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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fechtart
Verwendung und Leistung der Kavallerie als
Truppe war, trotz sorgfältiger Ausbildung von
Mann und Pferd im einzelnen, seit den Napo-
leonischen Kriegen überall zurückgegangen; ihre
Thätigkeit in den Kriegen um die Mitte des Jahr-
hunderts ist niemals entscheidend, meist überhaupt
ohne Bedeutung. Im Nordamerikanischen Bürger-
krieg spielt die wenn auch taktisch wenig geschulte
Kavallerie beider Parteien in strategischer Beziebung
(s. Raids) eine eigenartige Rolle. Im Kriege
1866 stand auf preuß. wie auf österr. Seite eine
ebenso zahlreiche wie tüchtige Kavallerie zur Ver-
fügung, und auf beiden Seiten kam bei der allge-
meinen Formation der Heeresmassen der richtige
Grundgedanke zum Ausdruck: daß die Kavallerie
in großen Massen zur Thätigkeit gebracht werden
müsse; Asterreich formierte demgemäß seine Ka-
vallerie der böhm. Armee, den Infanteriekorps nur
je einige Eskadrons zuteilend, in fünf starke Divi-
sionen; Preußen formierte außer einigen einzelnen
Divisionen sogar ein ganzes Kavalleriekorps von
über 8000 Pferden - aber die Verwendung dieser
schonen Neitermassen ließ sehr viel wenn nicht alles
zu wünschen übrig. Strategisch kam die Kavallerie
auf keiner Seite zur Geltung; taktisch verstand es
wenigstens die österr. Heeresleitung durch rücksichts-
loses Einsetzen eines Teils ihrer Kavallerie bei
Königgrätz der geschlagenen Armee einen leidlichen
Rückzug zu ermöglichen; preußischerseits konnte,
trotz einzelner tapferer Thaten, von einer taktischen
Wirksamkeit der Kavallerie nicht die Rede sein.
Die Artillerie nahm um die Mitte des Jahrhun-
derts einen bedeutenden Aufschwung durch Einfüh-
rung der gezogenen Geschütze; in Preußen zunächst
kam auch hierbei das System der Hinterladung zur
Geltung, indessen war beim Ausbruch des Krieges
1866 die Neubewaffnung der preuß. Artillerie erst
zum Teil durchgeführt, eine große Anzahl von Bat-
terien rückte noch mit den alten glatten Geschützen
ins Feld. Dieser Umstand in Verbindung mit un-
richtigen Grundsätzen in der taktischen Verwendung
ließen die Leistungen der preuß. Artillerie 1866 sehr
in den Hintergrund treten, während die mit ge-
zogenen Vorderladern ausgerüstete österr. Artillerie
vielfach mit gutem taktischem Verständnis in großen
Batterien vereinigt zur Verwendung kam und in
mehrern Fällen durch heroische Selbstaufopferung
ihrer aufs äußerste bedrängten Infanterie das Los-
lösen aus dem Gefecht ermöglichte.
Der Deutfch-Französische Krieg von 1870 und
1871 war epochemachend für die F. aller drei Waf-
fen. Zum erstenmal standen sich zwei mit Hinter-
ladern bewaffnete Infanterien gegenüber; das Re-
sultat der hierbei gemachten überaus blutigen Er-
fahrungen war das völlige Aufgeben der alten
Kolonnentaktik und ihr Ersatz durch die moderne
Schützentaktik. Die deutsche Kavallerie, der Haupt-
masse nach in eine Anzahl selbständiger Divisionen
formiert und von der Heeresleitung mit Geschick
verwendet, leistete, wenn auch im einzelnen manche
Mängel hervortraten (z. B. mangelhafte Ausrüstung
mit Feuerwaffen), sehr Bedeutendes im strategischen
Auftlärungs- und Verschleierungsdienst; die takti-
schen Leistungen auf dem Schlachtfelde waren, wenn
auch Beweise glänzenoerTapferkeit, so doch durchaus
nicht hervorragend. Die franz. Kavallerie hatte
strategisch völlig versagt, ihre taktischen Leistungen
bestanden in glänzenden, aber gänzlich ergebnis-
losen "Todesritten". Die deutsche Artillerie, in
großen Massen vereinigt und mit hervorragendem
Geschick verwendet, wurde ein ausschlaggebender
Faktor der Entscheidung; sie hatte in der franz.
