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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Französische Litteratur

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Französische Litteratur (Neufranzösische Periode 1630-60)

Heinrichs IV., Jean Mergey und Pierre de l'Etoile. Bemerkenswert in Bezug auf die Darstellungskunst sind noch die Historiker Theodor Beza und Lancelot de la Popelinière (gest. 1608).

Nachdem Heinrich IV. durch Beendigung des Bürgerkrieges (1594) die polit. Zukunft Frankreichs wieder gesichert hatte, beförderte die reorganisierende Thätigkeit seiner Regierung auch die Fortschritte nationaler Bildung und Kultur. Auf dem Gebiete des Unterrichtswesens und des religiösen Lebens macht sich seit Ende des 16. Jahrh. ein neuer Aufschwung bemerkbar. Für die innerlichen Bedürfnisse gläubiger Gemüter verfaßte François de Sales seine vielgelesenen Erbauungsschriften, während Pierre Charron, ein Schüler Montaignes, gleichgültig gegen die unterscheidenden Glaubenslehren, in seinem "Traité de la sagesse" (1601) für Duldsamkeit und Nächstenliebe wirkte. In demselben Geiste waren die moralphilos. Schriften Guillaume du Vairs gehalten. Der Geist Rabelais' wirkt in der Litteratur fort in d'Aubignés "Les aventures du baron de Fæneste", einer Satire gegen das Hofleben, und in den humoristisch-satir. Erzählungen und Gesprächen von Tabourot des Accords ("Escraignes dijonnaises", 1608) und Béroalde de Verville ("Moyen de parvenir"), 1612). Honoré d'Urfé, begeistert von Montemayors "Diana", verschmilzt die Ritter- und Schäferpoesie miteinander in dem idealistischen Liebesroman "Astrée" (1600-27), der mehr als ein anderes Werk dem gesellschaftlich gezähmten galanten Heldentum in die F. L. Aufnahme verschafft hat. Daneben findet auch der cynische Realismus in Sorels "Histoire complète de Francion" (1622) seine Vertretung. Für die Geschichte der Dichtung sind die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrh. wichtig durch Malherbes Kampf wider die Übertreibungen des gelehrten Klassicismus. Im ganzen freilich schlugen die spätern Nachfolger Ronsards, Desportes (1546-1606), Bertaut (1552-1611), leichtere Töne an, und Mathurin Régnier (1573-1613) übertraf in seinen Satiren durch treffende Charakteristik und lebendigen Vortrag weit seine ital. Vorbilder, aber die freie Wortstellung, der sprachliche Eklekticismus und die nachlässige Behandlung des Verses waren der ordnungsliebenden Verständigkeit Malherbes (1558-1628) ein Greuel; er trat weniger den Principien des Klassicismus entgegen, als ihrer unvernünftigen Anwendung. Er behielt die alte Mythologie und die den Alten entlehnten poet. Formen, verlangte dagegen rein franz. Ausdruck, Gemeinverständlichkeit und genaue Beobachtung der Gesetze des Versbaues. Seine Reform war vornehmlich eine sprachliche. Doch erschütterte er das Ansehen Ronsards, und jüngere Talente, wie Racan, Maynard u. a. gaben sich in die Zucht seiner Schule. Indes war die Bühne ziemlich sich selbst überlassen geblieben. Sie wurde 1590-1620 von dem fruchtbaren Lohnschreiber Alexandre Hardy beherrscht. Seine Stücke bildeten ein Kompromiß zwischen den Forderungen der Klassicisten und den Bedürfnissen des Publikums. Die Einteilung in Akte und Scenen, der Vers (Alexandriner) war beibehalten, der Chor aufgegeben worden und dafür die Handlung reicher ausgebildet. Die Stoffe werden meist dem Altertum entlehnt, daneben auch span. und ital. Novellen dramatisch bearbeitet. Der Erfolg des Romans "Astrée" bewirkte, daß auch auf der Bühne die Schäferpoesie in Mode kam mit den Stücken Racans, Mairets, Gombaulds. Den größten Erfolg hatte Théophile de Viaus "Pyrame et Thisbé" (1617).

