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Fichte (Imman. Herm. von) – Fichte (Joh. Gottlieb)
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Fichte'
fichte
(
Picea pendula
Carr.
) mit lang herabhängenden Ästen 2. und 3. Ordnung (hierher gehört auch die schwed.
Picea viminalis
Alstr.
),
Schwarzfichte mit dunkeln Nadeln, etwas dunklerm und festerm
Holze, straffen Ästen, die erst 8‒14 Tage später ihre Winterknospen öffnet, daher weniger von
Spätfrösten leidet, als die sog.
Weißfichte mit leichterer
Benadelung, schlaffern Ästen und weicherm, weißerm Holze. In den Alpen wird die auch im Böhmerwald
vorkommende sog.
Haselfichte auch
Weißfichte
genannt, sie zeigt wellenförmigen Verlauf der Jahresringe und ist daher auf Radial- und
Sehnenschnitt geflammt. Andere Varietäten sind die
Karpatenfichte
(
carpathica
Loudon
),
sibirische F. (
obovata
Ledeb.
,
altaica
Teplouchow
). Diese und andere Varietäten werden in Gärten nicht selten als besondere Arten angepflanzt. Von
fremdländischen Arten der Gattung
Picea sind hauptsächlich zu
nennen:
schwarze F. (
Picea nigra
Lk.
,
Mariana
Mill.
), ein schöner Baum mit kegelförmiger Krone, dunkelgrünen dicht stehenden Nadeln und kleinen
Zapfen, heimisch im engl. Nordamerika und im Osten der Vereinigten Staaten südlich bis Nordcarolina;
rote F. (
Picea rubra
Lk.
,
americana
Gaertn.
), unserer F. sehr ähnelnd, unterscheidet sich von ihr durch die an der Oberseite mehr oder weniger
blaugrünen Nadeln, erreicht auch nie die Höhe der gemeinen F., heimisch wohl nur im engl.
Nordamerika;
weiße F. (
Picea alba
Mich.
,
laxa
Ehrh.
) mit graugrünen, bisweilen blaugrünen, nicht sehr dicht stehenden Nadeln, heimisch in den
Vereinigten Staaten und im engl. Nordamerika. Namentlich
nigra und
alba
findet man oft in Gärten angepflanzt, ebenso die aus Kleinasien stammende
morgenländische F. (
Picea orientalis
L.
), die sich durch sehr dicht gestellte kurze dunkle Benadelung auszeichnet; seltener findet man die
im norddeutschen Klima durch harte Winter leidende
Smiths Fichte (
Picea Smithiana
Wall.
), die in ihrer Heimat, dem Himalajagebirge, zu einem schönen, schlanken Baum mit etwas
überhängenden Ästen erwächst.
Fichte, Imman. Herm. von, Philosoph, Sohn von Joh. Gottlieb F., geb. 18.
Juli 1796 zu Jena, studierte in Berlin Philologie, widmete sich jedoch, angeregt durch die spätere
Philosophie seines Vaters, auch philos. Studien, die er fortsetzte, als er erst in Saarbrücken, dann
als Gymnasialprofessor in Düsseldorf im Schulfache thätig war. 1835 wurde er außerord., 1839 ord.
Professor der Philosophie in Bonn, 1842 in Tübingen; 1863 zog er sich ins Privatleben nach Stuttgart
zurück, wo er 8. Aug. 1879 starb. F. sucht den idealistischen Monismus mit dem realistischen
Individualismus (Hegel und Herbart) zu einem «ethischen Theïsmus» zu verschmelzen, indem er die
endliche Welt für ein System von beharrlichen, innerlich aufeinander bezogenen «Realen» (Monaden,
Urpositionen) erklärt, diese ordnenden Beziehungen aber aus einem «zwecksetzenden Princip», als
«absolute Persönlichkeit» gedacht, abzuleiten sucht, so daß die einzelnen Seelen, wie sie
theoretisch die Kraft ihres Bewußtseins nur aus dem göttlichen Urbewußtsein ziehen, so auch in
ihrem praktischen Verhalten den Grund der sie verknüpfenden Liebe nur in der göttlichen Liebe haben.
