Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Fingerhandschuhe; Fingerhut

802

Fingerhandschuhe – Fingerhut

leidenschaft ziehen kann. Derartige F. entstehen am häufigsten bei Personen der dienenden und arbeitenden Klassen (Dienstmädchen, Fleischern, Köchinnen, Schlossern u. dgl.), indem bei ihnen geringfügige Verletzungen der Finger, die oft übersehen oder mißachtet werden, wie Nadelstiche, eingestochene Splitter, abgerissene Niet- oder Neidnägel, sehr leicht durch Schmutz oder faulige Stoffe infiziert und so zum Ausgangspunkt einer heftigen Entzündung werden; besonders häufig geschieht dies bei jugendlichen Personen, da deren Haut noch leicht verletzlich und ihre Lymphgefäße besonders leicht empfänglich sind. Die eigentliche Ursache der F. liegt in dem Eindringen von Eiterkokken (Bakterien), insbesondere von Staphylococcus und Streptococcus pyogenes (s. Eiter und Eiterung) in kleine Hautrisse und Hautwunden am Finger und der hierdurch bedingten Wundinfektion. Der Verlauf der F. ist je nach Sitz, Tiefe und Ausbreitung der Entzündung sehr verschieden, und es zeichnen sich namentlich alle tiefer, unter der sehnigen Aponeurose des Fingers gelegenen Entzündungen durch viel größere Schmerzhaftigkeit, durch langwierigern Verlauf und durch ihre große Neigung, auf benachbarte Gewebe überzugreifen, vor den oberflächlicher gelegenen Entzündungen aus.

Die oberflächliche F. (Panaritium cutaneum und subcutaneum) hat ihren Sitz in der Haut und in dem fettreichen Unterhautzellgewebe und entwickelt sich am häufigsten am vordersten Fingergliede, wobei dieses mehr oder minder anschwillt, sich rötet und von heftig klopfenden, den Schlaf raubenden Schmerzen befallen wird, bis sich schließlich auf der geröteten, entzündlich erweichten Haut eine weiche weiße Stelle bildet, welche endlich aufbricht und dem angesammelten Eiter einen Ausweg nach außen verschafft, worauf gewöhnlich bald Heilung erfolgt. War bei der Entzündung gleichzeitig das Nagelbett mit ergriffen, so wird gewöhnlich der Nagel durch die eintretende Eiterung gelockert, schließlich abgestoßen und ein neuer gebildet, der nur allmählich und langsam auf dem Nagelbett vorrückt. Die tiefere F. (Panaritium tendinosum und periostei) nimmt ihren Ausgangspunkt von den Sehnenscheiden oder von der Knochenhaut des betreffenden Fingergliedes, ist in der Regel von viel heftigern Schmerzen begleitet, weil der entstehende Eiter in den straffern und sehnigern Gelenken einen weit großem Widerstand findet und weit größere Spannung verursacht, und kann sehr leicht noch bedenklichere Erscheinungen zur Folge haben, indem die Entzündung entweder längs der Sehnenscheiden sich weiter verbreiten, oder das Absterben des betreffenden Fingerknochens herbeiführen, oder eine ausgedehnte Lymphgefäßentzündung der Hand und des ganzen Arms nach sich ziehen kann. Bei gleichzeitiger Entzündung der Sehnenscheiden (Panaritium tendinosum) geschieht es gewöhnlich, daß die entzündete Sehne abstirbt und schließlich als mehr oder minder langer, wurmähnlicher Gewebsfetzen (daher der Name Fingerwurm) nach außen entleert wird, worauf dauernde Steifigkeit des erkrankten Fingers zurückbleibt. In einer weitern Kategorie von Fällen beginnt die F. als Entzündung eines Fingergelenks. Wenn im Verlauf einer tiefern F. infolge mangelhaften Abflusses des angesammelten Eiters brandiges Absterben des betreffenden Fingerknochens erfolgt ist, so bleibt eine dauernde Verkürzung und Verkrüppelung des erkrankten Fingers zurück, ja bei Vernachlässigung und fehlerhafter Behandlung kann der ganze Finger, selbst die Hand brandig zerstört und das Leben auf das ernstlichste gefährdet werden. Aber auch bei schließlichem günstigem Ausgange werden in solchen verschleppten Fällen die Kräfte des Kranken durch die langwierige, nicht selten monatelange Eiterung und die mit ihr verbundenen Säfteverluste oft genug auf das äußerste erschöpft.