3) Die Zeit Ludwigs XIII. (Richelieus) und der Königin Anna (Mazarins) (etwa 1630-60). Der übermäßige Einfluß humanistischer Gelehrsamkeit auf die franz. Poesie war schon gebrochen, als Malherbe sich bemühte, sie von dem Banne der Erudition zu befreien. Im Schoße eines geselligen Verkehrs neuer Art, der seinen Mittelpunkt fand im Salon der Marquise von Rambouillet (1588-1665), entstand eine hohe schule guten Tones und feiner Lebensart. Auf diesem Boden geht der nicht aller Pedanterie ledige, aber von seinen Härten befreite Klassicismus der Renaissance den Bund ein mit der in der Schäferdichtung verfeinerten Galanterie und Courtoisie mittelalterlicher Frauenverehrung und Ritterlichkeit. Dabei gewinnt die Ausbildung der geselligen Redekunst und jener Gattungen, die gesellschaftlicher Unterhaltung dienen, große Wichtigkeit in der Litteratur. Durch Briefe und Unterhaltungen begründen Balzac (gest. 1654) und Voiture (gest. 1648) ihren Ruhm als Prosaisten, der eine im gehobenen, der andere im leichten Stil. Die Romane Gombervilles, La Calprenèdes und besonders die für die Epoche charakteristischen Werke der Scudéry, die das Zeitideal des galanten Heroismus darstellen, dehnen sich mit ihren Gesellschaftsporträts und Konversationen zu unendlicher Länge aus. Die Lyrik verflüchtigt sich unter dem Einfluß der Gesellschaft in den Händen Gombaulds, Voitures, Mallevilles u. a. zu einem empfindungsleeren Spiel mit zugespitzten Gedanken. Aus dieser Jagd nach unterhaltenden Einfällen geht dann auch die in komischen Widersprüchen sich ergehende burleske Dichtung hervor, die lange in Mode war, und als deren Schöpfer Scarron ("Typhon", 1644) betrachtet werden kann. Um den Lorbeer der Heldendichtung bemühten sich G. de Scudéry ("Alaric", 1654), Chapelain ("Pucelle", 1656) ohne viel Erfolg. Am fruchtbarsten ist diese Epoche für die Geschichte des franz. Dramas. Richelieu war nur einem bei den Gebildeten der Nation sich aussprechenden Zuge nach Regelung der Sprache und Dichtung gefolgt, als er 1635 durch Begründung der Académie française einen obersten Gerichtshof in grammatischen und litterar. Dingen zu schaffen unternahm. Auch die auf Einführung eines regelmäßigen Dramas zielenden Bestrebungen unterstützte er mit warmer Teilnahme. Unter seinem Schutz trat Chapelain und später die Akademie für die drei sog. Aristotelischen Einheiten in der Tragödie ein. Mit Mairets "Sophonisbe" (1635) beginnen die Regeln ihre Herrschaft auf der Bühne. Schon hatte Pierre Corneille (1606-84) durch einige Lustspiele sich um die Hebung der Komödie verdient gemacht, als der großartige Erfolg seiner Tragikomödie "Le Cid" (1636), dessen romantischer Stoff sich schwer den klassischen Regeln anpaßte, die Frage nach der unbedingten Gültigkeit der Regeln für das ernste Schauspiel von neuem in Fluß brachte. Die Akademie entschied sich für die Regeln, und Corneille fügte sich. Damit war der Sieg des Klassicismus auf der Bühne entschieden. In wenigen Jahren folgten dem "Cid" Corneilles andere Meisterwerke: "Horace", "Cinna", "Polyeucte", "Pompée". Edle, leidenschaftliche Sprache, echte Charaktere und wirkliche Konflikte wurden durch die vorzugsweise von einem polit.-heroischen Zug beseelten Tragödien auf der franz. Bühne heimisch. Neben Corneille waren Tristan