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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Finland (Geschichte)

enge zwischen dem Ladogasee und dem Finnischen Meerbusen und breiteten sich allmählich dem Ufer entlang, die frühern (vielleicht gotischen) Einwohner vertreibend, über ganz F. aus. Die Finnen zerfielen in mehrere Stämme: im Westen ließen sich die eigentlichen Finnen oder Suomalaiset nieder, in der Mitte des Landes die Tawasten, im Osten die Karelier und am nördlichsten die Kvänen an den beiden Ufern des Bottnischen Meerbusens. Am südl. Ufer des Finnischen Meerbusens saßen die finn. Stämme der Esthen, Liven und Kuren. Ein karelischer Zweig scheint sich schon früh am Weißen Meere niedergesetzt und das Bjarmische Reich, welches durch seinen Reichtum die skandinav. Wikinge heranlockte, gestiftet zu haben. Die staatlichen Einrichtungen der Finnen waren noch sehr primitiv. Ihre religiösen Anschauungen sind in den epischen Gesängen der Kalewala (s. d.) enthalten. Daß die Handelsverbindungen der Finnen in den ersten Jahrhunderten meist nach Osten gingen, beweisen die archäol. Funde; bald lernten sie aber am Gestade der Ostsee Seefahrt und Seehandel und wurden auch ihren schwed. Nachbarn beschwerlich durch Seeräuberei.

Schon die schwed. Könige Erich Emundsson (um 875) und Erich der Siegreiche (um 975) sollen Eroberungszüge nach F. unternommen haben. 1157 eroberte König Erich der Heilige (s. d.) den südwestl. Teil F.s und baute das Schloß Åbo zum Schutze des eroberten Gebietes. Dieser Kreuzzug war ebenso wenig wie die Bekehrungsversuche der Bischöfe von Upsala und von Åbo von Belang. Die Tawasten machten 1237 einen großen Aufstand, und der nowgorodische Fürst Alexander besiegte 1240 an der Newa das schwed. Kreuzheer. Erst durch den Zug des schwed. Reichsverwesers Birger Jarl 1249, der Tawastland eroberte und das Schloß Tawastehus erbaute, wurde die schwed. Herrschaft befestigt. Der Reichsverweser Torkel Knutsson eroberte dann einen Teil Kareliens und erbaute Wiborg (1293).

Die Schweden behandelten F. mit Milde und führten dort dieselben freien und volkstümlichen Institutionen, die in Schweden herrschten, ein. 1284 erhielt F. den Titel eines Herzogtums. Bei der Königswahl Hakon Magnussons (15. Febr. 1362) gab man den Finnen das Recht, an der Wahl der Könige teilzunehmen. Ein einheimischer Adel entstand, und die Finnen selbst bekleideten die kirchlichen Ämter. Die Verwaltung des Landes war in den Händen der Statthalter von Åbo, Tawastehus und Wiborg. Zeitweilig hatte auch ein Herzog oder Oberstatthalter die höchste Gewalt im ganzen Lande. Neben diesen war der mächtigste Mann in F. im Mittelalter der Bischof in Åbo; er war der Fürsprecher F.s bei dem Könige und im Reichsrate. Der bedeutendste unter diesen Bischöfen war Magnus Olai Tawast (1412-50, gest. 1452), zu dessen Zeit die kath. Kirche in F. ihre ganze Macht und Pracht entfaltete; das reiche Birgittinerkloster zu Nådendal wurde gegründet, neue Kirchen und Kirchspiele eingerichtet u. s. w. Doch kam in den spärlich bevölkerten innern Teilen des Landes das Christentum damals noch nicht zur völligen Herrschaft.

