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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Französische Litteratur

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Französische Litteratur (Altfranzösische Periode 1150-1230)

"Girard de Roussillon", "Huon de Bordeaux"; aus der zweiten Gruppe, in der die Kämpfe der Barone untereinander während der Schwäche des Königtums im 10. Jahrh. behandelt sind, seien erwähnt "Raoul de Cambrai", "Auberi le Bourgoing" und vor allem "Die Lothringer" ("Les Lorrains"), ein Cyklus von fünf Liedern, in denen mit ungemeiner Kraft die Fehde zwischen den Lothringern und den Bordelaisen geschildert wird. c. Gedichte, deren Inhalt aus verschiedenen, teils orient. teils byzant. Quellen stammt. Doch haben die Helden dieser Chansons de geste karoling. Namen erhalten. In diese Klasse gehören "Amis et Amiles", "Jourdain de Blaivies", "Beuvon d'Hanstone" (german. Ursprungs) u. a. Aus Reimchroniken, die über den ersten Kreuzzug berichteten, entstand ferner ein Cyklus von Heldenliedern, deren Mittelpunkt Gottfried von Bouillon ist, mit dessen Namen in diesem Cyklus zugleich die Schwanensage in Verbindung gebracht wird (vgl. Pigeonneau, "Le cycle de la Croisade", St. Cloud 1877). Die älteste dieser Kreuzzugsdichtungen, die "Chanson d'Antioche", wurde um 1130 von Richart le Pelerin verfaßt und um 1200 von Graindor de Douay neu bearbeitet. In derselben Zeit entstanden: "La chanson de Jérusalem", "Le chevalier au cygne" und die "Enfances Godefroi".

Eigentümlich entwickelt sich aus der antiken Tierfabel das die Heldendichtung heiter parodierende franz. Tierepos. Die ältesten Versuche, einzelne Fabeln von Wolf, Fuchs und Löwen in epischem Zusammenhange zu behandeln, stammen aus flandr. Klöstern und sind (im 12. Jahrh.) in lat. Versen gedichtet. Um 1150 muß es schon einen franz. "Roman de Renart" gegeben haben, doch gehören die ältesten von den 32 Branchen des erhaltenen Tierepos in eine spätere Zeit (ungefähr 1200). Vgl. E. Martin, Roman de Renart (3 Bde., Straßb. 1882-87); Voretzsch, in der "Zeitschrift für roman. Philologie", Bd. 15, 16. - Über die epische Dichtung des franz. Mittelalters vgl. K. Nyrop, Den oldfranske Heltedigtning (Kopenh. 1883); speciell über die nationale Epik G. Paris, Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1865); L. Gautier, Les épopées françaises, Bd. 1, 3, 4 (2. Aufl., ebd. 1878-82), Bd. 2 (ebd. 1892); P. Rajna, Le origini dell'epopea francese (Flor. 1884).

Außer dem Tierepos kennt die F. L. desselben Zeitraumes auch Fabelsammlungen oder Ysopets (um 1170 von Marie de France u. a.), die Äsopische und andere Fabeln orient. Herkunft in franz. Nachdichtung enthalten. (Vgl. Lyoner Yzopet, hg. von W. Foerster, Heilbr. 1882.) Die Novellistik vertreten die kürzern Verserzählungen "Contes", "Lais", "Fabliaux". Die Lais sind meist ritterliche Geschichten nach breton. Überlieferung erzählt, wie in der Sammlung der Marie de France, die Fabliaux (s. d.) sind mehr bürgerlich, Schwänke, Anekdoten von Bauern, Clercs, Bürgern u. s. w., Erzählungen, in denen die franz. Spottlust und der neckische Hang des Volks zum Ausdruck kommt, und die vielleicht schon lange von Mund zu Mund gewandert waren, ehe sie in Fassungen aus dem Ende des 12. und dem Anfang des 13. Jahrh. zur Niederschrift gelangten. Hierher gehören ferner die beiden indopers. Apologensammlungen Bidpai und Sendabad in dem franz. "Dolopathos" von dem Trouvère Herbert (hg. von Brunet und de Montaiglon, Par. 1856), nach dem lat. Dolopathos des Joh. de Alta Silva (hg. von Österley, Straßb. 1873) gedichtet, und die ältere anonyme Dichtung "Li romans des sept sages" (hg. von G. Paris, Par. 1876) sowie die aus arab. Quellen hervorgegangene "Disciplina clericalis" des getauften span. Juden Petrus Alfonsi im "Chastoiement d'un père à son fils" (hg. im "Nouveau recueil de fabliaux" von Méon, Bd. 2, Par. 1824).

