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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Festungsachat - Festungskrieg
Geschütze und ihrer geringen Befähigung zum in- ^
direkten Schuß zu rechnen hatte, besaß das neu-
preuß. System große Vorzüge; dem gezogenen Ge-
schütz gegenüber konnten die Anordnungen dieses
Systems nicht mehr als genügend widerstandsfähig
betrachtet werden. ^ Dies führte zu umfassenden
Änderungen, die in der zur Zeit maßgebenden
Preußisch-deutschen Bcfestigungsmanier
(s. d.) zum Ausdruck kamen. Aber auch diese Ma-
nier, welche bestrebt war, der großen Schußweite,
Trefffähigkeit, Durchschlagskraft und Spreng-
wirkung der gezogenen Geschütze nach Möglichkeit
Rechnung zu tragen, sah sich den allerneuesten
Fortschritten auf artilleristischem Gebiet (schwere
Mörscrgeschosse mit brisanter Sprengladung) gegen-
über seit 1886 zu mehrfachen Änderungen ihrer
Anordnungen genötigt; man muhte unter Bei-
behaltung der Grundformen der Manier zu andern
Baumittcln und Konstruktionen greifen, um den
in Bezug auf die Deckung gesteigerten Anforderun-
gen gerecht werden zu können.
Aus vorstehender Übersicht erhellt, daß die
Schöpfungen der permanenten Kriegsbaukunst zwar
für eine lange Dauer dienen, aber nur die zur Zeit
ihres Entstehens geltenden militär. Anschauungen
und Erfahrungen zum Ausdruck bringen können.
Es kann daher nicht ausbleiben, daß bei den Fort-
schritten in allen Zweigen der Kriegskunst und
Technik jederzeit und in jedem Lande F. vorhanden
sind, die den Anforderungen der Gegenwart nicht
vollkommen entsprechen. Bei der Verteidigung
aller Befestigungen aber ist in erster Linie der Geist
der Besatzung und der Charakter des Kommandan-
ten, nicht Zadl und Form der Werke die Hauptsache.
Je einfacher die Anlagen sind, um so besser werden
die Verteidiger davon Gebrauch machen können. -
Vgl. Henning, Unsere F. (Berl. 1890).
Festungsachat, s. Achat.
Festungsartillerie, in Deutschland jetzt Fuß-
artilleric genannt, derjenige Zweig der Artillerie
(s. d., Bd. 1, S. 950), dem die Besetzung der Vc-
lagerungs- wie der Festungsgeschütze obliegt.
Festungsbau, s. Permanente Befestigung.
Festungsbauschule, zu Berlin, bildet Unter-
offiziere der Pionierbataillone für den praktischen
Dienst im Festungsbauwesen aus. Für Bayern be-
stebt eine periodische F. seit 1893 in Ingolstadt.
Festungsdreieck, s. Festungen s^. 711a).
Festungsgefchütze oder Defensionsgeschütze,
Geschütze, die^zur Armierung der Festungen die-
nen; sie umsahen, der Vielseitigkeit ihrer Aufgaben
halber, fast alle Geschützarten und Kaliber, um so
mehr, als häusig veraltetes Material der Festungs-
und Belagerungsartillerie in den Festungen, die am
wenigsten eines einheitlichen Materials bedürfen,
Verwertung findet. Die Lafettierung der F. ist zum
großen Teil mit derjenigen der Velagerungs-,
zum geringern mit derjenigen der Feldartillerie
übereinstimmend; F. in Kasematten undinPanzcr-
ständen bedingen eine besondere Lafettierung. <S.
Geschütz und Lafette.)
Festungsgruppe, f. Festungen l^. 711 a).
