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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frankreich (Territorialentwicklung)

Géographie de la France et de ses colonies et protectorats (ebd. 1892); Lalanne, La France et ses colonies (ebd. 1893). - Kartenwerke. Cassini, Carte topographique de la France (1:86400, 182 Blatt, Par. 1744-93); Carte de la France (1:80000, 267 Blatt, ebd. 1818-82; offiziell vom Dépôt de la guerre; seit 1881 ist eine neue Ausgabe 1:50000 in Vorbereitung); Carte de France dressée par le service vicinal (1:100000, 600 Blatt, Par. 1893); Carte de la France (1:320000, 33 Blatt, 1852-81); Joanne, Atlas de la France (95 Blatt, 2. Aufl. 1872); Vogels Karte von F., 4 Blatt, in "Stielers Handatlas"; Leuzinger, Physik. und geogr. Karte von F. (1:2000000, Bern 1880); Levasseur, France au 600000 (12 Blatt, Par. 1878); Carte du nivellement général de la France (1:800000, 6 Blatt, 1872); Dufrenoy und Elie de Beaumont, Carte géologique et minéralogique de la France (1:500000, 6 Blatt und 2 Bde. Text, 2. Ausg. 1855).

Territorialentwicklung. Der franz. Staat hat sich sehr langsam zu seinem jetzigen Umfange ausgebildet. Ende des 9. Jahrh. bestanden, wie in Deutschland, eine Anzahl größerer und kleinerer Fürsten und Herren in fast vollständiger Unabhängigkeit. Doch während in Deutschland die fürstl. Gewalt allmählich das Kaisertum verschlang, hat in F. das Königtum allmählich die Macht der Fürsten an sich gerissen. Unter den letzten Karolingern erstreckte sich der Kronbesitz nicht über die Landschaften Soissonais, Laonnais, Beauvoisis und Amiénais. Hugo Capet fügte ihnen das Herzogtum Francien mit Paris und Orléans hinzu, von denen er die erstere zur Hauptstadt des neuen Königreichs erhob. F. war damals in Lehne und Afterlehne eingeteilt, deren Besitzer nur den König über sich anerkannten; jeder dieser unmittelbaren Vasallen hatte eine Menge kleiner, mittelbarer Vasallen, und jeder von diesen noch kleinere Lehnsleute unter sich. Zu den großen Vasallen gehörten die Herzöge von Aquitanien, Burgund und der Normandie, die Grafen von Toulouse, Flandern, Vermandois und Champagne, die Herren (Sires) von Coucy, von Beaujeu u. s. w. Alle diese Territorien wurden im Laufe der Zeit entweder durch Schenkungen oder durch Heiraten und Erbschaften, oder endlich durch Eroberung in unmittelbares Krongebiet verwandelt. Aus ihrer Vereinigung erwuchs unter Beibehaltung der ursprünglichen Namen die polit. Einteilung, wie sie seit Ludwig XIV. bis 1790 Geltung hatte.

