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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fieber

oft mit einem heftigen Schüttelfrost beginnt, steigt die Temperatur gewöhnlich sehr rasch, binnen 1-2 Stunden, auf eine Höhe von 40 bis 41° C., erhält sich auf dieser Höhe einige Stunden und fällt dann während eines Zeitraums von 8 bis 10 Stunden stufenweise zur Normaltemperatur herab. Derartige Fieberanfälle können sich entweder täglich einstellen, sodaß die fieberlose Zeit kaum einen halben Tag dauert (sog. Quoditianfieber), oder aller 2 Tage, mit einem ganzen fieberfreien Tag dazwischen (sog. Tertianfieber), oder aller 3 Tage, mit zwei fieberlosen Tagen dazwischen (sog. Quartanfieber) u. s. w. Im allgemeinen ist die Gefahr eines solchen intermittierenden F. geringer als die eines nachlassenden oder gar anhaltenden Fieberverlaufs, da der Körper sich während der fieberlosen Zeit einigermaßen erholen kann. 4) Das wiederkehrende oder rekurrierende F. (Febris recurrens), eine seltener vorkommende Fieberform, die sich dadurch auszeichnet, daß auf einen länger (durchschnittlich 5-7 Tage) dauernden Fieberanfall eine ebenso lange dauernde fieberfreie Zeit folgt, worauf plötzlich und unerwartet statt der gehofften Genesung ein erneuter Fieberparoxysmus folgt. Am ausgesprochensten findet sich dieser Fiebertypus beim sog. Rückfalltyphus (s. d.). Eine rudimentäre Fieberform stellt das sog. ephemere F. (Febricula) dar, welches sich durch seine außerordentlich kurze Dauer auszeichnet und trotz seiner oft beträchtlichen Höhe (bis 40,5° C. und darüber) meist schon nach wenigen Stunden, spätestens nach einem Tage ohne weitere Zeichen einer Allgemeinstörung und ohne weitere Folgen wieder verschwindet. Ein solches ephemeres F. entsteht gewöhnlich bei empfindlichen Personen (Kindern, Frauen, Rekonvalescenten) auf ganz geringfügige Veranlassungen hin, welche bei kräftigern Individuen eine Störung der Konstitution nicht hervorbringen.

Abgesehen von den oben angeführten Fiebertypen hat man von alters her noch drei verschiedene Fieberarten aufgestellt, die durch das Überwiegen gewisser anderer Symptome einen eigenartigen Charakter darbieten: 1) Das entzündliche F. oder Reizfieber (Febris erethica), welches bei ausgedehnten schweren Entzündungen (wie der Lungen- und Rippenfellentzündung) und bei sonst kräftigen Personen vorkommt und sich durch hohe Bluttemperatur, durch anhaltenden oder schwach nachlassenden Fiebertypus, harten, vollen Puls, lebhaft gerötetes Gesicht, heftigen Durst, stark sedimentierenden Harn, Unruhe und Delirien des Kranken zu erkennen giebt. Die Aussicht auf Genesung ist im allgemeinen beim entzündlichen F. günstig, vorausgesetzt, daß der Kranke hinreichend kräftig ist. 2) Das nervöse F. (Febris adynamica), welches sich vorwiegend bei zarten oder durch vorausgegangene Krankheiten geschwächten oder durch das Alter erschöpften Personen vorfindet; es zeichnet sich durch große Hinfälligkeit und Schwäche, außerordentlich frequenten, kleinen Puls, schlaffes, eingefallenes Gesicht, Delirien und Schlaflosigkeit sowie durch starke Schweiße aus; trotz der hohen Temperatur des Rumpfes fühlen sich die Extremitäten kühl an, und häufig besteht große Neigung zum Aufliegen (s. d.). Die Vorhersage ist bei dieser Fieberart in der Mehrzahl der Fälle ungünstig, weil der Kranke zumeist außerordentlich erschöpft und sein Organismus nicht im stande ist, die durch das F. gesetzten Störungen zu überwinden. 3) Das Zehrfieber oder hektische F. (Febris hectica), das sich bei den verschiedensten Auszehrungskrankheiten, namentlich bei der chronischen Lungenschwindsucht sowie bei innern und äußern Eiterungen und Verschwärungen zeigt; es giebt sich gewöhnlich dadurch zu erkennen, daß der Kranke trotz guten Appetits und reichlicher Nahrungszufuhr auffallend abmagert und sichtlich abzehrt. Gewöhnlich bietet das Zehrfieber einen stark und unregelmäßig nachlassenden Fiebertypus (hohe Abend- und niedrige Morgentemperaturen) dar; der Kranke fröstelt, hat gerötete und heiße Wangen, heiße Hände, matte Augen, wird in den frühen Morgenstunden von starken und quälenden Schweißen mit dem nachfolgenden Gefühl großer Ermattung befallen; auch stellen sich nicht selten reichliche erschöpfende Durchfälle ein. Die Vorhersage ist meist ungünstig, weil das Zehrfieber meist sehr lange andauert und daher auch mit einer beträchtlichen Konsumtion des Körpers verbunden ist.

