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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Feigenbaum - Feigheit
ursprünglich einheimische Baum findet sich gegen-
wärtig wild oder verwildert in allen Mittelmeer-
ländern, wo er meist strauchartig oder als kleiner,
krummstämmiger Baum in Hecken, an Waldrändern
und Felsen vorkommt und nur kleine, ungenieß-
bare Früchte trägt. Dagegen wird der kultivierte
Feigenbaum in Südeuropa und allen wärmern
Ländern bei gehöriger Pflege zu einem, wenn auch
nicht hohen, aber wegen seiner breitästigen, malerisch
geformten und schönbelaubten Krone stattlichen
Baum. Die Rinde ist weihgrau, die Zweige sind
behaart, die Blätter herzförmig und drei- bis fünf-
lappig, schön grün, aber scharfhaarig. Die Früchte
sind zuletzt birnförmig oder kugelig, sehr verschieden
an Größe, Form und Färbung sowohl der Haut
als des Fleisches, denn es giebt von diesem, seit den
ältesten Zeiten kultivierten Baume zahllose Abarten,
Spielarten und Varietäten. Die gemeine F. ist
im reifen Zustande außen purpurblau und fein be-
reift, innen grünlichweiß. Ferner giebt es kleine
weihe und kleine grünlichgelbe F. mit rotem Fleisch.
Die große, weiße Genueser F. ist kugelig mit
dünnem Stiel, äußerlich weiß, inwendig rot. Diese
und die F. von Savoyen gelten für die besten.
Die F. der Levante oder die Smyrnaer F. sind
gleichfalls sehr geschätzt und kommen in großen
Mengen getrocknet in den Handel.
Berühmt ist seit alten Zeiten dieKaprifikation
der F. Es giebt nämlich eine kleine Gallwcspe, die
Feig eng all wespe (^nip8 pssusg ^.), die die F.
des wildwachsenden Baums ansticht, um ihre Eier
hineinzulegen. Infolge davon wird die wilde F. viel
größerund saftiger, auch zuckerreicher, als es sonst
der Fall sein würde, ^chon im Altertum hing man
deshalb angestochene wilde F. an die Zweige der an-
gebauten Feigenbäume, um deren Früchte durch die
ausschlüpfenden Wespchen ebenfalls anstechen zu
lassen, ein Verfahren, das jetzt in allen Ländern,
wo man den Feigenbaum als Ödstbaum anbaut, au-
gewendet und Kaprisikation genannt wird, weil der
wilde Feigenbaum ca^iiiieuL, d. i. Geißfeige, hieß.
Die Kultur des Feigenbaums bildet in den
wärmern Ländern einen sehr wichtigen Zweig der
Obstbaumzucht, denn die Feigenfrucht ist dort nicht
allein ein allgemein beliebtes Obst, sondern auch
ein sehr einträglicher Handelsartikel. Der Baum
macht wenig Ansprüche an den Boden, verlangt
aber viel Wärme (sonnige Lage), Licht und Wasser
und eine sorgsame Pflege, besonders hinsichtlich des
Schnittes. In Deutschland wird er meist als Topf-
gewächs behandelt und muh in einem frostfreien
Zimmer oder im Kalthaus überwintert, oder wenn
man ihn in geschützter Lage im freien Lande stehen
hat, gut in Stroh eingepackt, noch besser mit Bretter-
kästen, die eine Laubumhüllung erhalten, umgeben
werden. In großen Obsttrcibereien wird er auch
an Spalieren in Gewächshäusern oder Mauern
ohne Heizuug^kultiviert. Die getrockneten F. kommen
entweder an schnüre gereiht (Kranz feigen, Wert
etwa 50 M. für 100 k^) oder in runde Schachteln
(Trommel- oder Kalamatafeigen) oder in
Kistchen verpackt (Malagafeigen) in den Handel
und werden zu Desserts (Smyrnaer Tafelfeigen,
Wert etwa 130 M. für 100 k^) und zu arzneilichen
Zwecken verwendet. Zu letztern nimmt man gewöhn-
lich die Kranzfeigen, welche aus geringern, dick-
schaligen Sorten bestehen. Haupthandelsplatz für
F. ist Trieft. Man braucht die getrockneten F. un-
präpariert oder in Milck gekocbt als erweichendes
und kühlendes Mittel bei entzündlichen Geschwülsten
(Zahngeschwüren u. s. w.), Entzündung der At-
mungsorgane, namentlich der Kinder u. s. w., ge-
röstet auch als Feigenkaffee (s. d.). Der Feigen-
käfe aus Spanien und der Fkigenkuchen aus
Griechenland sind in Käse- oder Kuchenform mit
Kräutern und Gewürzen zusammengepreßte F.