Der erste König, dem eine größere territoriale Erweiterung gelang, war Philipp I., der 1094 von den Grafen von Bourges die Landschaft Berry kaufte und mit der Krone vereinigte. Im 12. Jahrh. waren die Erwerbungen der Krone gering; dagegen hat sich ihr Gebiet unter Philipp II. August gewaltig vergrößert. 1206 entriß er nach einem gegen Richard Löwenherz, dann gegen Johann ohne Land geführten Kriege diesen die Grafschaften Anjou, Maine, Touraine, die Bretagne, sowie das Herzogtum Normandie. Zwar wurden diese Länder in dem mehr als hundertjährigen Kriege von England wiedererobert, unter Karl VII. aber 1453 aufs neue und für immer mit F. vereinigt. Philipp August war es auch, der außer Artois, das er schon 1199 als Mitgift seiner Gemahlin erhielt, die Grafschaften Vermandois, Alençon, Auvergne, Evreux und Valois erwarb. Mit der Bretagne belehnte er 1208 seinen Vetter Philipp de Dreux. Ein neuer Fortschritt geschah unter Ludwig dem Heiligen, indem die Grafen von Toulouse infolge der Albigenserkriege genötigt wurden, nicht allein die Oberhoheit des Königs anzuerkennen, sondern auch 1229 einen bedeutenden Teil ihres Landes abzutreten. (S. Historische Karten von Frankreich 1.) Ludwigs Sohn, Philipp III., nahm nach dem Aussterben des Hauses Toulouse 1272 dieses Land ganz in Besitz, das jedoch erst 1361 feierlich mit der Krone vereinigt wurde. Philipp IV. erwarb 1312 Lyon und Lyonnais durch unrechtmäßige Schädigung des Deutschen Reichs; auch legte er durch seine Vermählung mit Johanna von Navarra den Grund zu den Ansprüchen auf ihre Erbländer Champagne und Brie, die 1361 unter Johann mit der franz. Krone für immer verbunden wurden. Durch die Thronbesteigung des Hauses Valois kam 1328 mit Philipp VI. zwar das Herzogtum Valois an die Krone zurück, auch erhielt der neue König von dem kinderlosen Humbert II. 1349 die Dauphiné; aber der infolge dieses Thronwechsels eintretende langwierige und blutige Kampf zwischen England und F. um den Besitz des letztern Reichs veranlaßte einen länger als 100 Jahre dauernden Stillstand in den Territorialerwerbungen und hatte bedeutende Rückschritte zur Folge; denn als Johann in der Schlacht bei Maupertuis (1356) zum Gefangenen gemacht worden war, konnte er seine Freiheit nur durch den Vertrag von Bretigny (1360) erkaufen, worin der König von England als Besitzer von Guyenne und Limousin anerkannt wurde und überdies Poitou, Saintonge, Périgord, Angoulême und mehrere kleinere Gebiete erhielt. Erst mit Vertreibung der Engländer unter Karl VII. gelangten die franz. Könige wieder in den Besitz ihrer alten Länder. Unter Karls VII. Sohn und Nachfolger, Ludwig XI., erhielt F. einen bedeutenden Zuwachs, indem dieser nach dem Tode Karls des Kühnen 1477 das eigentliche Herzogtum Burgund mit der franz. Krone vereinigte. Ludwig XI. erbte 1481 von Karl, dem letzten Grafen von Anjou, die Provence, eroberte 1477 das Boulonnais und verband die Picardie mit F. Unter seinem Nachfolger Karl VIII. starb 1488 der Mannsstamm der Herzöge von Bretagne aus. Die letzte Herzogin Anna wurde die Gemahlin Karls VIII., dann Ludwigs XII.; ihre Tochter Claudia vermählte sich mit Franz I., wodurch die Bretagne auf immer an die Krone kam. Unter Franz I. wurde auch die erste franz. Kolonie und zwar in Canada gegründet. (S. Historische Karten von Frankreich 2.)

Die erste bedeutende Erwerbung der folgenden Zeit waren die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun unter Heinrich II. Mit der Thronbesteigung Heinrichs IV. kam 1589 der auf der franz. Seite der Pyrenäen gelegene Rest des Königreichs Navarra sowie Béarn und Foix an die franz. Krone. Auch wurden unter Heinrich IV. die Landschaften Bresse und Bugey erworben, die der Herzog von Savoyen 1601 abtreten mußte. Zur Zeit Ludwigs XIII. erfolgte die Kolonisierung der Inseln St. Christoph, Martinique und Guadeloupe, sowie von Cayenne in Guayana; die Eroberung von Arras führte 1640 die Vereinigung der Grafschaft Artois mit der Krone, die im Utrechter Frieden von 1713 bestätigt wurde, herbei; auch wurden 1641 die Cerdagne und Roussillon erobert. Ludwig XIV. sicherte sich den Besitz des letztern sowie die Abtretung des Charolais durch seine Vermählung mit der Infantin Maria Theresia. Im Westfälischen Frieden erwarb