Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

342
Friedrich Wilhelm II. (König von Preußen)
1891); die Kriege F.s d. Gr., hg. vom Großen
Generalstab (Berl. 1890 fg.); s. außerdem Schlesische
Kriege, Siebenjähriger Krieg, Bayrischer Erbfolge-
krieg, Fürstendund. Eine Übersicht bietet Wiessand,
F. d. Gr. im Urteil der Nachwelt (Straßb. 1888).
Friedrich Wilhelm II., König von Preußen
(1786-97), geb. 25. Sept. 1744, ältester Sohn des
Prinzen August Wilhelm, des Bruders Friedrichs
des Großen, wurde nach dem Tode des Vaters (1758)
zum Prinzen von Preußen ernannt. Obschon er gute
Erzieher und Lehrer erhielt, bot seine Lebensweise
doch bald Anlaß zu berechtigten Klagen; das Ver-
hältnis zu dem Könige verschlechterte sich, der Prinz
überließ sich mehr und mebr seinen starken sinnlichen
Neigungen. Die Thronbesteigung F. W.s (17. Aug.
1786) wurde vom Volke mit lebhafter Freude be-
grüßt; das persönlich so liebenswürdige Auftreten
des Prinzen, seine Geneigtheit, die Härten der vori-
gen Regierung zu mildern, erwarben ihm allseitige
Zuneigung. Die Lage des Staates war bei seinem
Regierungsantritt eine sehr günstige. Durch den
Fürstenbund, dessen sich F. W. als Thronfolger leb-
haft angenommen hatte, hatte Preußen die Führung
in Deutschland gewonnen, bei den großen europ.
Höfett wirkte das Ausehen Friedrichs noch fort, der
Friede war nach allen leiten gesichert, der Staats-
schatz mit über 50 Mill. Thlrn. gefüllt, die preuß.
Armee galt noch immer als die erste Europas. Der
Leiter der auswärtigen Politik, Minister von .Hertz-
berg, glaubte jetzt den Augenblick gekommen, um eine
große europ. Politik durchzuführen und für Preußen
eine ausfchlaggebende Stellung zu erwerben. Als
Schüler Friedrichs d. Gr. ein entschiedener Gegner
Österreichs, gedachte Hertzberg dem Bunde der südl.
Mächte, dem Bunde von Osterreich, Frankreich und
Spanien einen Nordbund entgegenzustellen, zu dem
unter Preußens Führuug Rußland, England und
Holland sich vereinigen sollten. Eine Handhabe, um
diese Absichten einzuleiten, schienen die Holland.
Wirren zu bieten (s. Niederlande). Allein F. W.
blieb zunächst den weitausschauenden Plänen seines
Ministers abgeneigt. Erst als seine Schwester in
Holland sich persönlichen Beleidigungen ausgesetzt
sah, entschied sich F. W. 1787 zu einem bewaffneten
Eingreifen. Diepreuß.Truppen drangen bis Amster-
dam vor, die Macht des Erbstatthalters wurde
wiederhergestellt. 1788 ward zwischen Preußen,
Holland und England ein Schutzbündnis geschlossen.
Jedoch der weitere Fortgang zeigte bald, wie wenig
Hertzberg mit den thatsächlichen Verhältnissen ge-
rechnet hatte. Die Briten gewannen ihm bald im
Haag den Vorsprung ab. Um Rußland auf seine
Seite zu ziehen, plante Hertzberg, den Türkenkricg
der beiden Kaisermächte durch preuß. Vermittelung
zu beenden; aber sowohl die Pforte wie die beiden
Kaiscrmächte lehnten die Einmischung Preußens ab.
Nun verband sich F. W. 1790 mit der Türkei sowie
mit Polen und knüpfte mit Schweden nähere Be-
ziehungen an. An der Spitze dieser von Rußland
bedrängten Mittelstaaten trat Preußen der weitern
Entfaltung der russ. Macht und ihres Verbündeten
Joseph II. entgegen. F. W. drängte auf Waffen-
entfcheidung. Da brachte der plötzliche Tod Jo-
sephs II. der österr. Monarchie Rettung. Sein Nach-
folger Leopold II. wußte durch kluges Nachgeben
die Differenzen im Innern wie nach außen alsbald
zu lösen. Es kam 27. Juli 1790 zum Ncichenbacher
Vertrage. Nach der Forderung F. W.s wurde der
ßtawL huo angenommen, die poln. Erwerbungspläne
Hertzbergs verwarf der König. Unter preuß. Ver-
mittelung ward darauf zwischen Österreich und der
Türkei der Friede von Sistowa abgeschlossen (1791).
