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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Flechten (Gewächse)
puna auf verdickter, geröteter, juckender Haut) und
der wichen oder die Knötchenflechte (kleine, meist
in Gruppen stehende Knötchen, die sich abschuppen);
ferner der Prurigo oder die juckende F. (zerstreute,
flache, heftig juckende Knötchen), das Ekzem oder
dienässendeF. (die entzündete, juckende Haut schei-
det eine wässerige Flüssigkeit ab, welche zu schuppen-
förmigen Krusten eintrocknet), der Herpes oder die
Bläschenflechte (gruppenweisestehende,zuEchor-
fen eintrocknende Bläschen), der Lupus oder die
fressende F. (Hautknötchcn und Entzündungen
der Haut, welche ineinander übergehen, die Haut
völlig zerstören und unaufhaltsam um sich greifen)
und die Nupia (Rhypia) oder die Schmutz-
flechte (große, einzelne, stäche Blasen, deren eite-
riger und blutiger Inhalt zu dicken, festen Borken
eintrocknet). Manche dieser Ausschläge sind erblich,
andere entstehen durch Hautreize, noch andere durch
Syphilis; von andern wieder sind die Ursachen un-
bekannt. (S.Hautkrankheiten.) über F. der Haus-
tiere s. Hautkrankheiten der Zaustiere.
Flechten (I^ck6ii68), eine Gruppe eigentümlicher
pilzähnlicher Gewächse, die jedoch keine Individuen
darstellen, sondern als Resultat einer teils symbio-
tischen, teils parasitischen Vereinigung von Pilzen
und Algen zu betrachten sind. Die hierbei in Be-
tracht kommenden Pilze gehören fast sämtlich zur
Abteilung der Schlauchpilze oder Ascomyceten (s.d.);
nur wenige Fälle sind bekannt, in denen Basidio-
myceten (s. d.) parasitisch auf Algen leben und da-
durch an der Bildung gewisser F. teilnehmen. Die
Algen, auf denen die Pilze leben, gehören den
Abteilungen der Cyanophyceen und Chlorophyccen
an. (S. Algen.)
Früher hielt man die F. für felbständige krypto-
gamische Pflanzen und stellte sie als besondere
Gruppe meist zwischen Pilze und Algen: jetzt muß
man die F. den Pilzen zurechnen, da die charakte-
ristische Form ihrer einzelnen Arten in den meisten
Fällen ausschließlich durch die betreffenden Pilze
bedingt wird, nicht aber von den nur als Nähr-
pflanzen für jene dienenden Algen. Wie alle echten
Parasiten, kommen auch die flcchtenbildenden Pilze
nicht ohne die für sie notwendigen Nährpflanzen fort,
die letztern dagegen, also hier Arten der genannten
Algenabteilungen, können sich vollständig normal
entwickeln, wenn sie von den auf ihnen schmarotzen-
den Pilzen befreit werden.
Die svstematische Gruppierung der F. beruht auf
der großen Mannigfaltigkeit in der Ausbildung des
vegetativen Teils, desTh allus, fowie auch auf
den Verschiedenheiten in der Form der Fruchtkörper,
der Apothecien. Man kennt im ganzen etwa
1500 Arten, die über die ganze Erde verbreitet sind,
hauptsächlich in der nördl. kalten Zone zu reichlicher
Entwicklung gelangen und hier einen großen Teil
der ganzen Vegetation ausmachen; das letztere gilt
auch für jene Hochgebirgsregioncn, die in ihren
klimatischen Verhältnissen mit den Polargegenden
im wesentlichen übereinstimmen. Die Zahl der in
Europa wachsenden ist etwa 600. Früher teilte man
sie meist nach der äußern Form ein, indem man
folgende Gruppen aufstellte: Strauch flechten,
Thallus strauchförmig, meist vielfach verzweigt;
Laubflechten, Thallus blattartig; Krusten-
flechten, Thallus nur als krustenförmiger Über-
zug ausgebildet; Gallertflechten, Thallus im
trocknen Zustande häutig, im feuchten Zustande
gallertartig aufgequollen. Der eigentümlichen
Organisation der F. entsprechender ist es, wenn
man dieselben nach den Pilzen einteilt, die an der
Bildung teilnehmen. Es sind dies in den aller-
meisten Fällen Ascomyceten, und zwar aus den
beiden Abteilungen der Discomyceten und Pyreno-
myceten (s. Ascomyceten); demnach kann man bei
den F. solche unterscheiden, deren Apothecien becher-
oder scheibenartig entwickelt sind und dem Thallus
aufsitzen, und solche, bei denen die Apothecien die
Form von kapsel- oder flaschenförmigen Höhlungen
haben und dem Thallus eingesetzt sind. Die erstem
bezeichnet man als I^ic1i6ii68 Z^lliuocarpi, dieletztern
als I^ic1i6n68 anFioearpi. Hierzu kämen noch als
eine dritte Abteilung diejenigen F., bei denen nach
neuern Untersuchungen die flechtenbildenden Pilze
nicht zur Gruppe der Ascomyceten, sondern zu der
der Basidiomyceten gehören.
