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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedensbürgschaft - Friedensgerichte
lichen Friedens war es, wenn die Selbsthilfe und
Fehde ohne die rechtmäßige Voraussetzung oder
ohne die vorgeschriebene Kündigung oder an den
befriedeten Tagen erhoben, und wenn der gewissen
Personen (Geistlichen, Frauen u. s. w.) oder Sachen
(Kirchen, Kirchhöfen, Mühlen, Häusern in der Um-
Zäunung u. s. w.) für alle Zeiten zugesicherte Frieden
verletzt wurde. Nußer diesem wurde bestraft der
Bruch der auf besondern Anlaß errichteten und ge-
lobten Frieden und der Bruch des vom Nicht er
gewirkten Friedens. Die Strafe war nicht immer
dieselbe; in den schwersten Fällen trat Enthauptung
ein (Sachsenspiegel 2,13).
Friedensbürgschaft, s. Gesamtbürgschaft.
Friedensformation, s. Kriegsformation.
Friedensfreunde, Gesellschaft der, eine
von dem nordamerik. Quäker Elihu Vurritt (s. d.),
dem Freihaudelsagitator Cobden u. a. gegründete
Vereinigung, welche sich das Ziel setzte, durch öffent-
liche Agitationen, insbesondere Abhaltung von sog.
Friedenskongressen (Brüssel 1848, Paris 1849,
Frankfurt a. M. 1850, London 1851 u. s. f.; vgl.
(^0NF1'68 (I68 ÄINI8 ä6 1k PN1X UU1V6r86ii6 i'^NNiä ^
I)I-UX61168, Brüss. 1849; Verhandlungen des dritteil
allgemeinen Friedenskongresses zu Frankfurt a. M.,
Franks. 1851), fowie durch Anträge in den parla-
mentarischen Versanunlungen auf Abrüstung und
Unterwerfung der staatlichen Streitigkeiten unter
völkerrechtliche Schiedsgerichte (s. Schiedsrichter)
hinzuarbeiten. Die Sache der F. nahm neuerdings
wieder einen bedeutenden Aufschwung, indem sich
an die internationalen Friedenskongresse interpar-
lamentarische Konferenzen anschlössen, die von Eng-
land aus ins Leben gerufen wurden, und an denen
sich zahlreiche Parlamentarier aller Länder betei-
ligten; befonders stark waren die roman. und slaw.
Völker, darunter uamentlich die Valkaustaatcn ver-
treten. Der erste dieserKongresse fand 1889 in Paris
statt, der zweite 1890 in London, der dritte 1891
in Nom, der vierte 1892 in Bern, der fünfte 1893
in Chicago, der sechste 1894 in Antwerpen. Die
Versammlungen weisen eine stetig wachsende Beteili-
gung auf. Positive Ergebnisse sind, abgesehen von
der Schaffung eines Internationalen Friedensver-
bandsbureaus mit dem Sitz in Bern, noch nicht er-
reicht worden. Eine "Deutsche Friedensgesellschaft"
mit dem Sitz in Berlin und Zweigvereinen in den
gröhern Städten Deutschlands trat 1893 ins Leben.
Friedensfürst (span. pi-incips äs 1a Mx),
Ehrentitel mehrerer span. Minister, die einen Frie-
den abgeschlossen haben. Die bekanntesten sind Don
Luis Mendez d'Haro und Manuel de Godoy (s. d.).
Friedensgefährdung begreift strafrechtlich im
Sinne des positiven Deutschen Strafrechts folgende
Fälle unter sich: 1) Störung des öffentlichen Frie-
dens durch Androhung eines gemeingefährlichen
Vergehens (z. B. der Brandstiftung). Strafe: Ge-
fängnis bis zu 1 Jahre <z. 120). 2) Gefährdung
des öffentlichen Friedens durch öffentliche Anrei-
zung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Ge-
waltthätigkeiten gegeneinander (S. 130), z. B. der
besitzenden Klassen und der Proletarier, der Deut-
schen und Polen, der Altkatholiken und Infallibi-
listen. Dieser Paragraph ist an die Stelle des
frühern fog. Haß- und Verachtungsparagraphen ge-
treten; statt des frühern dehnbaren Ausdrucks:
Anreizung von Angehörigen des Staates zum Haß
und zur Verachtung, ist jetzt der bestimmtere: An-
reizung von Bevölkerungsklassen zu Gewaltthätig-
keiten, gebraucht. Strafe: Geldstrafe bis zu 600 M.
