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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Freigut; Freihafen; Freihandel

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Freigut - Freihandel

eines einzelnen Freistuhls. Der Inhaber hieß Stuhlherr und, wenn er selbst vorsaß, Freigraf; ebenso hieß ein ihn etwa vertretender Unterrichter. – Über die F. Burgund s. Franche-Comté.

Freigut, Güter und Waren, die von gewissen Abgaben frei sind; ferner ein freies Landgut, Allod (s. d.), auf welchem keine Lehnspflichten und Steuern haften; endlich ein Bauerngut, welches nicht zu Fronen und andern Dienstbarkeiten verpflichtet ist, sondern nur die gewöhnlichen Landsteuern oder einen Freizins bezahlt. Die Besitzer eines solchen Bauerngutes sind Freisassen. Auch versteht man in manchen Ländern unter F. ein solches, welches von Kriegs- und andern Lasten frei ist und nur auf männliche Erben fällt. Die Natur des F. hängt wesentlich von Verträgen, Privilegien u. s. w. ab. Die neuere Zeit hat die Verpflichtungen und Vorrechte der Landgüter vielfach beseitigt.

Freihafen, ein Hafen oder ein Seeplatz, welcher den Schiffen aller Nationen freien Verkehr und den ein- und ausgeführten Waren Zollfreiheit gewährt oder von Schiffen und Waren nur sehr mäßige Abgaben erhebt, welche niemals die Bedeutung und Höhe wirklicher Zölle haben. Solche F. bilden Niederlagen (s. d.), in welchen die eingebrachten Güter zunächst unverzollt lagern, geteilt, sortiert, bearbeitet und umgepackt werden können, um entweder ganz zollfrei oder gegen Entrichtung eines bloßen Durchgangszolls wieder ins Ausland versendet zu werden oder gegen Erlegung des Eingangszolls zum einheimischen Verbrauch des Landes zu gelangen, dem der betreffende F. angehört. Die F. fördern demnach die Schifffahrt und den Großhandel und begünstigen insbesondere den Zwischenhandel, indem sie ein gleichsam ausländisches zollfreies Gebiet des eigenen Staates darstellen. Bei den zu F. erklärten Seeplätzen bildet entweder die ganze Stadt mit der nähern Umgegend, wie früher in Hamburg und Bremen, oder der Hafenplatz und ein genau abgegrenzter und bewachter kleiner Bezirk um denselben, wie jetzt, ein völlig zollfreies Gebiet, sodaß selbst die Konsumtion daselbst keine Eingangsabgaben trägt, diese vielmehr für die ins Innere des Staates gehenden Waren erst an der weiter im Binnenlande gezogenen Zollgrenze erhoben werden. In der neuern Zeit ist die Tendenz zur Centralisierung und Vereinheitlichung des ganzen staatlichen Verwaltungssystems den F. ungünstig gewesen, zumal sie in der That technisch durch ein zweckmäßiges und liberales Niederlagesystem mit großen Docks und Entrepôts (s. d.), wo nicht besondere örtliche Schwierigkeiten obwalten, ersetzt werden können. In Frankreich, wo namentlich Marseille F. war, wurden sie schon in der Revolutionsperiode durch den Konvent aufgehoben. Gegenwärtig sind noch Hamburg und Bremen und auswärts Triest als F. von Bedeutung. Den beiden genannten Hansestädten war durch Art. 34 der Reichsverfassung (nach der Norddeutschen Bundesverfassung ebenso für Lübeck, welches jedoch bereits 1869 auf sein Privileg verzichtete) das Recht eingeräumt, ihre Stellung außerhalb der Zolllinie so lange beizubehalten, bis sie selbst ihren Eintritt in den Zollverband beantragen würden. In dieser Beziehung kam es zum Abschluß eines Vertrags, der 21. Jan. 1882 (Gesetz vom 16. Febr. 1882) die Genehmigung des Reichstags erhielt, nach welchem Hamburg in den Zollverein eingetreten ist nach Abtrennung eines genügend großen Freihafengebietes, zu dessen Einrichtung das Reich die Hälfte der Kosten, jedoch höchstens 40 Mill. M. beiträgt. In analoger Weise (Reichszuschuß 12 Mill. M.) wurden die Verhältnisse für Bremen geordnet (Gesetz vom 31. März 1885). Das noch verbleibende Freihafengebiet steht unter dem Schutze des Art. 34 der Reichsverfassung als Reservatrecht (s. Bremen, Hamburg). ^[Spaltenwechsel]

