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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fieber

hoben. Zur Messung der Blut- oder Eigenwärme bedient man sich sehr genau gearbeiteter Quecksilberthermometer, deren Skala in Fünftel- oder Zehntelgrade eingeteilt ist und die man am zweckmäßigsten in die vorher von Schweiß gereinigte Achselhöhle einlegt, worauf man die letztere durch festes Anlegen des Arms an die Brustwand schließt. Zuverlässiger ist das Einlegen des Thermometers in den Mastdarm. Das Thermometer soll wenigstens 10-15 Minuten in der festgeschlossenen Achselhöhle liegen bleiben und erst dann entfernt werden, wenn innerhalb 5 Minuten keine merkliche Steigung des Quecksilbers mehr erfolgt; man kann die Dauer der Messung dadurch etwas abkürzen, daß man vor dem Einlegen die Quecksilberkugel vorsichtig über einem Lichte anwärmt. Abgelesen wird natürlich das Thermometer, solange es noch in der geschlossenen Achselhöhle oder im Mastdarm liegt; nur die sog. Maximalthermometer dürfen vor dem Ablesen entfernt werden. Wie oft täglich derartige Temperaturmessungen an dem Kranken vorzunehmen sind, hängt von der Natur der betreffenden fieberhaften Krankheit ab; gewöhnlich sind zwei tägliche Messungen hinreichend, von denen die eine des Morgens zwischen 7 und 9 Uhr (zur Zeit der mutmaßlich niedrigsten Temperatur), die andere in den Nachmittagsstunden zwischen 4 und 6 Uhr (Zeit der mutmaßlich höchsten Temperatur) vorzunehmen ist. Bei schweren Krankheiten kann es von großem Vorteil sein, die Eigenwärme aller 2-4 Stunden durch thermometrische Messung zu bestimmen. Bei länger anhaltenden Krankheiten pflegt man, um ein genaues Bild von dem Gange des F. zu erhalten, die sämtlichen Temperaturbeobachtungen aus einem System senkrecht sich schneidender Koordinaten mit Punkten zu bezeichnen, die letztern durch Striche zu verbinden und so eine graphische Darstellung des Fieberverlaufs, die sog. Temperatur- oder Fieberkurve, zu geben, durch welche der Arzt oft schon auf den ersten Anblick hin über Art und Verlauf des F. und über die Notwendigkeit gewisser therapeutischer Maßregeln sich unterrichten kann.

Nach der Höhe der beobachteten Temperatur unterscheidet man verschiedene Grade des F. Alle Temperaturen über 38° C. sind durchaus fieberverdächtig; 38° bezeichnet man noch als hoch normal, weil diese Temperatur bisweilen bei nicht fieberhaft Erkrankten beobachtet wird; Temperaturen von 38,1 bis 38,5° heißen subfebril (dem F. nahe stehend), von 38,6 bis 39° leichtes F., von 39 bis 40° schlechthin F., von 40 bis 41 bis 42° hohes bis sehr hohes F. Steigt die Temperatur über 42° C. hinaus, so ist dies ein Zeichen des herannahenden Todes (sog. prämortale Temperatursteigerung); die höchste, überhaupt bei einem Lebenden kurz vor seinem Tode beobachtete Temperatur betrug 44,7 °C. Die niedrigsten Temperaturgrade dagegen, welche bei Kranken gefunden wurden, betrugen 33° (in einigen wenigen Fällen selbst 25° C.); man bezeichnet ein so auffallendes, mit mancherlei gefahrdrohenden Symptomen verbundenes Sinken der Eigenwärme als Kollaps (s. d.).

Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs des F. oder des Ganges der Eigenwärme während der ganzen fieberhaften Krankheit unterscheidet man drei verschiedene, mehr oder minder deutlich voneinander gesonderte Stadien: das Anfangsstadium, welches sich entweder allmählich, unter stufenweisem Ansteigen der Temperatur entwickelt oder ganz plötzlich mit einem heftigen Frost und darauf folgender rapider Temperatursteigerung beginnt, das Stadium der Fieberhöhe (Akme oder Fastigium), der vollsten Entwicklung des F., welches meist eine längere Dauer, von einigen Tagen bis 3 Wochen und darüber besitzt und sich dadurch auszeichnet, daß die Temperatur, abgesehen von kleinern Schwankungen, sich während der ganzen Zeit auf annähernd gleicher Höhe erhält, und endlich das Stadium der Abnahme oder Entfieberung (Defervescenz), während dessen die erhöhte Temperatur dauernd wieder zur Norm zurückkehrt. Diese Entfieberung erfolgt entweder plötzlich, in raschem Zuge in Form einer sog. Krisis, wobei binnen wenigen Stunden die gesteigerte Temperatur und Pulsfrequenz zur Norm abfallen, der Kranke sich plötzlich erleichtert fühlt, alle nervösen Symptome verschwinden und ein ruhiger, erquickender Schlaf sich einstellt, oder nach und nach, in langsamerm Zuge in Form einer sog. Lysis oder Lösung, bei welcher die Temperatur stufenweise im Laufe einiger Tage, höchstens einer Woche, bis zur Norm herabsinkt. In vielen Fällen tritt die Krisis ein, wenn der Krankheitsprozeß sein Ende erreicht hat, so bei den sog. akuten Exanthemen (Pocken, Masern, Scharlach), wenn sich der Ausschlag völlig ausgebildet hat, bei der Lungenentzündung nach der Ausbildung des Exsudats in den Lungen u. s. w. An das Stadium der Entfieberung reiht sich schließlich das Stadium der Rekonvalescenz oder Genesung an, welche je nach der Schwere und Intensität der vorausgegangenen Krankheit und je nach der Konstitution des Kranken eine verschieden lange Dauer in Anspruch nimmt. Wenn das F. im Stadium der Fieberhöhe schließlich nicht herabsinkt, sondern eine weitere Steigerung auf 42° C. und darüber erfährt, so ist ein tödlicher Ausgang des F. zu erwarten, da so hohe Temperaturen das Leben des Kranken auf das höchste gefährden.

Außer den eben besprochenen Stadien, die einer jeden fieberhaften Krankheit zukommen, unterscheidet man noch weiterhin gewisse typische Verlaufsformen des F., sog. Fiebertypen, durch welche die Art und Weise des Fieberverlaufs an mehrern aufeinander folgenden Tagen veranschaulicht wird. Man unterscheidet in dieser Beziehung folgende vier Fiebertypen: 1) Das anhaltende oder kontinuierliche F. (Febris coutinua), welches tagsüber nur sehr geringe Schwankungen darbietet, so daß der höchste und tiefste Stand der Temperatur an einem Tage nicht mehr als höchstens 0,5° C. differiert; betragen die täglichen Temperaturschwankungen etwas mehr, etwa 0,5 bis 1°, so pflegt man von einem subkontinuierlichen F. zu sprechen. 2) Das nachlassende oder remittierende F. (Febris remittens), das dadurch charakterisiert ist, daß die täglichen Temperaturschwankungen mehr als einen Grad oder selbst mehrere Grade betragen, und daß die höchste Temperatur gewöhnlich in die Abendstunden, die niedrigste (die sog. Remission) in die frühen Morgenstunden fällt. Dieser Fiebertypus ist ein sehr häufig vorkommender und günstiger als der vorige. 3) Das aussetzende oder intermittierende F. (Febris intermittens), dessen bekanntester Repräsentant das Wechselfieber ist; es besitzt die Eigentümlichkeit, daß bei ihm Fieberanfälle (sog. Paroxysmen) mit völlig fieberfreien Tagen (Apyrexie) in einer meist genau eingehaltenen Reihenfolge abwechseln. Bei einem solchen Fieberanfall, der