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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Französisches Volk

truppen in Paris ein (wie 1571 die "Comici gelosi"), und franz. Berufsschauspieler machten den Versuch, sich gegen das Privileg der Passionsbrüder zu behaupten. Diese ließen nun unter Heinrich IV. fremde und einheimische Truppen auf ihrer Bühne spielen; ständig sind die letztern aber erst seit 1607 auf dem Theater des Hôtel de Bourgogne. Eine solche Gesellschaft von Berufsschauspielern wurde seit 1611 vom Hofe jährlich unterstützt und nahm den Namen "Troupe royale" an. Eine zweite Schauspielertruppe spielte im Pariser Stadtviertel Marais und machte nach verschiedenen Unterbrechungen und Anfechtungen unter Mondory (seit 1635 in der Rue vieille du Temple) der königl. Gesellschaft erfolgreiche Konkurrenz. Ihre Glanzzeit begann mit der ersten Aufführung von Corneilles "Cid" (1636). Das Maraistheater sank später von seiner Höhe und pflegte seit 1650 vorzugsweise das Ausstattungsstück (pièces de machines). Seit 1658 spielte auch die Gesellschaft Molières in Paris, zuerst im Petit-Bourbon, dann (seit 1661) neben einer ital. Truppe, die gleichfalls ihren dauernden Aufenthalt in Paris genommen (1662), im Palais-Royal. Beide Gesellschaften wurden vom König unterstützt, die Molièresche führte seit 1665 auch den Namen Troupe du roi. Nach Molières Tode vereinigten sich zuerst (1673) die beiden franz. Gesellschaften vom Palais-Royal und vom Maraistheater (im Hôtel Guénégaud); sieben Jahre später verschmolzen sie sich mit den königl. Schauspielern des Hôtel de Bourgogne. So entstand 1680 die Comédie française (Théâtre français), die älteste, vornehmste und erste Bühne Frankreichs. Unterdessen wurden die Italiener vom Palais-Royal, die zur franz. Sprache übergegangen waren, die volkstümlichen Vertreter der zwanglosen niedern Lustspielarten von echt Pariser Charakter. Doch wurde ihre Bühne wegen Beleidigung der Maintenon 1697 geschlossen; erst unter dem Regenten erstand das Théâtre italien von neuem im Hôtel de Bourgogne (1716). Neben diesen beiden Pariser Haupttheatern gab es schon länger als hundert Jahre einzelne während der Freiheit der Jahrmärkte spielende Bühnen. Diese Jahrmarktbühnen wurden als gefährliche Konkurrenten vom Théâtre français verfolgt. Die ihnen auferlegte Einschränkung auf das Liederspiel führte aber zur Entstehung der komischen Oper, deren Name zuerst 1715 erscheint. Doch erst spät löst diese Opéra comique ihre enge Verbindung mit den Jahrmarktsbühnen und erst 1752 eröffnete sie unter der Leitung Favarts eine ständige Bühne. Früher schon war die heroische Oper entstanden; die erste Aufführung einer "Comédie française en musique" fand 1659 zu Vincennes statt. Abbé Perrin erhielt 1669 ein Privileg zur Gründung einer Opernakademie, das 1672 in die Hände des Komponisten Lully überging, der für seine Académie royale de musique den Saal des Palais-Royal zur Mitbenutzung erhielt (1673). (S. auch Französische Litteratur.) - Vgl. Parfaict, Histoire du théâtre français (15 Bde., Par. 1734-49); Despois, Le théâtre sous Louis XIV (ebd. 1886); E. Rigal, Esquisse d’une histoire des théâtres de Paris de 1548-1635 (ebd. 1887).