oder Gefängnis bis zu 2 Jahren. 3) F. von feiten
eines Geistlichen oder andern Neligionsdieners durch
Erörterung von Angelegenheiten des Staates -
öffentlich oder in einer Kirche - in Ausübung oder
in Veranlassung der Ausübung seines Bernfes
(ß. 130"). Strafe: Gefängnis oder Festungshaft
bis zu 2 Jahren. 4) Wer erdichtete oder entstellte
Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt
sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch
Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig-
keit verächtlich zu machen, wird ebenso wie im zwei-
ten Falle bestraft (§. 131). Auch hier genügte nach
dem ältern Gesetze, wenn die Staatseinrichtungen
u. s. w. dem Hasse oder der Verachtung ausgesetzt
waren. - Ahnliche Bestimmungen wie unter Nr. 2
und 4 finden sich in §. 278 c und ä des Österr.
Strafgesetzbuchs.
Friedensgerichte. DasInstitutderFriedens-
richter ist in Frankreich eingeführt worden durch
ein Gesetz vom 24. Aug. 1790; spätere Gesetze haben
seine Bedeutung wesentlich verändert. Ursprünglich
sind die Friedensrichter gedacht als vom Volk er-
wählte Vertrauensmänner, deren vermittelnde Thä-
tigkeit den freundnachbarlichen Frieden erhalten
soll. Heutzutage sind F. die ordentlichen Gerichte
unterster Ordnung in Civil- und in Strafsachen,
denen aber auch mannigfache Geschäfte anderer Art
übertragen sind. Jeder Kanton bat ein Friedens-
gericht; das Fricdensgericht ist besetzt mit einem
Friedensrichter, der aber zwei Suppleanten hat;
ihre Anstellung erfolgt nach denselben Grundsätzen,
wie die des Friedensrichters. Jedes Friedens-
gericht hat seinen Gerichtsschreiber. Der Friedens-
richter wird vom Staatsoberhaupte auf Lebens-
zeit ernannt, ist aber absetzbar; er muß Franzose
und über 30 Jahre alt sein; der Nachweis wissen-
schaftlicher Bildung wird nicht erfordert. Die F.
sind zuständig für Civilstreitigkeiten, deren Gegen-
stand einen bestimmten Wert nicht überschreitet,
und für eine Anzahl besonders bezeichneter Civil-
sachen, ohne Rücksicht auf den Wert, wie z. B. Mied
streitigkeiten, Alimentationssachen, Besitzklager
u. s. w.; sie entscheiden teils vorbehaltlich der Be-
rufung, teils in erster und letzter Instanz. Sie sin5
die erkennenden Strafgerichte erster Instanz für Über-
tretungen, conti'HvßiitioQZ ä6 police simple. Su
sind Organe auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Im Princip muß jeder Civilklage der Sühneversuch
vor dem Friedensgericht vorausgehen. Durch der
0oä6 l)ivi1, den ^oäe ä6 ooininorce und viele beson-
dere Gesetze ist ihnen eine sehr große Zahl von Ge-
schäften der freiwilligen Gerichtsbarkeit Übertrager
worden; so ist namentlich der Friedensrichter Ober
Vormundschaftsbehörde, als solche auch Vorsitzendem
des Familienrats. Auch ist der Friedensrichter Be
amter der gerichtlichen Polizei, Gehilfe der Staats
anwaltschaft bei der Ermittelung von Verbrechen
Mit der franz. Herrfchaft war auch die franz. Ge
richtsorganifation und so auch das franz. Friedens
gericht in das linksrhein. Deutschland gekommen
hier ist es jedoch, namentlich in Nheinpreuhen, n
erheblicher Weise modifiziert und jetzt durch dii
Neichsjustizgesetzgebung aufgehoben worden. (^
Amtsgerichte.) Etwas anderes ist die in einige:
deutschen Staaten bestehende Einrichtung de
Schiedsmänner oder Friedensrichter, dere:
Aufgabe es ist, Civilstreitigkeiten und namentlicl
auch Beleidigungen auf Anrufen der Beteiligten in