F.s Lehre bildet den Versuch, die Leibnizsche Metaphysik mit der ethischen Teleologie der
nachkantischen Philosophie zu vereinigen. Abgesehen von Gelegenheitsschriften und zahlreichen
Abhandlungen in der von ihm seit 1837
↔
herausgegebenen «Zeitschrift für Philosophie und spekulative Theologie» (Bonn und Tüb. 1837‒46;
fortgesetzt als «Zeitschrift für Philosophie und philos. Kritik» in Verbindung mit Ulrici und Wirth,
Halle 1847 fg.) sind seine philos. Schriften: «Sätze zur Vorschule der Theologie» (Stuttg. 1826),
«Beiträge zur Charakteristik der neuern Philosophie» (Sulzb. 1829; 2. Aufl., als völlig neues Werk
zu betrachten, ebd. 1841), «Grundzüge zum System der Philosophie», Abteil. 1: «Das Erkennen als
Selbsterkennen» (Heidelb. 1833), «Religion und Philosophie in ihrem gegenseitigen Verhältnis» (ebd.
1834), «Die Idee der Persönlichkeit und der individuellen Fortdauer» (Elberf. 1834; 2. Aufl., Lpz.
1856), «Über die Bedingungen eines spekulativen Theïsmus» (Elberf. 1835), «Grundzüge zum System der
Philosophie», Abteil. 2: «Ontologie» (Heidelb. 1836) und Abteil. 3: «Die spekulative Theologie»
(ebd. 1846), «System der Ethik» (2 Bde. in 3 Tln., Lpz. 1850‒53), «Anthropologie» (ebd. 1856; 3.
Aufl. 1876), «Psychologie» (2 Tle., ebd. 1864 u. 1873), «Die Seelenfortdauer und die Weltstellung
des Menschen» (ebd. 1867), «Vermischte Schriften zur Philosophie, Theologie und Ethik» (2 Bde., ebd.
1869), «Die theïstische Weltansicht und ihre Berechtigung» (ebd. 1873), «Fragen und Bedenken über
die nächste Fortbildung deutscher Spekulation» (ebd. 1876), «Der neuere Spiritualismus, sein Wert
und seine Täuschungen» (ebd. 1878), «Spiritualistische Memorabilien» (in den «Psychol. Studien»,
ebd. und Neuyork 1879).
Sein Sohn, Eduard von F., Generalarzt und Abteilungschef im
Kriegsministerium an der Spitze des württemb. Militär-Sanitätswesens, geb. 24. März 1826, hat sich
auf dem Gebiete der militärärztlichen Organisation vorteilhaft bekannt gemacht. Außer in
Fachzeitschriften erschienenen chirurg. Arbeiten schrieb er «Joh. Gottlieb F. Lichtstrahlen aus
seinen Werken und Briefen» (Lpz. 1863).
Fichte, Joh. Gottlieb, Philosoph, geb. 19. Mai 1762 zu Rammenau bei
Bischofswerda in der Oberlausitz, besuchte Schulpforta und studierte zu Jena und Leipzig Theologie.
Er war 1788‒90 Hauslehrer in Zürich, wo er Pestalozzis Freund war, kam dann nach Leipzig und 1792
nach Königsberg, wo er Kant persönlich nahe trat und ihm einen «Versuch einer Kritik aller
Offenbarung» unterbreitete, der (Königsb. 1792) anonym erschien und für eine Schrift Kants gehalten
wurde. Dies zog die Aufmerksamkeit auf ihn und verschaffte ihm 1793 eine Professur der Philosophie
in Jena. Seine außerordentlich anregende Wirksamkeit unterbrach der sog. «Atheïsmusstreit». Wegen
eines Aufsatzes «Über den Grund unsers Glaubens an eine göttliche Weltregierung» von dem
kurfürstlich sächs. Konsistorium atheïstischer Lehren beschuldigt, wurde er in eine Untersuchung
verwickelt, die bei der aufgeklärten Weimar. Regierung keine nachteiligen Folgen für ihn gehabt
haben würde, wenn er nicht mit Niederlegung seiner Stelle gedroht hätte, worauf er 1799 seine
Entlassung erhielt. F. verteidigte sich in der «Verantwortungsschrift gegen die Anklage des
Atheïsmus» (Jena und Lpz. 1799), lehrte eine Zeit lang in Berlin und wurde 1805 Professor in
Erlangen, mit der Erlaubnis, den Winter in Berlin zuzubringen. Während des Französisch-Preußischen
Krieges ging er nach Königsberg, wo er kurze Zeit Vorlesungen hielt; nach dem Frieden aber kehrte er
nach Berlin zurück und wurde 1809 bei der neu-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 768.