Festungshaft sin vielen andern Strafgesetzen
Festungsstrafe, im Österr. Strafgesetzentwurf
von 1889 Staats gesän gnis), im Deutschen
Strafgesetzbuch Bezeichnung derjenigen Art der
Freiheitsstrafen (s. o.), die in Freiheitsentziehung
mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebens-
weise der Gefangenen besteht, Über die Art der
Beaufsichtigung sagt das Gesetz nichts; das ist dem
Reichsstrafvollzugsgesetz überlassen und da es an
einem solchen bis jetzt fehlt (s. Strafvollzug), der par-
tikulären Gesetzgebung. Der Mangel des Arbeits-
zwanges unterscheidet die F. von Zuchthausstrafe
(s. d.) und Gefängnisstrafe (s. d.). Mit der Haft hat
sie das gemein, daß sie keine entehrende Strafe ist
(bei wahlweiser Androhung von Zuchthaus und
F. darf auf Zuchthaus nur erkannt werden, wenn
die strafbare Handlung aus einer ehrlosen Gesin-
nung entsprungen ist), sie unterscheidet sich aber
von der Haft dadurch, daß sie die schwerere, auf
Verbrechen und Vergehen angedrohte Strafe ist.
Die F. ist eine lebenslängliche oder zeitige; Höchst-
betrag 15 Jahre, Mindestbetrag 1 Tag. Als aus-
schließliche strafe kommt die F. nur vor beim Zwei-
kampf (s. d.) und bei hochverräterischen Unterneh-
mungen gegen befreundete Staaten, soweit diese
überhaupt strafbar sind. Meist ist sie wahlweise
neben Zuchthaus und Gefängnis angedroht, so bei
Hoch- und Landesverrat, Majestätsbeleidigung,
Sprengung von gesetzgebenden Versammlungen und
Nötigung von Abgeordneten zur Stimmabgabe.
Die F. wird in Festungen oder andern dazu bestimm-
ten Räumen vollzogen. Die Räume der Festungen,
in welchen die F. vollstreckt wird, führen nach dem
Militär-Strafvollstreckungsreglement vom 2. Juli
1873 die Bezeichnung Festungsstuben-Gefangen-
anstalten. Andere Räume werden regelmäßig nur
dann benutzt werden, wenn es sich um ganz kurze
strafen oder etwa um eine gegen eine Frauens-
person zu vollstreckende F. handelt.
Ein von den Grundsätzen des Reichsstrafgesetz-
buchs wesentlich abweichender Strafvollzug findet
bei der F. des Militärstrafgesetzbuchs nicht statt; nur
bat die gesetzlich zugelassene Beschäftigung der Ge-
fangenen zu militär. Zwecken und unter militär.
Aufsicht stattzufinden.
Festungsinspektion, s. Ingenieurinspektion.
Festungskrieg, Gesamtbezeichnung für alle um
den Besitz von Festungen geführten Kämpfe und ge-
troffenen Maßnahmen, zerfällt in Angriff und
Verteidigung. In den Besitz einer Festung setzt
sich der Angreifer entweder durch Einschließung,
die schließlich durch moralische Einwirkung, nament-
lich aber durch Aushungern zur Übergabe des
Platzes führen kann, oder durch wirklichen An-
griff. In letzterm Falle muß der Angreifer sich zu-
nächst zum Herrn des Vorgeländes machen, sich dann
den Werken näbcrn, die Vertcidigungs- und Hinder-
nismiitel der Festung zerstören oder anderweitig
überwinden und schließlich in die Umfassung der
Festung mit stürmender Hand eindringen. Die An-
näherung des Angreifers kann gedeckt oder un-
gedeckt ausgeführt werden. Die ungedeckte An-
näherung ist dem Überfall (s. d.) und dem Ge-
waltsamen Angriff (s. d.), die gedeckte dem
Förmlichen Angriff (s. d.) eigentümlich.
Geschichtliches. Die geschichtliche Entwicklung
weist drei große Hauptabschnitte auf: 1) die Zeit
des Altertums und Mittelalters bis zur Einführung
der Pulvergeschütze; 2) die Zeit der glatten Geschütze
bis zur Mitte des 19. Jahrh.; 3) die Zeit der ge-
zogenen Geschütze, die Gegenwart. Die für die ersten
sind in zahllosen mehr oder weniger vollkommen
durchgeführten Beispielen praktisch erprobt worden;
die neuere Theorie des F. hat vorläufig zu praktischer
Erprobung noch keine Gelegenheit gehabt.