Artillerie einen bis auf das weniger gute Material
durchaus ebenbürtigen Gegner.
Bei der F. der Gegenwart läßt sich zunächst
die Thätigkeit der Heeresleitung dahin charakteri-
sieren, daß der Schlachtenverlauf durch die strate-
gische Anlage, durch die von langer Hand vorberei-
teten Bewegungen beherrscht wird. Ist auch die
anfängliche Trennung der Heeresteile und die Selb-
ständigkeit der Divisions- und Korpscommandeure
eine große und die Einheitlichkeit der Kampfeshand-
lung gefährdende, so sichert doch die Anlage des
Ganzen den Sieg. Der Feind wird oft weniger durch
den Mißerfolg der Waffen als durch die allgemeine
Kriegslage genötigt, sich für überwunden zu erklären.
Die F. der Infanterie, welche jetzt überall in
zwei Gliedern rangiert, hat ihren modernsten Aus-
druckin dem neuen deutschen Exerzierreglement (s. d.)
von 1888 gefunden, welches alle frühern künst-
lichen Formationen sowie alle schematischen Be-
stimmungen über Führung des Gefechts beseitigt
hat und dessen, der Initiative der Führer und In-
telligenz der Truppen einen weiten Spielraum
lassenden allgemeinen Direktiven auf dem Grund-
satz beruhen: der Schützenschwarm ist die Haupt-
kampfform der Infanterie.
Jede Schematisierung des Angriffsverfahrens ist
untersagt. Während im Begegnungsgefecht der
Führer die günstige Gelegenheit ergreifen soll, muß
der Angriff auf eine vorbereitete Stellung geplant
sein und hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn
ihm die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit ge-
lingt. Bei jeder Verteidigung kommt es auf aus-
giebige Verwertung der Feuerwaffe an. Die Stel-
lung muh in Abschnitte eingeteilt werden, Tiefen-
gliederung ist für die Besetzung Vorbedingung. Die
Ausbildung der Infanterie ist nach richtigen Grund-
sätzen erfolgt, wenn sie das kann, was der Krieg
erfordert, und wenn sie auf dem Gefechtsfelde nichts
von dem wieder abzustreifen hat, was sie auf dem
Exerzierplatze erlernte.
Die Kavallerie ist in allen Heeren neben der
blanken Waffe (Säbel allein oder Säbel und Lanze)
mit einem Präzisionskarabiner bewaffnet, der sie
erforderlichenfalls zum Führen eines Feuergefechts
zu Fuß befähigt. (S.FuhgefechtderKavallerie.) Alle
großen kontinentalen Armeen bilden im Kriege
(teilweise schon im Frieden) besondere Kavallerie-
divisionen von 4 oder 6 Regimentern mit einigen
reitenden Batterien (s. Division 2 und Divisions-
kavallerie). Als F. größerer Kavalleriemassen ist
(nach dem Vorgang der deutschen Kavallerie) überall
die sog. Dreitreffentaktik angenommen, d. h. die
Gliederung einer Kavalleriedivision zum Gefecht in
drei Treffen. Im einzelnen zeigen die Vorschriften
der verschiedenen Heere hierbei allerlei Besonderhei-
ten. Während die franz. Kavalleriedivision in drei
gleichstarken Treffen (je 1 Brigade) zum Angriff vor-
geht, hat die deutsche Kavalleriedivision (ebenfalls
6 Regimenter in 3 Brigaden) diese Form verlassen,
macht das erste Treffen, das den Hauptstoß führen
soll, möglichst stark und nimmt hierzu mindestens
die Hälfte der vorhandenen Schwadronen. Das
zweite Treffen hat durch rechtzeitige Unterstützung
den Sieg des ersten Treffens festzustellen, folgt
mit einem Teil unmittelbar hinter dem ersten Tressen,
mit dem größten Teil staffclförmig hinter eincm