Französisches Volk. Die Bewohner Frankreichs werden, ebenso wie die Italiener, Rumänen, Rhätoromanen, Spanier, Portugiesen, wegen der gemeinsamen Herkunft ihrer Sprache (s. Romanische Sprachen) zu den roman. oder lat. Völkern Europas gerechnet; sie sind aber eine aus verschiedenen, aufeinander folgenden Mischungen entstandene Nation, in der das keltische, mit röm. Kultur befruchtete Element vorherrschend ist. Die älteste uns bekannte Bevölkerung bestand aus Ligurern und Iberern. Diese wurden dann nach Süden zurückgedrängt; nur ein Ast der Iberer, die Aquitaner, hat sich bis heute in geringen Resten in den westl. Thälern der Pyrenäen erhalten. Der Name der Gascogne (Vasconia) erinnert an die frühere weitere Ausbreitung der Basken, die aber hier nicht, wie in Spanien, ihre nationale Sonderstellung bewahrt haben. Diese Urbevölkerung mußte dem Volke der Kelten (Gallier, Galater) Platz machen, demjenigen Sproß des indogerman. Stammes, der sich am frühesten vom Hauptstamm losgelöst und am weitesten nach Westen vorgeschoben hatte. Sie nahmen unvermischt die Mitte Frankreichs ein; zu den mächtigsten Stämmen gehörten die Arverner im Gebirgslande der Auvergne und die Äduer zwischen Saône und Loire. Dagegen war das kräftige und zahlreiche Volk der Belgen im Nordosten stark mit german. Einwanderern gemischt. Diese gallische Nation hatte in den fünf Jahrhunderten bis zur Eroberung durch Cäsar (seit 58 v. Chr.) sich zu hoher Kultur entwickelt und den Nationalcharakter ausgebildet, der bis auf den heutigen Tag dem französischen seine Eigenart verliehen hat. Die Schilderung, die uns die alten Schriftsteller geben, trifft vielfach noch heute zu, wenn sie den Galliern Lust am Luxus, rasches Umschlagen der Stimmung, Sucht nach Neuerung, kriegerische Neigungen, Gabe der treffenden Rede zuweisen. Doch sind in wesentlichen Punkten auch Änderungen zu bemerken: so, wenn jene einen unbezähmbaren Wandertrieb zeigten oder die Fähigkeit, fremde Art anzunehmen und nachzuahmen, was heute bei den Franzosen nicht gerade hervortritt. Auch der körperliche Typus ist ganz verschieden; die hohen, kräftigen Gestalten der Gallier mit blondem Haar und blauen Augen haben sich nur bei den nördlichsten Inselkelten erhalten.

Als die Römer die Eroberung begannen, zeigte es sich, daß die Civilisation, schon in der Abwärtsbewegung, nicht mehr die Kraft hatte, ihre Eigenart zu bewahren. Mit der nationalen Freiheit verloren die Gallier auch ihre Sprache, sodaß um 150 n. Chr. fast überall lateinisch gesprochen wurde; ja, röm. Wesen und Idiom hat in mancher Beziehung auf gallischem Boden die feinste Ausbildung gezeitigt, indem lat. Lyceen und Rhetorenschulen hier blühten. Aber von einer Verschmelzung der beiden Nationen, geschweige denn von einer Aufsaugung des gallischen durch das röm. Element konnte nicht die Rede sein; die niedere Kultur und Sprache mußte zwar vor der reich entwickelten römischen zurückweichen, besondere durch den Einfluß der Gesetzgebung und Verwaltung und später des Christentums, aber eine wesentliche Veränderung der Rasse fand nicht statt.

Ebenso konnte bei den german. Einwanderungen, seit Beginn der Völkerwanderung (400-900), die kelt. Rasse mit ihrer galloroman. Civilisation die eingewanderten Stämme in sich aufnehmen und verschmelzen, wenn diese auch sicher nicht ohne Einfluß auf die weitere Ausbildung des Volkscharakters gewesen sind. Die Einwanderungen der Burgunden, die sich zwischen mittlerer Rhône, Saône und Genfer See, und der Westgoten, die sich zwischen südl. Rhône, Mittelmeer und Ostpyrenäen niederließen, führten rasch zu einem Aufgehen der erobernden Germanen in der galloroman. Nation. Denn die