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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fahren - Fahrende Leute
F., die die Überführung von Eisenbahnfahrzeugen
zur Aufgabe haben, heißen auch Trajekte. Die F.
lassen sich in frei fahrende, Seil- oder Kettenfähren
und fliegende F. einteilen.
Bei den frei fahrenden F. erfolgt die Bewe-
gung des Fährbootes durch lange, in den Gruud ge-
stützte Stangen, durch Ruder, Segel und in neuerer
Zeit mittels Dampfmaschinen (Damps fähren),
wobei das Fährboot selbst ein Dampfer sein kann
oder durch Dampfschiff gefchleppt wird. Die Dampf-
fähren für Personen und Fuhrwerke sind besonders
in den Vereinigten Staaten großartig entwickelt.
Die größte Dampffähre der Welt ist derzeit wohl
diejenige zur Überführung von Eisenbahnzügcn über
die Meerenge von Carquiuez zwischen San Francisco
und Sacramento. Das 129,23 in lange, 35,35 m
breite Fährboot Solano trägt vier Gleise, die 48 Last-
wagen samt der Lokomotive oder 24 Personenwagen
aufzuuehmen vermögen. Acht Dampfkessel versorgen
zwei gewaltige Valancierdanlpfmafchinen, die Cy-
linder von 1,52 in Durchmesser und 3,:;5 in Kolben-
hub haben.
Vei den Seil- oder Kettenfähren wird das
Schiff durch eine oder zwei Ketten geführt, die auf
den Grund des Wafscrs gelegt und an den Ufern
in Spannung erhalten werden, während auf dem
Schiffe durch Dampf getriebene Kettenräder zur
Fortbewegung desfelben dienen, wie z. V. bei der
F. zu Devonport bei Plymouth. Statt der beiden
Führuugsketten verwendet man auch ein einziges
starkes Drahtfeil, das an der stromaufwärts gerich-
teten Seite des quer gegen den Strom liegenden
langen Fährschiffs über zwei Führungsrollen gelegt
und an den Enden gefpannt ist. Zur Bewegung des
Schiffs dient ein zweites schwächeres Drahtseil, das
sich über Seilscheiben aus dem schiffe schlingt, die,
durch eine daselbst befindliche Dampfmaschine in
Umdrehung versetzt, eine Vorwärtsbewegung des
Fährbootes bewirken. In Meinhausen bestand 18l>7
- 72 eine sür fünf Gleife bestimmte Überfahrts-
anlage dieser Art. Bei ganz kleinen Anlagen wird
das schiff an einem quer über dem Flußgrund bin-
weg (in seltenen Fällen wohl auch über dem Wasser)
gelegten sog. Schertau oder Scharseil durch Menschen-
trast fortgezogen <Nollufcr), oder man hängt das
Schiff bei größerer Flußgeschwiudigkeit mittels eines
eigenen Seils, den Zaum, dessen Ende an einer
Rolle am Scharseil geleitet wird, an dieses. Durch
Schiesstellen des Schiffs gegen den Wasserlauf wird
die Vorwärtsbewegung bewirkt.
Vei den fliegenden F. ist ein Seil, das Giertau,
stromaufwärts "der Überfahrtsstelle verankert und
pendelt um seinen Vefestigungspuutt, wenn das am
andern Ende des Taues^befestigte Boot von einem
Ufer zum andern hinüberfährt. Zur Unterstützung
des Giertaues dienen, damit es nicht auf der Fluh-
sohle schleift, besondere Schwimmer oder auch tleiue
Kähne sBogtuachen, Furtelzillen). Auch hier kann
die Gewalt des Stroms bei Schiefstellung des Schiffs
mittels des Steuers oder mittels einer am Gicrtau be-
festigten Kette oder Seil (Brittelkette, Nebenfeil) zur
Vorwärtsbewegung benutzt werden. Fliegende F., bei
denen das Fahrfchisf aus einer auf Booten ruhenden
Plattform besteht, heißen fliegende Brücken.
Die Landevorrichtungen bei den F. bestehen
meist aus Landungsdrücken. Vei Trajekten erfolgt
die Vermittelung zwischen dem festen Niveau der
Eisenbahn und dem tiefern des Fährbootes meist
durch geneigte Ebenen. Bei der Eisenbahnfähre
zwifchen Homburg und Nuhrort werden Platt-
formen durch hydraulischen Druck bis zu 8,5 in ge-
hoben und gesenkt. An Seetrajektanstalten mit ge-
ringem Wasserwechsel kann das Fährschiff mittels
Einlassen und Auspumpen von Wasserballast regu-
liert werden.