Die Frage nach den eigentlichen Ursachen und der Entstehung des F. hat von jeher das lebhafte Interesse der Ärzte und Pathologen erregt, wurde aber erst in den ersten Decennien des 19. Jahrh. dadurch wesentlich gefördert, daß die Ansicht der ältern Schulen, wonach das F. eine eigenartige und selbständige, nicht von anatom. Veränderungen abhängige Störung der Lebenskräfte sei, durch Broussais, Schönlein u. a. wirksam bekämpft und der wichtige Nachweis geführt wurde, daß sich bei jedem F. eine örtliche Organerkrankung, ein Krankheitsherd ausfinden läßt, von dem aus sodann durch Vermittelung des Blutes der Gesamtorganismus in der dem F. eigentümlichen Weise beeinflußt und verändert wird. Weitere Untersuchungen haben gelehrt, daß durch den Übertritt von fiebererregenden sog. pyrogenen Stoffen, vor allem durch die Bakterien und ihre chem. Stoffwechselprodukte eine eigentümliche Veränderung des Blutes bedingt wird, welche ihrerseits wiederum eigenartige Wirkungen auf das Nervensystem, insbesondere auf die Gefäßnerven und denjenigen Teil des Nervencentralapparats, welcher der normalen Wärmeregulierung des tierischen Körpers vorsteht, ausübt und dadurch eine ganz beträchtliche Steigerung der Wärmeproduktion zur Folge hat. Die Einzelheiten dieses Vorgangs sind noch nicht genauer bekannt; nur so viel steht fest, daß durch das Fieberblut die Nerven der Gefäßwandungen und das im verlängerten Mark gelegene wärmeregulierende Nervencentrum übermäßig erregt und infolgedessen eine lebhafte, alle Gewebe des Körpers mehr oder minder betreffende Steigerung des allgemeinen Stoffwechsels hervorgerufen wird, mit welcher eben eine entsprechende Steigerung der Wärmeproduktion verbunden ist. Da nun aber mit dieser vermehrten Wärmebildung nicht, wie im normalen Zustande, eine vermehrte Wärmeabgabe Hand in Hand geht, so muß eine mehr oder weniger beträchtliche Überheizung des Blutes und sämtlicher Organe und damit der ausgesprochene Symptomenkomplex des F. die unausbleibliche Folge sein, die so lange andauert, als die pyrogenen (fiebererregenden) Stoffe im Blute cirkulieren.

Hinsichtlich der Bedeutung des F. und seiner Folgen für den Gesamtorganismus ist zu betonen, daß jedes F. an sich gewisse, nicht zu unterschätzende Gefahren für den Körper mit sich bringt, die um so größer und ernstlicher sind, je länger anhaltend und je kontinuierlicher sein Verlauf ist und je höhere