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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Favorabiles causae - Favre (Gabriel Claude Jules)
darf u. a.; in iavorsin, zu Gunsten; fav orabel,
günstig, geneigt: favorisieren, begünstigen.
I'I.vorabiiss oa.u82.o (lat.), günstige Rechts-
sälle, die von der Gesetzgebung insoweit bevorzug-
ten Rechtsverhältnisse oder Rechtsgeschäfte, als
eine zweideutige Erklärung im Zweifel günstig aus-
gelegt wird. Das waren im ro'm. Recht die Frei-
lassung, die V03 (s. Dotalsystem und Mitgift)
zu Gunsten der Frau, letztwillige Anordnungen,
welche eher zu Gunsten des Bedachten, vor allem
zur Aufrechthaltung der Verfügung ausgelegt wer-
den sollten.
Favormus, aus Arelate (Arles), griech. So-
phist, Schüler von Dio Chrysostomus, ein Freund
von Plutarch und Fronto, verfaßte um 120 n. Chr.
mehrere philos. und histor. Schriften, insbesondere
ein aussührliches Wert u. d. T. "I^ntoäaps Ii^ls",
worin er eine große Menge encytlopäd. Wissens
zusammentrug. Eine Sammlung der Fragmente
dieser und zweier anderer Schriften des F. findet
sich im dritten Bande der "^i^Finsuta Iiiäwrico
rum (Fi-aseorum", hg. von C. Müller (Par. 1849).
- Vgl. Maaß und von Wilamowitz in den "Philol.
Untersuchungen", .heft 3 u. 4 (Berl. 1880).
Favorit (ital. kavoriw; frz. iHvori), Günstling,
Liebling; Favorite, Favoritin, insbesondere
erklärte Geliebte eines Fürsten (s. Favoritsultanin).
ssavorltfultanin, diejenige unter den Kadinen
(s. d.), die sich der besondern Bevorzugung ibres
Gebieters erfreute. Sie erhielt den Titel Hasseki
und hatte oft großen Einfluß. Solckc Bevorzugung
hat indessen unter Abo ul-Hamid II. aufgebort,
dessen große Anzahl von Haremvdamcn versckiede-
nen Ranges nicht vielmehr als ein leeres Zugeständ-
nis an den Begriff von orient. Majestät ist. Den
Titel Sultanin führen rechtmäßig nur diejenigen
grauen, die felbst kaiserl. Abkunft sind, und die
Kadine, deren Sohn den osman. Thron bestiegen
bat. Sie wird dann Wälid eh Sultan, d.h. Sul-
tanin-Mutter, genannt.
Favras (spr. -wrah), Thomas de Mahy, Mar-
quis de, geb. 26. März 1744 zu Blois, ging als
Lieutenant in der Schweizergarde 1787 nach Hol-
land, wo er eine Legion der "Patrioten" komman-
dierte. Nach Paris zurückgekehrt, verwickelte er sich
in eine konterrevolutionäre Verschwörung, die auf
die Aufhebung der konstitutionellen Gesetze und die
Entführung des Königs nach Pcronne abzielte. Der
Anschlag ward entdeckt und F. im Dez. 1789 des Hoch-
verrats schuldig erklärt und 19. Febr. 1790 auf dem
Greveplatz gehängt, ohne das Geheimnis der Ver-
schwörung preisgegeben zu haben. Bald nach feinem
Tode erschien fein "^sZtamsnt äs niort" (Par. 1790)
und die "^ori 68p0näanc6 äu Nai-huis st äs lg. N2.1-
huiss äs ^. psnäant Isnr ästsntion" (ebd. 1790). -
Vgl. Stillsried-Rate'nic, ^Iioma" äs Hlali^, Narciniz
6s 1^. (Wien 1851).
Favre (spr. fahwr), Gabriel Claude Jules, franz.
Politiker, geb. 21. März 1809 zu Lyon, Sohn eines
Kaufmanns, studierte in Paris die Rechte, erwarb
sich dann als Advokat in Lyon bald eine angesehene
Stellung und kam 1835) nach Paris, wo er vor dem
Pairshofe die wegen des Lyoncr Aufstandes Ange-
klagten kräftig verteidigte. Beim Auebruch der Fe-
bruarrevolution ernannte ihn Ledru-Rollin 1848
zum Generalsekretär des Ministeriums des Innern,
und die öffentliche Meinung bezeichnete ibn, wenn
auch nicht als Verfasser, wenigstens als Inspirator
des berüchtigten Cirkulars, das den außerordent-
lichen Kommissarien diktatorische Gewalt in den
Provinzen übertrug, und des 16. Nulistiii äs 1a.