Außer diesen schon die Belehrung des Lesers ins Auge fassenden Beispielsammlungen entstehen um das Ende des 12. und in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. mancherlei religiös-didaktische und satirisch-lehrhafte Dichtungen, wie das Tierbuch ("Bestiaire divin") und "Le Besant Dieu" von Guillaume le Clerc aus der Normandie (hg. von E. Martin, Halle 1869), die geistlichen Erzählungen des Gautier de Coinci (1177-1236), die orient.-christl. Legende von "Barlaam und Josaphat" (von Chardry), der satir. Zeitspiegel ("Bible", hg. von Wolfhart und San Marte, Halle 1881) des Guiot de Provins, und die ersten allegorisch-didaktischen Dichtungen: "Roman des ailes" (von Raoul de Houdenc), "Le songe d'enfer" (von dems.) und das "Tournoiement d'Antecrist" (von Huon de Méry) u. a. Populäre Weisheit enthält in der Form eines "Débat" die weitverbreitete Spruchsammlung "Salomon et Marcoul". Lehrbücher für den Verkehr in der vornehmen Welt sind das "Chastiement des dames" des Robert von Blois und das "Doctrinal de courtoisie".

Die franz. Dichtung des Mittelalters ist vorwiegend episch. Auch haben die ältesten Denkmäler der volkstümlichen Lyrik vielfach epische Färbung. So die altertümlichen Romanzen ("Chansons d'istoire", "Chansons de toile"), von denen eine größere Anzahl aus dem 12. Jahrh. überliefert ist, kleine lyrisch-epische Lieder, die zum Teil im 13. Jahrh. durch Audefroi le Bastard eine kunstmäßigere Form erhielten. Ferner die Pastourellen, Liebesepisoden aus dem Hirtenleben; während rein lyrisch gehalten sind die Refrainlieder (Rotrouenges), die Tanzlieder (Rondels) und die Lais, Nachahmungen breton. Lieder von künstlichem Bau. (Vgl. Bartsch, Altfranz. Romanzen und Pastourellen, Lpz. 1870; Wackernagel, Altfranz. Lieder und Leiche, Bas. 1846.) Um 1150 entsteht eine den Provençalen nachgeahmte Hof- und Kunstlyrik; diese wird besonders unter den Auspizien der Königin Eleonore von England und ihrer Tochter Marie von Champagne gepflegt. Das künstliche Liebeslied ("Chanson d'amour"), der "Salut d'amour", das "Jeu parti" und die übrigen provençalischen Gattungen wurden besonders im Nordosten Frankreichs heimisch. Das Kreuzlied, das auch in die höfische Sphäre gehoben wird, war den Franzosen schon früher bekannt. Die hervorragenden Lyriker sind höfische Trouvères und vornehme Herren, Chrétien von Troyes, Conon von Béthune (gest. 1224), Jehan Bodel, Richard von England (gest. 1199), Gasse Brulé, Blondel de Nesle, Gui de Coucy (gest. 1201), Thibaut IV. von der Champagne, König von Navarra (gest. 1243). - Vgl. Mätzner, Altfranz. Lieder (Berl. 1853); Raynaud, Bibliographie des chansonniers français (2 Bde., Par. 1884); Jeanroy, Les origines de la poésie lyrique en France (ebd. 1889).

Noch fallen in diese Periode die Anfänge der nordfranz. Dramatik. Das ernste Schauspiel entwickelte sich auch hier, wie überall, aus dem religiösen Kultus und wurde aus der bloß mimischen Darstellung einer Handlung zur dialogischen und