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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frankreich (Geschichte 1804-14)

Erzeugnissen den Markt streitig zu machen drohte, rief schon im Mai 1803 neue Feindseligkeiten hervor. F. begann ungeheure Rüstungen zu einer Landung in England und besetzte im Juli ungeachtet der Neutralitätserklärung Hannover. Die Verschwörung Cadoudals (s. d.) gegen Bonaparte, die dem neuen System Gefahr zu bringen drohte, drängte dazu, dasselbe erblich zu machen. Die Selbstsucht der Senatoren, die in diesem System eine Quelle reicher Einkünfte sahen, wirkte mit, und so wurde durch einen Senatsbeschluß vom 18. Mai 1804 Bonaparte zur Befestigung des Staates und zur Sicherheit seiner eigenen Person als Napoleon I. zum erblichen Kaiser der Franzosen erklärt und durch Volksabstimmung als solcher sanktioniert. Papst Pius VII. kam in Person nach Paris und salbte den Kaiser nebst seiner Gemahlin 2. Dez. 1804 in der Kirche Notre-Dame. Die Französische Revolution hatte das notwendige Ziel ihrer Entwicklung, den Militärabsolutismus, erreicht, F. aber durch Abschüttelung des veralteten Staatsmechanismus, durch Gründung einer zweckmäßigern Verwaltung, durch die Herstellung einer neuen auf die Gleichheit gegründeten gesellschaftlichen Ordnung, durch Entfaltung aller geistigen und materiellen Kräfte einen ungeheuern Kraftzuwachs gewonnen, der auch die europ. Entwicklung überhaupt aufs tiefste beeinflußte.

8) Unter dem ersten Kaiserreich (1804-14). Nach seiner Proklamation zum Kaiser errichtete Napoleon die Erzämter des neuen Throns, ernannte Großwürdenträger und Marschälle und setzte einen kaiserl. Gerichtshof ein, der über Vergehungen der ersten Staatsbeamten, über Hochverrat und alle Verbrechen gegen Staat und Kaiser erkennen sollte. Der Senat hatte schon 1803 seine Bedeutung verloren, Wahl und Zahl der Senatoren waren vom Kaiser abhängig. Der Gesetzgebende Körper blieb; das Tribunat, wo Carnot seine Stimme gegen die Errichtung eines neuen Throns erhoben hatte, wurde 19. Aug. 1807 gänzlich abgeschafft. 1806 mußte der republikanische Kalender dem Gregorianischen wieder Platz machen. Am 18. März 1805 wurde Napoleon auch König von Italien; 4. Juni wurde die Ligurische Republik (Genua), 21. Juli Parma und Piacenza mit F. vereinigt. Der Kaiser von Österreich und viele Fürsten Deutschlands erkannten das Kaiserreich an. England dagegen, empört über die Wegnahme Hannovers, bedroht von einer Landung und verletzt durch die strengen Maßregeln gegen seine Manufakturwaren, schloß mit Schweden einen Subsidienvertrag und veranlaßte im April 1805 Rußland zu einer Koalition gegen F., der im August auch Österreich wieder beitrat. Napoleon brach nun aus seinem Lager von Boulogne nach Deutschland aus und zwang die Österreicher in einem glänzenden Feldzug 26. Dez. zum Frieden von Preßburg. (S. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805.) Österreich verlor gegen 55000 qkm und 3 Mill. E.; das Königreich Italien wurde um 27500 qkm vergrößert. Dagegen hatte der Sieg der Engländer über die franz.-span. Flotte bei Trafalgar 21. Okt. 1805 die Frucht sechsjähriger Rüstungen vernichtet. Napoleon, von jetzt an überzeugt, daß alle Anstrengungen gegen die Engländer zur See fruchtlos seien, ergriff nun mit Konsequenz die Politik, seinen Feind durch Absperrung vom Festlande zu vernichten. In dieser Absicht überließ er zunächst im Vertrage von Schönbrunn Hannover an Preußen, um dies mit England in Krieg zu verwickeln. Die widerspenstige Dynastie von Neapel wurde der Krone verlustig erklärt und 30. März 1806 der Bruder des Kaisers, Joseph Bonaparte, auf den Thron von Neapel und Sicilien gesetzt. Ein anderer Bruder, Ludwig Bonaparte, wurde König von Holland; Napoleons Stiefsohn, Eugen Beauharnais, Vicekönig von Italien, sein Schwager, Joachim Murat, Großherzog von Berg. Diese Staaten standen sowohl unter sich als auch mit dem Kaiserreich durch Verträge in engster Beziehung, und durch die Errichtung des Rheinbundes (s. d.), in dessen Grundvertrage vom 12. Juli 1806 Napoleon als Protektor anerkannt wurde, traten auch Bayern, Württemberg, Baden u. a. diesem Staatensystem bei.