^spiidii^ns. Als Vertreter des Departements
Loire nahm er Anteil an den Arbeiten der Kon-
stituierenden Versammlung und gehörte hier zu den
Gemäßigten. Eine Zeit lang versah er auch das
Amt eines Unterstaatssekretärs des Äußern. Nach
der Wahl des Präsidenten der Republik trat jedoch
in der Gesetzgebenden Versammlung seine demo-
kratische Opposition mehr hervor. Nach dem Staats-
streiche Napoleons (2. Dez. 1851), der ihn poli-
tisch lahmlegte, widmete er sich sechs Jahre lang
der advokatoriscken Praxis und plaidierte mit
glänzendem Erfolg bei den Doineauschen und Or-
sinischen Prozessen. In Paris 1858 zum Deputier-
ten gewählt, war er Hauptmitglied der antiimpe-
rialistischen Gruppe der berühmten "Fünf" und nach
seiner Wiedererwählung 1863 - 68 das wirkliche
Haupt der demokratischen Opposition und mit Thiers
der gesürchtetste Gegner Rouhers. Am 23. April
1868 wurde er an Cousins Stelle in die Franzö-
sische Akademie aufgenommen.
In der Sitzung vom 15. Juli 1870, in der Olli-
vier meldete, daß die Regierung ihre Unterhand-
lungen mit Preußen abbreche, erklärte F. den Krieg
für ungerechtfertigt, verlangte Vorlegung der De-
peschen und stimmte gegen Bewilligung des Kriegs-
kredits. In der Sitzung nackts vom 3. auf den
4. Sept. beantragte F. die Abfetzung der Napoleo-
niscben Dynastie, die Einsetzung einer Regierung
der Nationalverteidigung und die Bestätigung des
Generals Trochu als Generalgouverneur von Paris.
Bei der Bildung der Regierung der nationalen Ver-
teidigung übernabm F. das Portefeuille des Mini-
sters der auswärtigen Angelegenheiten. Am 6. Sept.
richtete er an die diplomat. Agenten ein Rundschrei-
ben, in dem er Deutschland sür die Fortsetzung des
Krieges verantwortlich machte, und erklärte, daß
Frankreich "keinen Zoll von seinem Landesgebiet
und keinen Stein von seinen Festungen" abtreten
werde. Nach dieser ebenso unklugen als undiplomat.
Sprache ließ sich kein Erfolg erwarten, als F. bald
darauf, 19. und 20. Sept., in Haute-Maison und
Ferricres mit Bismarck eine Zusammenkunft hatte,
um jede Gebietsabtretung für unannehmbar zu er-
klären und nur eine Entschädigungssumme anzubie-
ten. Sein Protest vom 9. Jan. 1871 gegen die Be-
schießung von Paris und sein Bestreben, an der
Pontus-Konferenz als Vertreter Frankreichs teilzu-
nehmen und das Ausland zu einer Intervention für
Frankreich zu bewegen, hatten infolge derVismarck-
fchen Schreiben keinen Erfolg. Als die Wirkungen
der Einfchließung von Paris in empfindlichster Weife
hervorzutreten begannen, mußte F., im Auftrage der
Provisorischen Negierung, von neuem Unterhand-
lungen mit dem deutschen Hauptquartier in Versailles
anknüpfen, wo er 28. Jan. 1871 die Bedingungen
der Kapitulation und den Abschluß eines Waffen-
stillstandes unterzeichnete. Dadurch, daß er bei die-
sen Verhandlungen sich der Entwaffnung derParifer
Nationalgarde widcrfetzte, machte er die militär.
Organifation der Commune möglich.
Das Gambettafche Proskriptionsdekret vom
31. Jan. wurde von F. für ungültig erklärt. Bei den
Nablen 8. Febr. wurde F. von acht Departements
in die Nationalversammlung abgeordnet. Thiers er-
nannte ihn, als er Chef der Exekutivgewalt geworden
war, zum Minister des Auswärtigen; als solcher
nahm F. teil an den Friedenspräliminarien in Ver-