Zur Zeit fehlt es noch an einer einheitlichen deut-
fchen Gefetzgebuug über die F. Die Bestimmun-
gen der deutfchen Gewerbeordnung follen auf F.
keine Anwendung leiden. Nach den deutschen Landes-
gesetzgebungen ist die Anlegung einer F. auf öffent-
lichen Flüssen zur gewerbsmäßigen Ausnutzung
ohne landesherrliche Verleihung nicht erlaubt. Diese
wird aberdurch unvordenklicheVerjährung derFähr-
gercchtigkcit ersetzt. Nach Preuß. Allg.' Landr. II,
15, K. 50 kann F. und Prahmen zum eigenen Ge-
brauch jeder Anwohner eines schiffbaren Stroms
halten; das Recht, F. und Prahmen zur Übersetzung
für Geld zu halten, gchört zu den Regalien des
Staates G. 51). In einem franz. Gesetz vom 6. Juni
VII sind die an öffentlichen Gewässern betriebenen
Fähranstalten für Staatseigentum erklärt. Auch
nach der preuß. Verordnung vom 4. Juli 1840 kann
das Recht, Gefäße zu halten, um das übersetzen vom
linken zum rechten Nheinufer gegen Bezahlung zu
bewirken, nur vom Staate oder denjenigen ausge-
übt werden, welchen er hierzu die Erlaubnis giebt.
In Osterreich ist die Bewilligung der polit. Landes-
bchörde vorbehalten und wird auf 5 Jahre, für
längere Zeit vom Ministerium erteilt. Das Fähr-
geld ist in Fährordnungcn vorgeschrieben', manche
Gemeinden und selbständige Güter haben durch
Verträge oder Vcrjähruug für ihre Angehörigen
Freiheit vom Fährgeld erworben. Die vorsätzliche
oder fahrläfsige Beschädigung von F. wird nach
dem Deutjchen Strafgesetzb. §. 321 als ein gemein-
gefährliches Vergehen bestraft, wenn Gefahr für
das Lebcn oder die Gesundheit anderer oder eine
schwere Körperverletzung oder der Tod eines andern
herbeigeführt ist M 321, 325, 336).
Fahren, im allgemeinen Fortbewegen eines
Fahrzeuges (s. d.) durch Zugtiere, die vermittelst einer
Zugvorrichtung, Geschirr, mit demselben in Ver-
bindung gebracht sind; im besondern: Geschicklichkcit,
die angespannten Zugtiere uach eigenem Willen zu
leiten. Das Lenken der Gespanne, wobei die nötigen
Hilfen mit der Peitsche gegeben werden, erfolgt ent-
weder vom Bock oder vom Sattel aus, letztere Art
ist namentlich bei allem militärischen F. fast aus-
schließlich in Gebrauch. Das F. vom Sattel bei
Luxusfuhrwerken (wobei die Fahrer meist in Iockey-
tracht sind) wird F. g, 1a Daninout genannt. -
Vgl. Schönbeck, Fahrhandbuch zum Sclbstudium
lDresd. 1889); Eberhardt, Das Wagcnpferd und
die Fahrkunst (2. Aufl., Lpz. 1890); Schöubeck, Rei-
ten und F. (2. Aufl., Verl. 1892); derf., Fahr-ABC
(ebd. 1893).
Fahrende Batterie, f. Artillerie.
Fahrende Habe, Fährnis, s. Mobilien.
Fahrende Leute, wanderndes, herumziehendes
Volk. Sie erscheinen bereits im frühesten Hititielalter,
zum Teil hervorgegangen aus den röm. Gauklern
und Mimen, die sich über die Zeit der röm. Herrschaft
hinaus in den german. Ländern crbielten, befonders
ab er im südl.Frankreich ihr Wesen trieben, sangen und
musizierten, tanzten, Feuer fraßen, quacksalberten,
abgerichtete^Tiere vorführten und Marionetten spie-
len liehen. "5?ie zogen einzeln oder in Banden herum,
bald vermehrt durch gleichartige einheimische Possen-