Zu der nämlichen Gattung gehören einige in ihrer
Wachstumsweise dem Epheu sich anschließende Arten
Chinas an, nämlich 1^icu8 8c3.uä6U8 ^am., ein stark
verästelter Strauch mit immergrünen ovalen oder
elliptischen Blättern, welcher,'gegen eine Mauer
gepflanzt, diese in kurzer Zeit nnt einem dichten
Netze von Zweigen und Laubwerk überzieht, und
1?ieu8 dard^ta. I^aU., von jener Art durch herz-
förmige, größere und schönere Blätter unterschieden.
Beide werden in Gewächshäusern angepflanzt, um
Mauerwände und Felfen zu bekleiden. Erstere Art
kann auch als Ampelpflanze Verwendung finden.
Auch hier sieht man an ausgewachsenen Individuen
die jüngsten Zweige sich von der stützenden Mauer
ablösen, sich aufrichten, blühen und fruchten.
Von den übrigen Ficusarten sind noch erwäh-
nenswert die Sykomore (s. d.) und der in Ost-
indien einheimische bekannte Gummibaum, ^ieus
6i3.8tio3. ^. (s. Gummibaum). Aus dem Milchsafte
des letztern sowie aus demjenigen der gleichfalls in
Ostindien einheimischen ?icu8 inäic^ ^onb., ^icus
verrucosH I^M., ^ieii8 I)6UAli3.i6ii8i8 ^). u. a. und
auch einiger südamerik. Formen, wie ^ieii3 eiliptica
^5/ö., ^ieu8 pi'w0iä68 W". u. a. wird Kautschuk
gewonnen. Ferner liefert ^ioii8 inäic^ und der den
Indiern heilige Götzen bäum ^icu8 i'6iißio89. ^.
Gummilack oder Schellack (s. d.). Die erstere Art
zeichnet sich durch die Eigentümlichkeit aus, daß aus
den Asten zahlreiche Luftwurzeln entstehen, die in die
Erde eindringen und nun als säulenförmige Stützen
die mächtig ausgebreitete Laubkrone tragen, sodaß
allmählich aus einem Exemplare eine ganze Gruppe,
ein kleiner Wald hervorgeht, der eine gemeinschaft-
liche Velaubung besitzt. - Vgl. von Solms-Laubach,
Die Herkunst, Domestikation und Verbreitung des
gewöhnlichen Feigenbaums (Gott. 1882); P. Mayer,
Zur Naturgeschichte der Feigeninsekten (im "Zoolog.
Jahresbericht für 1881", Lpz. 1882).
Feigenbaum, s. Feige.
Feigendistel, f. Opuntia.
Feigeneisblume, f. N6L6mdr^ant1i6muiu.
Feigenfrucht. Diese für die Gattung ^IcuL
(s. Feige) charakteristische Fruchtform entsteht aus
einem gemeinsamen Vlütenboden, der krugförmig
nach oben und am Scheitel einwärts gebogen und
hier durch Schuppen verschlossen ist. (S. die Text-
abbildung zum Artikel Urticaceen.) An der innern
Wand des hohlen Vlütenkrugs, der zur fleischigen
Frucht auswächst, stehen die Blüten, später die
Früchtchen (Nüßchen). Die F. gehört in die Kate-
gorie der Scheinfrüchte (f. Frucht).
Feigengallwefpe, s. Feige.
Feigenkaffee, Kaffeezusatz, der aus getrockneten,
in stücke zerschnittenen und wie die Kaffeebohnen
braungerösteten Feigen hergestellt wird. Man mahlt
oder stößt die gerösteten Feigen zu Pulver und setzt
ein wenig dem gemahlenen Kaffee zu.
Feigenkaktus, s. Opuntie.
Feigenkäfe, Feigenkuchen, s. Feige.
Feigenwurz, s. KHQuiiciiw8.
Feigheit, die Neigung, sein Handeln durch Furcht
bestimmen zu lassen. Die militärische F. ist die