich Schulunterricht genossen habe. Die
Fabrikinspektoren (s. d.) hatten das Recht, dem Be-