Aber jetzt löste sich nicht bloß die Tripelallianz mit
Holland und England auf, auch das Bündnis mit
Polen und der Türkei fowie die Verbindung mit den
deutschen Fürsten ward hinfällig. Die weitere An-
näherung Österreichs und Preußens infolge der
Französischen Revolution bezeichnete den gänzlichen
Bruch mit der Fridericianischen, antihabsburg. Po-
litik Preußens. Im Juli 1791 schied Hcrtzberg aus
dem Amte; sein Nachfolger Bischoffwerder suchte
eine engere Verbindung der beiden deutschen Mächte
anzubahnen. Im Aug. 1791 trafen deren beide
Monarchen in Pillnitz (s. d.) zusammen und unter-
zeichneten 27. Aug. eine Deklaration gegen die Fran-
zösische Revolution. Am 7. Febr. 1792 ward ein De-
fensivbündnis in Berlin abgeschlossen. Nachdem im
April Frankreich an Österreich den Krieg erklärt batte,
ließ F. W. ein Heer in Frankreich einrücken (s. Fran-
zösische Rcvolutionskriege), wurde aber von Anfang
an in seiner Kriegführung gegen Frankreich durch
die bedrohliche Haltung der Zarin gehemmt, die
jetzt in Polen freie Hand zu bekommen hoffte, fowie
durch die ergebnislosen Unterhandlungen, die zwi-
schen F. W. und Kaiser Franz II. geführt wurden.
Am 20. Sept. traten die Preußen den Rückzug aus
der Ehampagne an. F. W. war genötigt, seine
Aufmerksamkeit dem Osten zuzuwenden. Durch das
Bündnis von 1790 war er zur Verteidigung Polens
verpflichtet; auch hatte er die von der poln. National-
partei 1791 durchgesetzte neue Verfassung, die Um-
wandlung des Wahlrcichs in eine Erbmonarchie, die
Erblichkeit der poln. Krone im Hause Sacksen an-
erkannt. Trotzdem konnte er sich nicht entschließen,
den Kampf wider Rußland aufzunehmen und seine
poln. Bundesgenossen mit den Waffen zu schützen.
Er ließ sich vielmehr bewegen, mit Rußland eine
neue Teilung Polens vorzunehmen (Jan. 1793). Am
Rhein währte indessen der Kampf fort und wandte
sich zeitweise entschieden zu Gunsten der Verbündeten.
Das Verhältnis der beiden deutschen Verbündeten
aber verschlechterte sich immer mehr. Kaiser Franz,
voll Verdruß, von der zweiten Teilung Polens aus-
geschlossen zu sein, berief Thugut, einen der entschie-
densten Gegner Preußens, zum Minister. Dieser
näherte sich der Zarin, die gegen F. W. erbittert
war, weil er ihr durch seine Dazwischenkamst die
poln. Beute erheblich geschmälert hatte. Zum vollen
Bruch zwischen Preußen und Österreich kam es in-
folge der neuen Händel in Polen (s. d.). Nackdem
sich die Zarin zur Herrin der Lage gemacht hatte,
traten die beiden Kaisermächte vereint den Forde-
rungen des preuß. Hofs entgegen; sie bestimmten im
Vertrage vom 3. Jan. 1795 über den Rest der poln.
Lande, Preußens Anteil verhältnismäßig gering
bemessend. Der Zwiespalt ging so weit, daß zwi-
schen Wien und Petersburg ein geheimes Bündnis
geschlossen wurde, um Preußen mit bewaffneter
Hand zur Annahme des Teilungsplancs zu zwin-
gen. F. W., im Osten und im Westen zugleich be-
droht, fügte sich dem Willen der beiden Kaiscrhöfe.
Eine Folge dieser dem Könige aufgedrungenen
dritten Teilung Polens war der Baseler Friede
(s. d.). Bei der schlechten Finanzverwaltung, die
unter F. W. herrschte, war der von Friedrich II.
überkommene Schatz schon Ende 1793 erschöpft. Den
Feldzug von 1794 konnte Preußen nur im Solde
Englands führen gegen hohe Subsidienzahlungen.