In der äußern Form des Thallus sind, wie
aus dem bereits Gesagten hervorgeht, zahlreiche
Verschiedenheiten vorhanden; nicht so in ihrer
innern Organisation: hier finden sich bei allen F.
wesentlich dieselben Verhältnisse; der Thallus ist
immer zusammengesetzt aus vielfach verschlungenen,
meist dicht miteinander verflochtenen Pilzhyphen und
grünen, gewöhnlich kugeligen Zellen, die den als
Nährpflanzen dienenden Algen angehören. Man
bezeichnet diese grünen Zellen als Gonidien. (S.
Tafel: Flechten II, Fig. 7.) Da dieselben stets von
den Pilzfäden umgeben werden, fo sehen die F. im
trocknen Zustande, weil immer Luft zwischen den
einzelnen Hyphen vorhanden ist, fast nie grün aus,
sondern meist weiß, grau oder gelblich; werden sie
jedoch feucht, so wird die Luft aus dem Pilzgestecht
durch Aufquellen der Hyphen ausgetrieben und es
schimmert dann meist das Grün der Gonidien durch
die Pilzfäden hindurch.
Bei der größern Zahl der F. ist jedoch die Ver-
teilung der Hyphen und Gonidien im Thallus nicht
gleickmäßig, sondern die letztern treten nur in einer
gewissen Schicht auf, wo sie zwischen locker mitein-
ander verflochtenen Hyphen liegen; diese Schicht
nennt man Gonidienschicht oder gonimische
Schicht, und den Thallus, der auf diese Weise ge-
baut ist, bezeichnet man als geschichteten oder
h etcro m e r e n T h a llu s. Sind dagegen die Goni-
dien gleichmäßig durch den ganzen Thallus verbrei-
tet, so spricht man von einem ungeschichteten
oder homöomeren Thallus. Einen heteromeren
Thallns besitzen die Strauch-, Laub- und Krusten-
flechtcn, einen homöomeren dagegen die Gallert-
flechten. In dem letztern Falle wird die äußere
Form mebr durch die Alge als durch den Pilz be-
dingt, indem hier die Hyphen des letztern eigentlich
nur in den Gewebekörper der Alge eindringen, wie
bei der Gattung ^pdeds (f. d. und Tafel: Flech-
ten I, Fig. 7), die noch ganz die fadenförmige Ge-
stalt der vom Pilz umsponnenen Alge besitzt, oder
indem sie in einer Kolonie von Algen vegetieren,
wie bei der Gattung (üoilsma, wo sich in den gallert-
artigen Massen der Nostoc-Kolonien zwischen den
einzelnen Nostoc-Zellreihen zahlreiche Pilzfäden vor-
finden. (^. Taf. I, Fig. 1.)
Die FortpflanzungderF. kann ihrer eigentüm-
lichen Zusammensetzung balber eine zweifache sein.
Einmal kann durch Fruktisikation des flechtenbilden-
den Pilzes unter geeigneten Bedingungen eine Fort-
pflanzung erfolgen und zweitens vermag auch die
als Nährpflanze dienende Alge zur Vermehrung der
Flechte beizutragen. Die Fruchtkörper des Pilzes