Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

338

Friedrich II. (König von Preußen)

Aussicht, für seinen Staat die große, reiche und trefflich gelegene Provinz Schlesien zu gewinnen. F. begann im Dez. 1740 den Ersten Schlesischen Krieg, besetzte ganz Schlesien und schloß nach mehrfachen Siegen unter engl. Vermittelung 11. Juni 1742 den Frieden von Breslau, durch den er Schlesien bis zur Oppa sowie die Grafschaft Glatz erhielt (s. Schlesische Kriege). Dem Präliminarfrieden von Breslau folgte 28. Juli der definitive Friede von Berlin. Ein Gebiet von 600 Quadratmeilen und 1 200 000 E. war erworben, der preuß. Staat um die Hälfte seines bisherigen Bestandes vergrößert. Die Verwaltung Schlesiens richtete F. sogleich auf preuß. Fuße ein; er schuf zwei Oberamtsregierungen (Justizkollegien) sowie zwei Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau; Schlesien erhielt einen eigenen, in Breslau residierenden Minister gleichsam als Statthalter; auf dem Lande wurde die Kontribution auf Grund eines neuen Katasters eingeführt, in den Städten die Accise nach dem Muster der alten Provinzen geordnet. Bald kam zu dem neuen Besitz eine Erwerbung im äußersten Nordwesten Deutschlands. 1744 starb das Fürstenhaus in Ostfriesland aus, und F. nahm auf Grund einer Anwartschaft, die sein Großvater von Leopold I. erlangt hatte, sofort Besitz von dem Lande, trotz der Einsprüche, die seitens der Hannoveraner erhoben wurden.

Inzwischen hatte Maria Theresia, von ihrem thatkräftigsten Gegner befreit, in Verbindung mit England glänzende Erfolge errungen (s. Österreichischer Erbfolgekrieg). Mit Besorgnis sah F. die Fortschritte der österr. Waffen und die völlige Niederwerfung des Deutschen Kaisers Karl VII., dem er zum Kaiserthron verholfen hatte. Um dem Reiche Frieden zu schaffen und die fremden Heere aus Deutschland zu verjagen, schlug F. eine Verbindung aller Reichsstände unter militär. Führung Preußens vor und forderte für sich den Titel eines immerwährenden Generallieutenants der Reichstruppen. Allein auch diese Pläne zerschlugen sich damals bei der Furchtsamkeit und bei dem Eigennutz der kleinen deutschen Fürstenhöfe, sodaß F. nun suchen mußte, im Bunde mit dem Auslande, mit Frankreich, die Übergriffe Österreichs und Englands im Reiche zu hindern. Der Wormser Vertrag, den Österreich, England, Sachsen und Sardinien zur Garantie der Pragmatischen Sanktion abgeschlossen hatten (Sept. 1743), erschien dem Könige als eine direkte Bedrohung Preußens, er argwöhnte einen Anschlag auf Schlesien. Deswegen ward (5. Juni 1744) ein neues Bündnis mit Frankreich unterzeichnet und zugleich mit Bayern, Pfalz und Hessen-Cassel 22. Mai die Frankfurter Union (s. d.) geschlossen. Im Aug. 1744 drang F. als Bundesgenosse des Kaisers in Böhmen ein, gewann anfänglich schnelle Erfolge, ward dann aber nach Schlesien zurückgeworfen und in eine höchst gefährdete Lage versetzt, aus der erst der Sieg von Hohenfriedberg (4. Juni 1745) ihn wieder befreite. Der 25. Dez. geschlossene Friede von Dresden brachte keine territoriale Veränderung; doch hatte der Zweite Schlesische Krieg das wichtige Ergebnis, daß Bayern, welches Maria Theresia im Frieden von Füssen an den Sohn Karls VII. zurückgegeben hatte, vor der Einverleibung in die österr. Monarchie bewahrt wurde. Der Besitz von Schlesien, den Maria Theresia in Dresden dem Könige von neuem zuerkannte, ward 1746 von England, im Aachener Frieden 1748 von den übrigen Mächten gewährleistet.