Jede F. ist als eine ernste Krankheit zu betrachten, weshalb man bei jeder, auch anscheinend leichten F. gut thut, sich womöglich schon im Beginn an einen tüchtigen Arzt zu wenden. Im Anfang kann man versuchen, durch Entfernung eines etwa eingedrungenen fremden Körpers und durch eiskalte Umschläge die entstandene Entzündung zu unterdrücken; haben sich aber einmal erheblichere Schwellung und heftige klopfende Schmerzen eingestellt, dann ist baldigst in die rote entzündete Hautstelle ein Einschnitt zu machen, auch wenn noch keine Eiterung eingetreten. Letztere durch die früher vielfach benutzten warmen Breiumschläge zu fördern, ist durchaus zu verwerfen. Ist bereits Eiterung eingetreten, hat sich z. B. auf der roten Haut eine weiche weiße Stelle gebildet, so ist in diese ebenfalls ein Einschnitt zu machen, um den angesammelten Eiter zu entleeren, wodurch nicht nur die große Schmerzhaftigkeit in der Regel wie mit einem Schlage behoben, sondern auch das Weiterschreiten der Entzündung auf tiefer gelegene Organe und damit deren brandiges Absterben am sichersten verhütet wird. Bei vorhandener Nageleiterung ist der gelockerte Nagel sobald als möglich zu entfernen. Im übrigen sind nach der Eröffnung des Eiterherdes öfters zu wechselnde Verbände mit antiseptischen Mitteln, ruhige und möglichst hohe Lagerung des erkrankten Gliedes und behufs Reinigung öftere laue Handbäder bis zur vollendeten Heilung anzuwenden. – Vgl. Schede, Über Hand- und Fingerverletzungen (in Volkmanns «Sammlung klinischer Vorträge», Nr. 29, Lpz. 1871); Hüter, Über das Panaritium, seine Folgen und seine Behandlung (in «Sammlung klinischer Vorträge», Nr. 9, ebd. 1870) und die Lehrbücher der Chirurgie von Bardeleben, König, Albert, Tillmanns, Hueter-Lossen u. a.

Fingerhandschuhe, s. Kampfhandschuhe.

Fingerhut (Digitalis L.), Pflanzengattung aus der Familie der Scrophulariaceen (s. d.) mit gegen 20 Arten in Europa und dem gemäßigten Asien. Es sind zweijährige oder ausdauernde Kräuter, seltener Halbsträucher, meist mit schönen, zu einseitswendigen Trauben geordneten Blüten. In Deutschland einheimisch ist der rote F. (Digitalis purpurea L., s. Tafel: Giftpflanzen Ⅰ, Fig. 3), gemein auf Waldschlägen und Waldlichtungen, im Gebirge häufig gesellig, z. B. im Oberharz und Thüringer Wald. Die an dem 1‒1,30 m hohen Stengel in der Achsel von Deckblättern stehenden Blüten sind hängend, außen purpurrosa, an der Basis weiß und bilden eine bis 80 cm lange Traube. In den Blumengärten wird unter dem Namen var. gloxiniaeflora eine Form mit noch längern Blütentrauben und größern, weiter geöffneten, innen stets punktierten und gefleckten Blumen kultiviert. Man hat eine rosen- oder purpurrote Varietät mit brauner oder purpurner Punktierung, eine weiße mit purpurkarminroten Flecken, eine ganz weiße u. s. w. In den Gärten finden sich auch andere Arten, z. B. Digitalis grandiflora Lam. (ochroleuca Jacq.,