Die dän. Herrschaft in der Unionszeit (1397-1523) war in F. weniger verhaßt als in Schweden; doch war die Zeit voll Unruhen und Kriege. Als Erich XIII. von Pommern 1439 verjagt wurde, brachen auch in F. Bauernunruhen aus. Der (in F. geborene) König von Schweden, Karl Knutsson (1448-70), wurde zweimal von den Unionsfreunden abgesetzt. 1473-97 dauerte dann der Krieg mit Iwan III., der die ganze russ. Macht in seiner Hand vereinigte. Das Land wurde fürchterlich verheert; aus Schweden kamen nur kleinere Hilfssendungen, sodaß F. auf seine eigenen Kräfte angewiesen war. Der Friede zu Nowgorod beließ F. in den alten Grenzen. In den letzten Jahren der Unionszeit wurde es durch die dän. Verheerungszüge zur See schwer heimgesucht, Åbo 1509 erobert und geplündert.

Die Reformation wurde in F. unter Gustav Wasas Regierung (1523-60) durch Petrus Särkilaks und Michael Agricola (gest. 1557 als Bischof in Åbo) eingeführt. Durch die unermüdliche Thätigkeit Gustav Wasas wurde die Verwaltung des Landes verbessert, die Handelsübermacht des Hansabundes gebrochen, die noch unbebauten Strecken des innern Landes kolonisiert. Ein Einfall der Russen (1555-57) wurde zurückgewiesen. 1556 ernannte Gustav seinen jüngern Sohn Johann zum Herzog von F.; als dieser 1568 König von Schweden geworden, brachte seine Hinneigung zum Katholicismus Verwirrung ins Land. Besonders aber hatte F. während des langwierigen russ. Krieges (1572-92) zu leiden. Der Krieg wurde nicht ohne Erfolg geführt; Pontus de la Gardie eroberte Kexholm und Ingermanland, und Johann gab, erfreut über diese Siege, 1581 F. den Titel eines Großfürstentums. Der Krieg wurde erst 1592 durch einen Waffenstillstand, 1595 durch den Frieden zu Täysinä (nahe Narva) beendigt. Die Wirren in den letzten Jahren des 16. Jahrh., als der kath. Sigismund in Polen und sein prot. Oheim Herzog Karl um die schwed. Krone kämpften, fanden ihren Widerhall auch in F., wo die Partei Sigismunds ihre vornehmste Stütze in dem Generalgouverneur über F. und Reichsadmiral Claës Fleming hatte. Ein gegen ihn von den finn. Bauern gemachter Aufstand, der sog. Keulenkrieg 1596-97, wurde gewaltsam unterdrückt, aber nach dem Tode Flemings fiel der Sieg dem Herzog (Karl IX., 1604-11) zu.

Unter dessen Sohn Gustav Adolf kämpften Schweden und Finnen auf Deutschlands Schlachtfeldern ruhmvoll für die evang. Lehre. Noch näher berührte F. der Krieg mit Rußland (1609-17); die finn. Truppen unter Jakob de la Gardie und Ewert Horn erstürmten Nowgorod und zogen in Moskau ein. Im Frieden zu Stolbowa mußte Rußland Ingermanland und das Gebiet von Kexholm an Schweden abtreten. In nationaler Hinsicht war die durch den Westfälischen Frieden gewonnene Großmachtsstellung Schwedens für F. nicht vorteilhaft: die gebildeten Stände wurden mehr und mehr schwedisch, die finn. Sprache nur als Volkssprache benutzt. Doch machte F. auch in dieser Zeit Fortschritte, besonders als der Graf Per Brahe zweimal zum Generalgouverneur in F. (1637-40, 1648-54) ernannt wurde. Der materielle Wohlstand wurde gefördert und die geistige Bildung durch die Gründung der Universität in Åbo (1640) merklich erhöht.

Im Nordischen Krieg (1700-21) wurde Wiborg (1710) von den Russen erobert, 1713 die Hauptstadt Åbo genommen, die wenigen finn. Truppen bei dem Dorfe Napue 1714 in blutiger Schlacht vernichtet. Sieben Jahre dauerte die harte russ. Herrschaft; erst 1721 im Frieden zu Nystad wurde der größte Teil F.s dem Reiche Schweden zurückerstattet, während Wiborg den Russen zufiel. 1741 brach ein neuer Krieg mit Rußland aus, der unglücklich für Schweden verlief; im Frieden zu Åbo 1743 kam wieder ein