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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fehn- und Moorkolonien

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Fehn- und Moorkolonien'

kanal haben. Vorteilhaft läßt man die Quergräben (Inwieken) nicht in diesen selbst, sondern in Parallelgräben (Achterwieken oder Nebenkanäle) münden, die nur an einigen Stellen mit dem Hauptkanal in Verbindung stehen und also auch nur wenig Brücken im Zuge der, den Hauptkanal begleitenden Straßen nötig machen. Die abgetorften Flächen werden mit Bunkerde (den als Brenntorf minderwertigen, aber verhältnismäßig gut zu Kulturzwecken geeigneten Schichten zunächst der Pflanzendecke des Moors), Sand, Klay, Seeschlick, natürlichem und künstlichem Dünger überdeckt und in Kultur genommen. Der Kolonist (Veentjer in Holland, Fehntjer oder Fehnker in Deutschland genannt) verwertet beim Ausheben der Gräben seine Arbeitskraft insofern sehr gut, als er in dem ausgehobenen Torf ein ziemlich bald veräußerbares Objekt gewinnt und durch die Aushebungsarbeit sich gleichzeitig den Grund für seinen Ackerboden selbst schafft. Bedingung ist aber, daß der Torf guten Absatz findet und daß Sand, Klay u. s. w. billig in den Hauptkanal transportiert werden können, von dem aus dann die Schiffer als Rückfracht Torf nehmen; gleich wichtig sind rationelle Gestaltung des ganzen Fehns, zweckmäßige Ausweisung der Kolonate, Befreiung der Kolonisten von allen Lasten, die die erste Anlage des Hauptkanals, der Achterwieke, der Schleusen, Brücken und Straßen erforderlich macht. Diese Lasten müssen die Unternehmer des Fehns (Genossenschaften, städtische oder provinzialständische Verbände) tragen; die Verzinsung und Amortisierung des aufgewendeten Kapitals erhalten sie durch die Pacht der Kolonate, auch in Form von Torf und durch die Schleusengelder.


Textfigur:

Die Anlage eines Fehns wird schematisch durch obenstehende Figur veranschaulicht. Im ersten Jahr hebt man in kleinen Profilen im Zuge des Haupt- und Nebenkanals auf etwa 90–100 m Länge ein Netz von Längs- und Quergräben (Raygräben) aus, die man, während man gleichzeitig mit diesem Netz um je eine Abteilung vorrückt, allmählich in den folgenden 4 Jahren auf 1 m Breite und 0,85 m Tiefe bringt; die Zwischenfelder werden durch kleinere Gräben (Grüppen) in jene entwässert. Im sechsten Jahre etwa wird man in der ersten Abteilung die eigentliche Kanalaushebung beginnen und im elften Jahre dieselbe beendigt haben. Inzwischen sind die Inwieken durch die Kolonisten in ähnlicher Weise vorbereitet und ausgehoben, ↔ sodaß im zwölften Jahre ungefähr die mit der Abtorfung anfangende Bebauung des ersten Kolonats beginnen kann. Ein solches Kolonat (Plaatse) wird auf je einer Seite durch die 6 m breite Inwieke begrenzt und erhält etwa 90–100 m Breite; der Teil des Kolonats zwischen Haupt- und Nebenkanal wird holländisch Voraffe genannt. Jenseit des Nebenkanals wird die Austorfung des Kolonats erst in Angriff genommen, wenn die der Vooraffe beendet ist.

In Holland wurden Fehnkolonien zuerst um das J. 1600, anfangs von Privaten und privaten Genossenschaften, teilweis mit reichlicher Staatsunterstützung, später von der Stadt Groningen angelegt. Und zwar waren die ersten Fehnkolonien Pekel Aa (1704 in Oude und Nieuwe Pekel Aa geteilt) und Zuidbroek, dann (1648–83) Vilderwank, Veendam, Hoogezand, Sapemeer, ferner unweit Pekel Aa Stads-Kanal 1764 (s. den Plan: Fehnkolonien und Fehnkanäle in Ostfriesland, S. 630). Auf diese folgten in der Provinz Drenthe das Hoogeveen und Smilde (1772) sowie in Oberyssel die von Baron Dedem 1809 begonnene und später von der Landschaft übernommene Dedemsvaart. Die meisten dieser Veene sind jetzt ganz ausgetorft und in blühendes Acker-, Wiesen- und Weideland umgewandelt.

In Deutschland folgte dem holländ. Beispiele 1630 zuerst der Münstersche Graf Landsberg-Velen mit der Anlage einer Fehnkolonie bei der Papenborg, aus der sich die jetzige Stadtgemeinde Papenburg (s. d.) entwickelt hat. Weniger glücklich haben sich die ostfriesischen Fehnkolonien entwickelt, während das oldenburgische Augustfehn im Lengener Moor namentlich durch die dort 1856 gegründete, mit Torf heizende Eisenhüttengesellschaft gedeiht. Immerhin ist, wenn man berücksichtigt, daß es den ostfries. Fehnkolonien für den Torfabsatz an nahegelegenen großen Städten mangelte, ihre Entwicklung nicht unbefriedigend. Einschließlich Augustfehn umfassen jetzt ihre Hauptkanäle (s. die Tabelle, S. 629) 196,9 km gegen 64,6 im J. 1789, ihre Inwieken 60,5 gegen 17,5 km, ihre kultivierten Moorflächen (diese ohne Augustfehn und die andern oldenb. Fehnkolonien) rund 10000 ha gegen 1392 im J. 1816; die Einwohnerzahl ist von 5236 (1816) auf rund 17000, die Zahl der Torfschiffe und Seeschiffe von 305 und 88 (1816) auf 906 mit 8481 und 616 mit 13913 t gestiegen. Die kleinen oldenb. Fehnkolonien (Peters-, Elisabeth-, Barger-, Friedrichs-Fehn u. a.) liegen im Gegensatz zu den ostfriesischen nahe an schiffbaren Wasserläufen, haben guten Torfabsatz in der Umgegend und sind, namentlich in Bezug auf Größe der Kolonate (nicht unter 4 ha), zweckmäßiger angelegt, sodaß sie gut vorwärts kommen.

In einem gewissen Gegensatz zu den Fehnkolonien stehen die Moorkolonien. Denn wenn auch von ihnen aus Torfverschiffung stattgefunden hat und noch stattfindet, so ist hier der Endzweck der Kolonisierung nicht die Kultivierung des Mooruntergrundes, sondern der Mooroberfläche selbst (s. Moorkultur). In den ehemaligen Herzogtümern Bremen und Verden auf dem rechten Ufer der Weser, entlang der in diese bei Vegesack mündenden Wümme und ihres rechten Nebenflusses, der Hamme, ebenso an der Oste, ferner in Ostfriesland und in den Mooren des jetzigen Reg.-Bez. Osnabrück, sowie in Oldenburg, wurden in den J. 1720 bis 1850 und 1768 (oder 1765) bis in die neueste

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 631.