Durch dieses Umsichgreifen F.s sahen sich alle Mächte Europas bedroht. Noch im Herbst 1806 vereinigten sich Preußen, Rußland, Schweden und England zu einem neuen Kriege, um die Franzosen aus Deutschland zu vertreiben. Napoleon nötigte jedoch nach den entscheidenden Siegen bei Jena und Friedland die Russen und Preußen zum Frieden von Tilsit, 7. und 9. Juli 1807. (S. Französisch-Preußisch-Russischer Krieg von 1806 bis 1807.) Während des Feldzugs war das Kurfürstentum Sachsen zum Königreich erhoben, Westfalen als neues Königreich begründet und dem Bruder des Kaisers, Jerôme Bonaparte, zugeteilt, auch das Großherzogtum Warschau und die Republik Danzig geschaffen worden. Zwei deutsche Fürstenhäuser, Hessen-Cassel und Braunschweig, hörten auf zu regieren. Elf Fürsten traten dem Rheinbunde bei, und Preußen und Rußland dem Bunde gegen England, wodurch das drückende Kontinentalsystem, das Napoleon mit seinem Berliner Dekret vom 21. Nov. 1806 geschaffen hatte, ganz Europa auferlegt wurde. Napoleon stand jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht, wovon der Erfurter Fürstenkongreß, den er 27. Sept. bis 14. Okt. 1808 um sich versammelte, Zeugnis ablegte. Da er sich durch das Einverständnis mit Rußland im Osten gesichert sah, wandte er nun seine Aufmerksamkeit der Pyrenäischen Halbinsel zu. Portugal, das mit England in engster Handelsbeziehung stand, hatte den Engländern seine Häfen nur gezwungen geschlossen und erhielt die Kontinentalsperre nur scheinbar aufrecht, weshalb ein franz. Heer schon 1807 unter Junot Spanien durcheilen und Portugal besetzen mußte, während im November die regierende Dynastie nach Brasilien entfloh. Ein Familienzwist zwischen dem schwachen Karl IV. von Spanien und seinem ältesten Sohne, dem Prinzen von Asturien (Ferdinand VII.), verschaffte Napoleon Gelegenheit, sich unter der Maske des schiedsrichterlichen Freundes auch dort einzumischen und die streitenden Parteien zum Verzicht auf die Krone zu veranlassen, worauf Joseph Bonaparte, der König von Neapel, Juni 1808 auf den span. Thron erhoben wurde, und Murat den von Neapel bestieg. Die Spanier begannen indessen, auf Österreich und England hoffend, einen verzweifelten Kampf um ihre nationale Selbständigkeit und vertrieben Joseph Bonaparte aus Madrid und Junot aus Portugal. Da erschien Napoleon selbst auf dem Kampfplatze und unterwarf das Land in einer Reihe schneller Siege. (S. Krieg von 1807 bis 1814.) Unterdessen hatte aber Österreich im Bunde mit England den günstigen Augenblick wahrgenommen und von neuem die Waffen gegen F. ergriffen, wurde aber wiederum besiegt (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809) und