Die folgenden Friedensjahre benutzte F., um den Wohlstand seines Landes zu heben und die Verwaltung des Staates zu verbessern. Zwar mußte das Heer, angesichts der feindseligen Haltung der Nachbarn, noch weiter verstärkt werden, bis aus 150 000 Mann; die Mittel zur Erhaltung dieser unverhältnismäßig großen Militärmacht suchte der König nicht durch Erhöhung der Steuern zu gewinnen, sondern dadurch, daß das Aufblühen des Landes in jeder Weise gefördert und so indirekt auch die Einkünfte des Staates vermehrt wurden. Neue Industrien wurden eingeführt, der innere Verkehr durch Anlegen von Kanälen erleichtert, in Pommern und im Oderbruch zahlreiche Dörfer begründet und Kolonisten angesetzt. Im einzelnen wurde die Staatsverwaltung verbessert; doch blieb sie auch jetzt wesentlich in den Bahnen, die Friedrich Wilhelm I. gewiesen; hingegen wurde in der Justiz mit umfassenden Reformen begonnen, hier entfaltete in diesen Jahren der Großkanzler von Cocceji eine rege Thätigkeit. F. selbst, der 1747 das neue Schloß Sanssouci bei Potsdam bezog, widmete sich neben den Regierungsgeschäften den wissenschaftlichen Studien, der Pflege der Künste und dem Verkehr mit den hervorragendsten Geistern der Zeit; auch Voltaire weilte mehrere Jahre (1750-53) an dem Hofe des "Philosophen von Sanssouci". F. verfaßte in diefem Jahrzehnt die Memoiren zur Geschichte des Hauses Brandenburg und die "Histoire de mon temps", d. h. die Geschichte der zwei schles. Kriege, zahlreiche Oden, Episteln und Satiren sowie mehrere militärwissenschaftliche und philos. Schriften, 1752 auch ein "Polit. Testament". Nach außen hin war die Politik des Königs 1746-56 eine durchaus friedliche. Dagegen wurde das Kriegsfeuer eifrig in Petersburg geschürt. Österreich und Rußland schlossen 1746 ein Defensivbündnis, bei welchem in einem geheimen Artikel ein Revanchekrieg wider Preußen ins Auge gefaßt wurde. Indes wußte F. durch geschickte diplomat. Unterhandlungen die Krisis im Norden abzuwenden. Erst als bei dem amerik. Konflikt zwischen Frankreich und England F. mit König Georg II. den Neutralitätsvertrag von Westminster abschloß und nun der Lieblingswunsch Maria Theresias und des Grafen Kaunitz, die franz.-österr. Allianz, verwirklicht wurde, entwickelte sich eine Kriegsgefahr, die bald derart anwuchs, daß F., um seinen Staat zu retten, sich dazu entschließen mußte, dem drohenden Angriff der Österreicher und Russen zuvorzukommen. Nur von England und einigen kleinern norddeutschen Fürsten unterstützt, führte er sieben Jahre hindurch den ungleichen Kampf gegen eine Koalition fast des gesamten festländischen Europas. (S. Siebenjähriger Krieg.) Vor allem ihm persönlich, seiner Ausdauer und seinem Pflichteifer ist die Rettung und Erhaltung des preuß. Staates in dieser schwersten Krisis zu verdanken. Preußen ward nunmehr allerseits als eine führende europ. Macht, als eine zweite deutsche Großmacht anerkannt.

Die vielen schweren Wunden zu heilen, die der Krieg dem Lande geschlagen, war von 1763 an die nächste Aufgabe des Königs. Da F. am Schluß des Krieges noch über 30 Mill. Thlr. verfügte, so konnte er diese Summen sogleich für die Herstellung des Landes verwenden. Die eingeäscherten Dörfer wurden auf Staatskosten wieder aufgebaut (in Schlesien sind binnen 3 Jahren 8000 Häuser, in der Neumark 6500 durch den König neu errichtet wor-