Freihandel (engl. free-trade) bezeichnet im weitern Sinne nicht bloß freien Handel, sondern die Freiheit des Erwerbs wie des wirtschaftlichen Lebens überhaupt. Freihändler (engl. free-traders) sind demnach diejenigen, welche einen Zustand der Freiheit von allen künstlichen Beschränkungen des Erwerbs und Verkehrs anstreben. Künstlich beschränkt pflegt der Erwerb und Verkehr (der Binnen- wie der auswärtige Verkehr) zu werden: durch Gesetze, welche den Verbrauch gewisser Güter verbieten oder erschweren (z. B. Luxusverbote, Kleiderordnungen); durch Gesetze, welche die Zahl der Anbieter und die Benutzung ihrer Arbeitskraft beschränken (Zunftgesetze, Niederlassungserschwerungen); durch Gesetze, welche für gewisse Gegenstände und Leistungen gewisse Maximalpreise feststellen (Bäcker- und Fleischertaxen, Zinswuchergesetze u. s. w.); durch Gesetze, welche gewisse Geschäfte zeitweise oder für immer verbieten (z. B. Kornwuchergesetze); durch Gesetze, welche im Inlande den Mitbewerb der Ausländer und denjenigen der Inländer im Auslande erschweren (Ein-, Aus- und Durchfuhrzölle); endlich durch solche Gesetze, welche gewisse Gewerbe und den Handel mit gewissen Gütern nur gewissen Personen oder nur dem Staate gestatten (Konzessionswesen, Privilegien, Monopole u. s. w.). Alle diese Beschränkungen haben die gemeinsame Folge, daß sie künstliche, zuweilen monopolistische Preise erzeugen und den freien Umlauf von Gütern oder Leistungen hemmen. Diese Beschränkungen des Erwerbs und Verkehrs stammen nur zum geringsten Teile aus dem frühern Mittelalter und viel weniger noch aus dem Altertum. Die Schranken, die damals bestanden und den internationalen Verkehr hemmten, waren eine Folge der mit der Entwicklung der Volksindividualität zusammenhängenden Abschließung und Feindschaft zwischen den Völkern. Die spätern Beschränkungen entstanden teils durch das Bestreben der besitzenden Klassen, ihre Erwerbsstellungen in dem fortschreitenden Umwandlungsprozeß der Produktion, namentlich gegen die ausländische Konkurrenz zu behaupten, teils aus den wirtschaftspolit. Anschauungen, die in den Kulturstaaten seit dem 17. Jahrh., gleichzeitig mit der absolutistischen Konzentrierung der Staatsorganisation, vorherrschend wurden. Den auswärtigen Handel suchte man im Sinne des Merkantilsystems (s. d.) zu leiten, was die Begünstigung der Fabrikindustrie im Inlande veranlaßte. Andererseits suchte man dem Kleingewerbe seinen Nahrungsstand zu erhalten, was wieder nur durch Begünstigung der im Besitz der Meisterstellen befindlichen Individuen oder durch örtliche Schutzmaßregeln, namentlich durch Beschränkung des Gewerbebetriebes auf dem platten Lande, möglich war.

Ob bei diesem System die Masse der Bevölkerung sich besser oder schlechter befand als heute, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls aber ist sicher, daß in dem Maße, wie der Verkehr materiell durch die Kulturfortschritte erleichtert wird, die Tendenz zur Durchbrechung der ihn hemmenden künstlichen Schranken